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US-Team bei der Basketball-WM
Alle schauen auf den Coach

Die US-amerikanische Mannschaft bei der Basketball-WM in China ist ein Team ohne Superstars. Weil die Spieler mit den großen Namen lieber zuhause blieben, steht vor allem ein Mann im Mittelpunkt: Erfolgstrainer Gregg Popovich.

Von Jürgen Kalwa | 08.09.2019
Gregg Popovich, Trainer des US-amerikanischen Basketball-Teams, bei der WM in China
Gregg Popovich, Trainer des US-amerikanischen Basketball-Teams, bei der WM in China (imago images / Xinhua)
Sie sind unbestritten nicht nur die besten Spieler in der NBA, sondern auch die Basketballer mit den meisten Fans weltweit: LeBron James - Los Angeles Lakers. James Harden - Houston Rockets. Stephen Curry - Golden State Warriors. Kahwi Leonard - ab der nächsten Saison: Los Angeles Clippers.
Sie sorgen für Einschaltquoten. Für den Verkauf von Trikots und Sneakers. Und sie haben das Zeug, bei jedem großen internationalen Turnier jeden Gegner zu schlagen. Sie müssen nur wollen. Doch als der US-amerikanische Basketballverband vor ein paar Monaten seinen Kader für die WM in China zusammenstellte, handelte er sich von jedem dieser Superstars - und weiteren zahlreichen prominenten NBA-Profis - Absagen ein.
Ohne Starspieler zur WM
LeBron James etwa hatte andere Pläne für den Sommer: Er steht für die Hauptrolle in einem Hollywood-Film mit dem Titel "Space Jam 2" vor der Kamera. James Harden wollte sich lieber auf die nächste Saison konzentrieren und auf eine umgebaute Mannschaft, mit der er endlich den Titel holen will. Auch Stephen Curry, bereits zweimal für sein Heimatland bei Weltmeisterschaften, würde erst im nächsten Jahr bei den Olympischen Spielen wieder mitmachen wollen. Und Kahwi Leonard, der im Juni mit den Toronto Raptors für den ersten Meisterschaftserfolg eines kanadischen Clubs sorgte, reagierte gar nicht auf die Einladung.
Und so ging vor einer Woche eine ziemlich anonyme US-amerikanische Mannschaft in das Turnier in China. Und sie unterstrich diesen Status noch dadurch, dass die Spieler mit Trikots antreten, auf denen ihr Name fehlt. Wer sie identifizieren will, muss ihre Rückennummern kennen.
Keine hohen Erwartungen
Die Erwartungen sind nicht besonders hoch. Aber selbst die wären beinahe am Dienstag im zweiten Vorrundenspiel gegen die Türkei früh geplatzt. Die USA mussten in die Verlängerung und gewannen das Spiel mit Glück - und mit einem einzigen Punkt Vorsprung.
Der Mann, der es richten soll, klang hinterher nicht besorgt, aber auch nicht zufrieden. Das Umsetzen von Taktik und Zusammenspiel müsse auf jeden Fall noch besser werden, sagte Trainer Gregg Popovich: "Das war ein gutes Beispiel dafür, wenn es nicht richtig läuft. Wir arbeiten daran. Aber gegen so einen guten Gegner zu spielen, zeigt uns, was alles passieren kann."
Der 70-jährige Erfolgscoach, der seit 1996 die San Antonio Spurs betreut und sie in dieser Zeit zu fünf Titeln geführt hat, versteht es durchaus, mit Mannschaften umzugehen, aus denen man erst noch eine Einheit formen muss. Aber dieser Fall sei etwas Besonderes, glaubt Brian Windhorst, kenntnisreicher NBA-Reporter beim Fernsehsender ESPN: "Der Star ist Gregg Popovich. Das klingt seltsam, und er wird das vermutlich nicht gerne hören. Weil sie keine Superstars haben, müssen sie sich auf ein eingespieltes System stützen. Und wo das der Fall ist, hängt alles vom Trainer ab. Er trägt die ganze Last."
Leitfigur im US-amerikanischen Sport
Auf eine gewisse Weise hatte Popovich schon immer Starqualitäten. Er ist in den letzten beiden Jahren zu einer Leitfigur im US-amerikanischen Sport geworden, weil er sich nicht scheut - wenn gefragt - seine politischen Ansichten zu artikulieren. Ein Präsident wie Donald Trump, den er vor zwei Jahren als "seelenlosen Feigling" bezeichnet hatte und den er für den wachsenden Rassismus im Land verantwortlich macht, gibt ihm dazu immer wieder Gelegenheit.
Selbst wenn dessen Name nicht fällt, ist klar, wer gemeint ist. So wie im Trainingslager, als er zu den jüngsten Massenmorden in El Paso und Dayton gefragt wurde und den Mangel an politischem Willen in Washington kritisierte, etwas dagegen zu unternehmen. "It would be a lot better, if the people in power got off their asses and got something done in a lot of different areas."
Es wäre schön, wenn sie aktiv werden würden, klagte Popovich und benutzte dafür eine nicht so feine Vokabel, nannte die Waffenproblematik, den Umweltschutz und soziale Ungerechtigkeit. Aber er fügte noch mit sarkastischer Stimme hinzu: "Die sind jetzt noch in den Ferien, aber wenn sie zurückkommen, kümmern sie sich sicher um Lösungen."
Sollte das Team in China Weltmeister werden und dadurch die Frage aufkommen, ob es Trump im Weißen Haus einen Besuch abstattet, dürfte Popovich garantiert nicht nach Washington reisen. Und die Spieler im Team vermutlich auch nicht.