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US-Präsidentenwahl
Wahlcomputer mit Sicherheitslücken

Ob Hillary Clinton oder Donald Trump als Präsident auf Barack Obama folgen, wird an Wahlcomputern entschieden. Diese könnten leicht gehackt werden, erklärt DLF-IT-Experte Peter Welchering. Sicherheitslücken seien für fast jedes Modell nachgewiesen. Interesse an Manipulationen hätten vor allem fanatische Unterstützergruppen - aus beiden Lagern.

Wissenschaftsjournalist Peter Welchering im Gespräch mit Uli Blumenthal | 07.11.2016
    Ein Wähler im Bundesstaat Ohio bei seiner Stimmabgabe am Computer.
    Obwohl die Wahlcomputer sehr leicht zu hacken sind, wird die Stimmabgabe in den USA nicht protokolliert. (picture alliance /dpa /epa David Maxwell)
    Uli Blumenthal: Frage an meinen Kollegen Peter Welchering: Wie leicht kann so ein Wahlcomputer bei der Präsidentenwahl denn gehackt werden?
    Peter Welchering: Das hängt von den eingesetzten Systemen ab. Denn in den 9.000 Wahlbezirken wird ganz verschiedene Hardware eingesetzt. Aber eines verbindet alle diese Wahlcomputer: Für jedes Modell haben Sicherheitsforscher schon einmal gezeigt, dass es gehackt werden kann.
    Das geht bei den Geräten von Sequoia mit einer einfachen PCMCIA-Karte ganz schnell, in weniger als zwei Minuten. Das erfordert bei neuen Wahlcomputern, die Daten und Programmcode strikt trennen und die Stimmdaten in einen besonders geschützten Speicher legen, gute sieben Minuten. Das Problem dabei: In der Regel würde solch ein Wahlcomputer-Hack nicht einmal bemerkt.
    Blumenthal: Da muss sich aber doch jemand am Gerät zu schaffen machen. Das fällt doch auf?
    Welchering: Bei den älteren Geräten schiebt der Wähler einfach statt der ihm ausgehändigten Chipkarte eine vorbereitete Chipkarte ein, drückt die Bestätigungstaste, und die Manipulation läuft. Das merkt niemand.
    Außerdem wird in vielen Wahlbezirken nicht per Papierausdruck parallel protokolliert. Da kann also nicht einmal mehr nachgezählt werden. Es kann nicht nachkontrolliert werden.
    Und drittens werden die Stimmergebnisse aus den Wahllokalen dann unverschlüsselt in die Stimmzentrale überspielt. Da ist Manipulationen Tür und Tor geöffnet.
    "Es gibt eine Menge sehr fanatischer Unterstützergruppen in beiden Lagern"
    Blumenthal: Nun hat das Heimatschutzministerium ja die Wahlcomputer zur kritischen Infrastruktur erklärt. Welche Auswirkungen hat das denn auf die Schutzmaßnahmen?
    Welchering: Faktisch keine! Die Regierung in Washington hat ein Schutzprogramm aufgelegt. Das muss sie tun für kritische Infrastrukturen. Doch die überragende Mehrheit der Bundesstaaten weigert sich, die Wahlcomputer von Experten aus Washington auf Sicherheitslücken überprüfen zu lassen. Die Jungs von der Ostküste würden doch nur dran rummanipulieren, meinte ein Regierungsmitarbeiter in Illinois.
    Blumenthal: Wer hätte denn eigentlich Interesse, zu manipulieren, Peter Welchering?
    Welchering: Der amerikanische Innenminister zeigt da natürlich sofort nach Moskau und hat damit für erheblichen Wirbel gesorgt. Aber das Problem ist komplizierter: Es gibt eine Menge sehr fanatischer Unterstützergruppen in beiden Lagern.
    Die Wahlkampfleitungen haben diese Unterstützergruppen teilweise überhaupt nicht mehr im Griff. Und von der Seite sind Manipulationen viel eher zu befürchten.
    "Ein Hacking kostet zur Zeit 3.900 Dollar pro Wahlcomputer"
    Blumenthal: Hat so eine Unterstützergruppe denn das notwendige Know-How, um Wahlcomputer zu hacken?
    Welchering: Das lässt sich kaufen. Das Hacking erledigen Dienstleister dann. Die letzten Angebote fürs Hacking von Sequoia und Election System lagen Stand Mittwochabend bei 3.900 Dollar pro gehacktem Wahlcomputer. Diese im Internet verdeckt gehandelten Angebote machen auch dem technischen Berater der US-Regierung für Datenschutz, Ed Felten, so richtig Kopfzerbrechen.
    Und vor diesem Hintergrund bleibt einfach das ungute Gefühl: So richtig trauen kann man den Abstimmungsergebnissen, die die Wahlcomputer da am kommenden Mittwoch ausspucken, eben doch nicht.
    "Das Wahlergebnis ist im Nachhinein nicht überprüfbar"
    Blumenthal: Würde es nicht auffallen, wenn die Wahlergebnisse sehr stark von den bisherigen Umfragen abweichen würden?
    Welchering: Das würde auffallen, wäre aber selbst in den Bundesstaaten, in denen sehr klare Umfrageergebnisse vorliegen, in den meisten Fällen nicht mehr überprüfbar. Und in den sogenannten Swinging States, wo es also zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommt, da fällt so eine Manipulation überhaupt nicht auf.
    In Georgia zum Beispiel liegen Trump und Clinton wirklich gleichauf, Kopf an Kopf. Und in Georgia werden Wahlcomputer eingesetzt, die keinen Papierausdruck ermöglichen. Das Wahlergebnis ist im Nachhinein nicht überprüfbar.
    Und die Wahlcomputer Georgias laufen unter Windows 2000. Da gibt es mindestens ein Dutzend bekannter Sicherheitslücken, um in die Zählspeicher zu kommen und das Ergebnis zu manipulieren.
    Blumenthal: Was müsste denn getan werden, um solche Wahlhacks zu verhindern?
    Welchering: Letztlich hilft nur eine Wahl per Stimmzettel, so richtig auf Papier. Das Problem: Es fehlen die Wahlhelfer zum Auszählen.