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US-Wahlkampf und die Diskussion wer sich durchsetzt

Am 6. November wählen die Amerikaner einen neuen Präsidenten. Auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes buhlen Obama und Romney um die Gunst der unentschlossenen Wähler. Wer die besseren Chancen hat, Präsident zu werden, wird in den politischen Blogs und Zeitschriften diskutiert.

Von Norbert Seitz | 29.10.2012
    "Yes we can"- was ist von der autosuggestiven Mission des Amtsinhabers geblieben? Kaum etwas, befindet die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel. In der Zeitschrift "Cicero" schildert sie, wie der religiöse Wahn seinen ungehinderten Lauf dort nehme, wo ein verbindendes Wertegerüst im sozialen Alltagsleben immer instabiler werde:

    "Wo ist er hin der Mythos des 'alles geht, wenn Du nur willst', der Amerika solange ausgezeichnet hat? Er hat sich als Aberglaube entlarvt, der Glaube an die unbegrenzte Machbarkeit des Glückes. Er ist zerrieben worden zwischen den Fronten der konservativen Hardliner und veränderungswilligen Liberalen. Er ist unterspült worden von den schnell aufeinanderfolgenden Wellen der Krise auf den Finanzmärkten."

    Kann sich ein Land überhaupt "normalisieren", in dessen Innern sich solch tiefe sozial-ökonomische Risse und moralische Widersprüche auftun? Redakteur Balduin Winter sieht in den USA durchaus Anzeichen einer positiven gesellschaftlichen Veränderung. In der den Grünen nahestehenden Zeitschrift "Kommune" schreibt er:

    "Die Spaltung der Gesellschaft ist tief, es gibt sie schon lange, durch die Krise wurde sie heftig verstärkt (…) im politischen Alltagsgeschäft – wie jetzt im Wahlkampf – tauchen grundlegende Konturen der Profile weiter reichender Richtungsideen im zähen Kampf um Stimmen eher ab. Obwohl Obama gegen Romney tendenziell ein Richtungswahlkampf ist. Aber die Idee einer Richtungsänderung, die das Land zu einem normalen Staat in der Staatengemeinschaft hinbewegen soll, die im Innern wieder mehr Gemeinschaft stiften soll, hat in den Vereinigten Staaten Fuß gefasst, so wenig bisher davon auch umgesetzt werden konnte."

    Manche mögen es nicht so recht glauben, dass sich unter einem Präsidenten Romney Grundsätzliches ändern würde. Die Spendenfreudigkeit für den Kandidaten der Republikaner gibt deshalb einigen Betrachtern Rätsel auf. So zum Beispiel dem Publizisten Konrad Ege. Eigentlich müsste der Amtsinhaber in der Gunst der Geldgeber stehen, meint Ege in seiner Bilanz des 44. US-Präsidenten auf Freitag online:

    "Denn Obama hat es ausgesprochen gut gemeint mit denen ganz oben. Seine Bilanz: Kapitalismus gerettet nach der tiefen Rezession, wenn auch mit dem Vorsatz, den Kuchen ein bisschen besser zu verteilen. Kostspielige Kriege im Ausland abgewickelt. Kein Banker im Knast, und es zeigen sich erste Knospen in den blühenden Landschaften amerikanischer Art."

    Die außenpolitische Bilanz der Regierung Obama-Clinton wird dagegen durch die Bank eher kritisch gesehen. Zum Beispiel von Norman Birnbaum, dem Mitherausgeber der "Blätter für deutsche und internationale Politik":

    "Das ist die Lage (…): Die ägyptischen Vasallen der Vereinigten Staaten (…) sind fort, das saudische Herrscherhaus wird belagert, die Türkei ist kaum der willfährige Staat, der er einmal war. Nach dem Abzug der US-Streitkräfte aus Afghanistan wird das Land so unregierbar sein wie eh und je, und die Besetzung des Irak hat der Wirtschaft des Landes ernsten Schaden zugefügt, seine Gesellschaft gespalten und den iranischen Einfluss auf seine Politik verstärkt."

    Die Enttäuschung unter vielen Anhängern Obamas lässt sich kaum verbergen. Der britische Schriftsteller und Dramatiker Heathcote Williams versucht sie sogar bei "Lettre International" in ein Megapoem zu fassen. Titel: "Herr der Drohnen". Darin wird nochmals an die Welle der Begeisterung bei Amtsantritt erinnert:

    "Nach Tributen, dem künftigen Präsidenten am Lincoln Memorial gezollt sagte eine Schauspielerin, die nahe an Obamas Podium stand: 'Es war, als schaute man in die Sonne! Man konnte nicht solange hinschauen!' Laura Linney schwärmte. 'Es war einfach überwältigend.'"

    Und Obamas innenpolitische Bilanz? Sie sei nach vier Jahren eher dürftig, befindet Redakteur Malte Lehming auf Tagesspiegel-Online: Wer auch immer im Fotofinishfinale am 6. November gewinnen wird, soviel scheint zumindest sicher:

    "Der Versuch der Demokraten, durch eine massive Negativkampagne gegen Romney von dieser Bilanz abzulenken, ging nicht auf. Durch betonte Moderation seiner selbst gelang es dem Herausforderer, sich als wählbare Alternative zu inszenieren."

    Bliebe abschließend der Hinweis, dass im antiquierten Wahlsystem der USA noch lange nicht gewonnen hat, wer die meisten Stimmen auf sich vereint. Auf diese Kuriosität weist Albert Scharenberg, der Leiter des New Yorker Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung hin. In den "Blättern für deutsche und internationale Politik" heißt es dazu:

    "Es ist in den USA bereits vier Mal vorgekommen, dass der Kandidat, der die meisten Stimmen erzielte, nicht Präsident wurde. Das liegt daran, dass in jedem der 50 Staaten separat über den Sieger entschieden wird. Unabhängig von der Höhe seines Stimmenvorsprungs werden dem Sieger sämtliche Wahlmänner zugesprochen, welche wiederum den Präsidenten wählen."

    Quellen:
    - Cicero, 10/2012.
    - Kommune, Oktober-November 2012.
    - Freitag online, 22.10.12
    - Blätter für deutsche und internationale Politik, Oktober 2012. - Lettre Internatiopnal, Herbst 2012.
    - Tagesspiegel Online, 25.10.12.