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US-Ölproduzent Occidental Petroleum
Vom Klimasünder zum Klimaretter?

Die USA sind zum weltgrößten Produzenten von Erdöl geworden. Auch dank riesiger neuen Vorkommen in Texas und New Mexico. Occidental Petroleum, das fünftgrößte US-Öl- und Gasunternehmen, ist dort besonders aktiv. Doch nun will es sich vom Klimasünder zum Klimaretter wandeln – und noch mehr Öl produzieren als vorher.

Von Heike Wipperfürth | 26.04.2019
Eine Erdölpumpe im Sonnenuntergang.
Mehr Öl fördern und mehr CO2 unterirdisch lagern - eine Win-Win-Situation für Konzern und Klima? (imago / Levine-Roberts)
Das sind gute Zeiten für Vicki Hollub: Im Oman, in Abu Dhabi und Kolumbien produziert ihr Unternehmen, Occidental Petroleum, immer mehr Öl und Gas. Und es ist der größte Ölproduzent im permischen Becken, im größten Ölfeld der US-Geschichte in Texas.
"Wir wollen unsere Öl- und Gasproduktion in diesem Jahr um neun bis elf Prozent steigern. Unsere langfristige Wachstumsprognose liegt bei fünf bis acht Prozent – oder mehr", erklärte die Vorstandsvorsitzende des fünftgrößten US-Öl- und Gaskonzerns mit 11.000 Mitarbeitern seine rosige Zukunft aufgrund des steigenden Ölpreises und der weltweit rapide wachsenden Nachfrage nach dem schwarzen Gold – trotz der von fossilen Brennstoffen verursachten Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid, die Hauptursachen des Klimawandels.
Leere Ölfelder als Speicher für klimaschädliches CO2
Doch jetzt hat die gelernte Mineralogin einen Plan, um die Welt von dem gefährlichen CO2 zu befreien: Leere Ölfelder sollen Endlager für industrielles CO2 werden.
Schon seit 40 Jahren presst Occidental Petroleum CO2 aus unterirdischen Lagerstätten in fast erschöpfte Ölfelder, um die Ausbeutung um bis zu 25 Prozent zu steigern. Und nun will sie industrielles CO2 in großen Mengen in ihre Ölfelder pressen, um noch mehr Öl zu gewinnen – und das Treibhausgas für immer tief in die Erde pumpen. Eine Win-Win-Situation, sagt Vicki Hollub:
"Mit unserem Wissen und unserer Erfahrung können wir eine führende Rolle bei der Abscheidung von CO2-Emissionen aus industriellen Quellen und ihrer Speicherung in unseren Ölfeldern im Permischen Becken übernehmen. Das ist gut für unsere Aktionäre und das Klima".
Umstrittene Steuer-Förderung
Tatsächlich erwägt Occidental Petroleum bereits, das abgetrennte CO2 eines Ethanolherstellers aus Houston zu seinen Ölfeldern zu transportieren und zur Ölförderung zu nutzen – wohl auch, weil die US-Regierung neuerdings Steuergutschriften für die Abscheidung und Speicherung von CO2 vergibt.
Dass die fossile Brennstoffbranche von den Steuergutschriften profitiert, halten Umweltschützer wie Alex Doukas von der Klimaschutzorganization Oil Change International in Washington für ein großes Problem:
"60 Prozent des globalen Wachstums der Öl- und Gasproduktion bis 2030 kommt aus den USA. Angesichts der Klimaerwärmung und ihrer Folgen ist die Vorstellung, dass wir Öl und Gasunternehmen subventionieren, um noch mehr fossile Brennstoffe aus dem Boden zu holen, erschreckend und völlig absurd".
Flecken auf der grünen Weste
Je mehr sich Occidental Petroleum über verbesserten Umsatz und Imagepflege freue, umso fraglicher sei ihr wirkliche Interesse am Klimaschutz, findet Alex Doukas.
"Die Firma sollte darüber nachdenken, wie sie am besten aus dem Ölgeschäft aussteigt, anstatt noch mehr Geld in die Ölproduktion zu stecken".
Occidental hat inzwischen einen Bericht vorgelegt – und gelobt darin, nicht nur das Gasabfackeln, bei dem Methan freigesetzt wird, bis 2030 abzuschaffen, und industrielles CO2 in seinen Ölfeldern zu lagern. Hinzu kommt, sagt Julio Friedmann, Forscher für globale Energiepolitik an der Columbia Universität in New York:"Occidental investiert auch in Startups und Technologien, die es schaffen, CO2 abzuscheiden".
Netpower, zum Beispiel, ein klimaneutrales Gaskraftwerk in North Carolina. Oder Carbon Engineering, eine Firma in Kanada, die eine revolutionäre Technologie entwickelt hat, um Kohlendioxid direkt aus der Luft zu filtern.
Grüne Projekte dauern noch
Aber bis die Anlagen im großen Stil zur Dekarbonisierung eingesetzt werden können, vergeht noch viel Zeit, warnt Dan Cohen, Professor für Umwelt-Ingenieurwesen an der Rice Universität in Texas.
"Beide Firmen glauben, dass sie ihre hohen Kosten für die Abspeicherung von CO2 senken können. Aber Netpower nimmt gerade erst ein entsprechendes Demonstrationsprojekt in Arbeit. Carbon Engineering sagt, dass es seine Kosten auf 100 Dollar pro Tonne CO2 senken kann, aber das ist immer noch viel zu viel. Es handelt sich um Technologien, die erst in 5 oder 10 oder 25 Jahren richtig zum Zuge kommen".
Während Kohlendioxidemissionen weltweit weiter nach oben klettern, wird Occidental Petroleum auch weiterhin so viel Öl und Gas wie möglich produzieren. Immerhin hat das 99 Jahre alte Unternehmen aus Houston alleine im Permischen Becken unerschlossene Öl und Gasvorräte für die nächsten 17 Jahre. Und es pflegt seine internationalen Kundenbeziehungen, seit die Obama-Regierung den Öl-Export vor vier Jahren nach einem 40jährigen Verbot wieder erlaubt hat. Tatsächlich will es seinen Ölexport aus dem Permischen Becken im nächsten Jahr auf 95 Millionen Liter pro Tag verdoppeln. Und seit die weltweite Ölnachfrage laut der Internationalen Energieagentur bis 2025 um 160 Millionen Liter pro Tag ansteigt, ist klar, dass sein Geschäft auch weiterhin gut läuft – und mit der Abscheidung und Speicherung von industriellem CO2 vielleicht noch besser.