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US-Gentechnik
Immun gegen mehrere Pflanzengifte

Inzwischen ist in den USA das Erbgut von Mais, Soja, Raps oder Baumwolle oft so verändert, dass den Pflanzen das Herbizid Glyphosat nichts mehr anhaben kann. Aber auch Unkräuter werden resistent. Deshalb bringen die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln jetzt neue, umstrittene Herbizidcocktails auf den Markt.

Von Heike Wipperfürth | 18.02.2015
    Amaranthus Palmeri ist eine Wildpflanze so gross wie ein Weihnachtsbaum. Die Ureinwohner haben früher Teile davon gegessen, doch die heutigen Amerikaner nennen solche Pflanzen "Superunkräuter". Bereits auf 2 Millionen Quadratkilometer Ackerboden in den USA haben sie sich inzwischen ausgebreitet -eine Fläche so groß wie der US Bundesstaat Michigan.
    Superunkräuter breiten sich aus
    Und die Pflanzen sind kaum zu stoppen: Schon seit Jahren tun sie es den gentechnisch veränderten Mais-, Soja- und Baumwollpflanzen gleich, die Monsanto vor zwanzig Jahren auf den Markt brachte - die Superunkräuter sind ebenso wie die Genpflanzen immun gegen das weitverbreitete Herbizid Glyphosat. Die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln reagieren mit einer neuen Generation von Genpflanzen und Herbizidcocktails, um das an die Superunkräuter verlorenes Terrain so schnell wie möglich wieder zurückzuerobern.
    Neue transgene Mais und Sojapflanzen zugelassen
    So hat das US Agrarministerium erst kürzlich neue transgene Mais und Sojapflanzen von Dow Chemical zugelassen. Sie sind immun gegen ein Gemisch aus Glyphosat und dem Herbizid 2,4-D, das auf die Felder gesprüht werden soll, um die Unkräuter zu vernichten - und dessen Zulassung von der US Umweltschutzbehörde EPA genehmigt wurde. Auch Monsanto erhielt Mitte Januar die Zustimmung vom US Agrarministerium für seine gentechnisch veränderten Soja und Baumwollarten, denen einen Cocktail aus den Wirkstoffen Glyphosat und Dicamba nichts anhaben kann. Die neuen Produkte von Dow Chemical und Monsanto sind die Zukunft in der immer komplexer werdenden Welt der Unkrautbekämpfung.
    "Die neuen Genpflanzen mit Immunität gegen 2,4-D und Dicamba wurden entwickelt, weil es keine anderen Alternativen gibt. Das sind zwar ältere Herbizide, doch es ist nun einmal sehr schwierig, neue Unkrautvernichter zu entwickeln. Ich glaube aber, dass viele Farmer auf die neuen Produkte von Dow Chemical und Monsanto zurückgreifen werden."
    Sagt Robert Hartzler, ein Herbizidforscher an der Iowa State Universität. Bislang wartet Monsanto noch auf die Genehmigung seines neuen Herbizids durch die Umweltschutzbehörde EPA. Das neue Pflanzengift von Dow Chemical wurden dagegen bereits in sechs US Bundesstaaten zugelassen – zehn weitere könnten im April dazukommen.
    Umweltschützer beklagen mangelnde Analysearbeit
    Allerdings hat die US Regierung Dow Chemical und den Farmern zum ersten Mal strenge Regeln beim Umgang mit den neuen Herbiziden auferlegt. Damit Pflanzen außerhalb des Ackers nicht geschädigt werden, darf das Pflanzengift nur bei geringer Windstärke gesprüht werden. Hinzu kommt: Die Zulassung der neuen Pflanzen und Herbizide gilt nur für sechs Jahre und wird nicht erneuert, sollten sich neue Resistenzen entwickeln. Umweltschützer und Verbraucherverbände werfen der Umweltschützbehörde EPA in einer Gerichtsklage vor allem mangelnde Analysearbeit bei der Bewertung des Herbizids 2,4-D vor. Es könne die Parkinsonkrankheit und Immunschwächen hervorrufen. Und sie fordern die EPA auf, die Zulassung so schnell wie möglich wieder zurückzunehmen.
    "Diese Pestizide gelangen in das Grundwasser und die Trinkwasserversorgung. Sie können weite Strecken durch die Luft zurücklegen. Sie bedrohen Menschen, Tiere und Pflanzen nah und fern."
    Warnt Paul Achiloff von der Umweltschutzkanzlei Earth Justice. Umweltschützer befürchten zudem, dass sich der Herbizidverbrauch in den USA aufgrund der neuen Produkte um bis zu 77 Millionen Kilogramm pro Jahr erhöhen könnte. Eine andere Lösung gebe es aber derzeit nicht, sagt der Herbizidforscher Robert Hartzler.
    "Ja, wir müssen neue Wege in der US Agrarindustrie finden, mit weniger Monokultur und Herbiziden und mehr Diversität. Aber aus ökonomischen Gründen ist das für die meisten Farmer zur Zeit nicht möglich."
    Auch wenn viele US Verbraucher genetisch veränderte Lebensmittel ablehnen - bei der Debatte um die nächste Generation der Gen-Pflanzen und Giftmittel haben sie wenig zu melden. Sie wissen noch nicht einmal, was sie einkaufen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel müssen in den USA nicht gekennzeichnet werden.