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US-Küste versauert zunehmend

Umwelt. - Eigentlich gelten die Ozeane als viel versprechende Gegenspieler des Kohlendioxidanstiegs. Doch mit ihrem größeren Gehalt an dem Treibhausgas ändert sich offenbar ihre Chemie: die Meere versauern zunehmend, warnen US-Forscher. Doch es gibt auch zweifelnde Meinungen zu den Messungen.

Von Volker Mrasek | 25.11.2008
    Tatoosh Island – der Name klingt ganz nach exotischem Südsee-Atoll. Tatsächlich verbirgt sich dahinter eine Forschungsstation direkt an der Pazifikküste der USA. Steiniger Strand und die Kalifornische Miesmuschel dominieren diese Gezeitenzone an der Grenze zu Kanada. Wenn es stimmt, was US-Ökologen jetzt von dort berichten, dann käme das einer Sensation gleich. Seit neun Jahren wird in Tatoosh Island kontinuierlich der pH-Wert des Meerwassers gemessen, also sein Säuregrad. Und der zeigt einen bemerkenswerten Trend. Timothy Wootton, Professor für Ökologie an der Universität Chicago:

    "Der pH-Wert ist im beobachteten Zeitraum seit dem Jahr 2000 beständig gefallen, und das überraschend stark: mehr als zehnmal so schnell, wie es die Modelle für die pH-Entwicklung im Ozean vorhersagen."

    Woottons Arbeitsgruppe wollte wissen, woran das liegen könnte, und prüfte alle möglichen Einflussfaktoren. So kann sich der pH-Wert von Meerwasser aus vielen Gründen verändern – zum Beispiel dann, wenn die Temperatur, der Salzgehalt oder auch die Algendichte im Wasser schwanken. Der Hauptverdacht aber lag von Anfang an auf dem Treibhausgas Kohlendioxid. Denn große Mengen des in die Atmosphäre abgegebenen Kohlendioxids landen im Ozean, durch natürliche Austauschprozesse. Und dort wird das Kohlendioxid in Kohlensäure umgesetzt:

    "Der einzige Einflussfaktor, der sich die ganze Zeit über systematisch verändert hat, ist der Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Also scheint er maßgeblichen Anteil an der pH-Wert-Abnahme zu haben. Nach unseren Ergebnissen könnte es sein, dass die Meere viel schneller versauern als wir ursprünglich dachten. Man hielt die Rate bisher für sehr gering. Um so dringender ist es nun, diese Prozesse zu verstehen."

    Richard Feely hat die neue Studie der Chicagoer Ökologen bereits überflogen. Der Ozeanograph arbeitet im Nationalen Labor für Meeresumwelt im Pazifik der USA. Dort forscht Feely schon seit längerem über Klimawandel und Meeresversauerung. Nach eigenen Studien im Pazifik kann sich der Experte nicht vorstellen, dass seine Kollegen aus Chicago mit ihren Schlüssen richtig liegen:

    "Wir haben abgeschätzt, wie stark der pH-Wert im offenen Ozean durch die Aufnahme von Kohlendioxid fällt. Und wir kommen auf Veränderungen, die im Bereich von minus 0,02 pH pro Jahrzehnt liegen. Aus der neuen Studie geht hervor, dass die Versauerung etwa 20mal so schnell abläuft. Mir leuchtet nicht ganz ein, warum die Veränderungen so dramatisch sein sollen."

    Feely glaubt auch schon einen Fehler in der neuen Studie entdeckt zu haben. Er hat mit der so genannten Alkalinität des Meerwassers zu tun, dem Anteil basischer Verbindungen im Verhältnis zu den sauer reagierenden. So kann der pH-Wert auch dadurch fallen, dass die Menge basischer Substanzen im Wasser abnimmt. Timothy Woottons Arbeitsgruppe hat die Alkalinität ihrer Wasserproben aus Küstennähe lediglich abgeschätzt. Und das nach einer Methode, von der Richard Feely sagt, dass sie nicht unbedingt die geeignete sei:

    "Mit der Abschätzung der Alkalinität muss man sehr vorsichtig sein. Ich habe die angewendete Methode selbst mitentwickelt. Sie funktioniert im offenen Ozean, aber nicht unbedingt im flachen Küstenbereich. Und das heißt für mich: Die beschriebene, starke pH-Wert-Abnahme hängt nicht zwingend mit dem Kohlendioxid zusammen."

    Vorerst ist also fraglich, ob das Meer unter dem Einfluss steigender Kohlendioxid-Konzentrationen tatsächlich viel schneller versauert als bisher vermutet. Allerdings: dass der pH-Wert in Zukunft weiter absinkt, gilt den Forschern als sicher – und damit auch Veränderungen im Artengefüge der Ozeane.