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US-Hedgefonds Elliott
Paul Singer, der Schrecken der Vorstände

Einkaufen, Druck machen, verkaufen – das ist das Geschäftsmodell so genannter aktivistischer Investoren. Einer der bekanntesten ist Paul Singer mit seinem Hedgefonds Elliott. Bei Bayer und SAP ist er schon eingestiegen.

Von Heike Wipperfürth | 18.10.2019
Paul Singer sitzt auf der Bühne im Saal des Montague Hotels in Kalifornien und beschreibt die Unternehmen, in die er am liebsten investiert.
Er suche nach Unternehmen mit Mängeln in der Führung, der Wachstumsstrategie und in der Forschung und Entwicklung, sagt er. Gestutzter, weißer Bart, Brille, sanfte Stimme, der Leiter von Elliott Management, ein 38 Milliarden Dollar schwerer Hedgefonds in New York mit 400 Angestellten, wirkt wie der nette, ältere Herr von nebenan. Doch der 75-Jährige ist der Schrecken der Konzerne in der ganzen Welt.
"Gefürchtetster Investor der Welt"
Er kauft sich bei unterbewerteten Firmen ein, macht Druck auf die Unternehmensleitung, damit der Aktienkurs steigt und verdient beim Verkauf der Papiere viel Geld, manchmal mit rabiaten Methoden. Der Nachrichtensender Bloomberg bezeichnete ihn als den "gefürchtetsten aktivistischen Investor der Welt."
Wir versuchen, immerzu Geld zu verdienen, sagte der Milliardär in einem Video seines Auftritts in Kalifornien auf Youtube. Jetzt hat er die Deutschland AG aufs Korn genommen. 3,4 Milliarden Dollar hat er in den ersten 6 Monaten dieses Jahres in deutsche Unternehmen wie den Softwarehersteller SAP, den Chemiekonzern Bayer und den Online-Kleinanzeigenmarkt Scout 24 investiert, um Druck auf das Management machen. Und das ist erst der Anfang, sagt Kai Liekefett, ein Rechtsanwalt bei der Kanzlei Sidley Austin in New York, der Firmen gegen aktivistische Investoren verteidigt.
"Elliott ist sehr fokussiert auf Deutschland. Die haben inzwischen zahlreiche Portfoliomanager, die sich auf Deutschland spezialisieren und über kurz oder lang die Dax 30 abgrasen."
"Mit Steroiden aufgepumpter Kapitalismus", so nennen Liekefett und seine Kollegen die 200 Milliarden Dollar schwere aktivistische Investorenbranche in den USA. Und werfen ihr vor: Sie sei darauf aus, opportunistisch abzukassieren. Eine langfristige Strategie sei nur selten zu erkennen.
Dividenden rauf, Investitionen runter aus Angst vor dem Hedgefonds
Laut einer Studie des Wall Street Journals hätten Amerikas größte Konzerne ihre Dividendenauszahlungen und Aktienrückkaufprogramme erhöht, während sie ihre Investitionen in neue Betriebe und Anlagen drosseln – aus Angst vor den Hedgefonds. Kai Liekefett:
"Der Druck für Unternehmen wächst, weniger in Forschung zu investieren und sich mehr darum zu kümmern, dass die Aktionäre glücklich sind, weil die einen Euro heute bekommen, anstatt fünf Euro in zehn Jahren, das kann ein Problem werden für eine Weltwirtschaft."
Paul Singer sieht das anders. Eine gute Idee wie der Rausschmiss eines schlechten Firmenleiters könne den Aktienkurs sofort in die Höhe schießen lassen, aber auch langfristige Vorteile mit sich bringen, schrieb er in einem Gastkommentar im Wall Street Journal. Hinzu kommt: Aktivistische Investoren haben mehr Transparenz in die amerikanischen Chefetagen gebracht, sagt April Klein, Professorin für Rechnungswesen an der New York Universität:
"Seit sie Angst vor aktivistischen Investoren haben, reden Firmen viel mehr mit ihren Aktionären. Sie treffen sich häufig, vor allem mit den Großaktionären und teilen ihnen mit, was sie vorhaben."
Größter Coup: Singer gegen Argentinien
Paul Singer gründete seinen Hedgefonds vor 42 Jahren mit 1,5 Millionen Dollar Startkapital. Sein größter Coup gelang ihm gegen Argentinien. Um das Land in einem 15 Jahre langen Streit um Staatsanleihen zu bezwingen, verklagte er es in New York und ließ ein Kriegsschiff samt Besatzung beschlagnahmen. Mit Erfolg. Er kassierte 2,2 Milliarden Dollar – mehr als vier Mal so viel, wie er einbezahlt hatte. Nicht nur das, sagt April Klein:
"Er zeigte allen, dass er bereit ist, vor Gericht zu ziehen und eine harte Linie zu fahren. In der Machowelt der Wall Street ist das wichtig."
Auch Bücher interessieren Singer
Elliott hat seit seiner Gründung eine durchschnittliche Rendite von rund 13 Prozent pro Jahr für seine Investoren verdient und ist ständig auf der Suche nach neuen Investitionsobjekten. Doch Paul Singer weiß: Das aktivistische Investieren ist keineswegs eine ungefährliche Strategie. Als sein Rivale Bill Ackman Milliarden in den Pharmakonzern Valeant pumpte, stürzte die Aktie um 90 Prozent ab und Ackman verlor 4 Milliarden Dollar. Anderen geht es noch schlechter, sagt Kai Liekefett.
"Viele haben ein sehr konzentriertes Portfolio mit 10 oder 20 Unternehmen. Wenn ein oder zwei richtig schiefgehen, weil sie sie falsch eingeschätzt haben, müssen sie ihre Türen schließen."
Dennoch macht Paul Singer munter weiter und verfolgt einen neuen Trend in der Branche: die Übernahme ganzer Unternehmen.
Er hat nicht nur den hoch verschuldeten Fußballklub AC Milan übernommen, sondern, man höre und staune, auch zwei große Buchhandelsketten: Waterstones in Großbritannien und Barnes & Noble in den USA.
Vielleicht kann er ja so beweisen, dass er Unternehmen auch langfristig aufbauen kann. Einen Versuch wäre es wert.