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US-Zwischenwahlen
Demokraten leiden unter Obamas niedrigen Sympathiewerten

Wenn in den USA heute Zwischenwahlen stattfinden, dann könnten die Republikaner eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses erreichen. Das liegt zum einen daran, dass die demokratischen Stammwähler nicht in ausreichender Zahl zur Wahl gehen. Der andere wichtige Faktor ist der Präsident selbst.

Von Marcus Pindur | 04.11.2014
    Charlottesvilles: Präsident Obama wirbt um Stimmen für die sogenannten Zwischenwahlen
    Noch mit deutlich größerem Zuspruch: Präsident Obama bei einer Wahlkampfveranstaltung für die Zwischenwahlen 2010 (AFP / Jewel Samad)
    Es war einer von lediglich sieben Wahlkampfauftritten Barack Obamas. In Bridgeport, Connecticut, warb der Präsident für den demokratischen Gouverneur Dan Malloy.
    Ausgerechnet in Connecticut, einem durch und durch demokratischen Staat, wo man seiner Hilfe eigentlich nicht bedarf. Doch Obama wird nicht nachgefragt im Zwischenwahlkampf. Dort, wo das Rennen eng ist, in Bundesstaaten wie North Carolina, New Hampshire, Louisiana, Georgia oder Kentucky, legen die Demokraten Wert darauf, nicht mit dem Präsidenten in Verbindung gebracht zu werden. Obama gilt nicht als Zugpferd, sondern als Belastung.
    Barack Obama erlebte einen Absturz in der öffentlichen Meinung, der in der Geschichte amerikanischer Präsidentschaften nicht einzigartig ist. In der zweiten Amtszeit lässt das Interesse der Öffentlichkeit nach. Der Zauber des Anfangs ist gewichen, zweitrangiges Personal rückt in Führungspositionen auf, Fehler werden begangen, das Neue weicht der Routine.
    Amerikanische Präsidenten werden bei ihrem Amtsantritt stets euphorisch empfangen, doch kaum einer kam mit größeren Erwartungen und größeren Versprechen ins Amt als Barack Obama.
    Der Kandidat Obama versprach nicht nur Krankenversicherung und Arbeitsplätze. Dieser Tag, so Obama vor seiner Nominierung als Präsidentschaftskandidat, werde in die Geschichtsbücher eingehen als der Tag an dem die Ozeane aufhörten, anzusteigen und an dem der Planet anfange zu heilen.
    Hoffnung und Hybris liegen nahe beieinander in der Wahlkampagne, die Obama 2008 ins Amt brachte. Messianische Erwartungen werden auf ihn projiziert. Obama ist noch kein Jahr im Amt, als das Nobelkommittee ihm den Friedensnobelpreis verleiht.
    Gips am Arm mit der Aufschrift: "I love Obamacare"
    Auch mit Obamacare hadern weiterhin viele US-Bürger. (AFP)
    Messianische Erwartungen an Obama
    Eine Präsidentschaft, die von Anfang an mit Hoffnung überfrachtet war, so die Geschäftsführerin der Bertelsmann Stiftung in Washington, D.C.. Annette Heuser.
    "Als Barack Obama der Nobelpreis verliehen wurde, war das mit der großen Hoffnung verbunden – insbesondere auf europäischer Seite – dass Barack Obama wie kein zweiter jetzt der Weltfriedenspräsident wird und Konflikte konstruktiv angeht, ohne militärische Mittel. Das alles hat sich nicht als wahr erwiesen. Es waren im Prinzip Vorschusslorbeeren oder der Goodwill, den man auf ihn projizieren wollte. Und es ist ganz klar, dass man, auch wenn man Barack Obama ist, an diesen hochgesteckten Erwartungen einfach nur scheitern kann."
    Die USA sind politisch komplett polarisiert
    Doch es waren nicht nur die hohen Erwartungen, die den Stillstand der zweiten Amtszeit Obamas umso spürbarer machten. Das Land ist politisch polarisiert wie selten zuvor in seiner Geschichte, und das spiegelt sich in der Parteienlandschaft wider, so der Historiker Alan Lichtman von der American University.
    "Die vielversprechende Obama-Präsidentschaft blieb in einer Blockade in Washington stecken. Obama hat zwar versprochen, überparteilich zu regieren und über den Konflikten zu stehen, aber das hätte kein Präsident leisten können. Unsere politischen Parteien sind auf das äußerste polarisiert. Die Republikaner sind fast zur Gänze konservativ, die Demokraten fast zur Gänze links, es gibt keine Überschneidungen mehr. Und deswegen konnte weder Barack Obama noch irgendwer sonst diese Blockade auflösen."
    In der Tat hat die rechtspopulistische Tea Party-Bewegung ein ums andere Mal Maximalforderungen aufgeboten und die eigene Partei, die Republikaner vor sich her getrieben. Vorneweg stets die Forderung, die Gesundheitsreform Obamas, die sogenannte Obamacare, zurückzunehmen. 47 Mal stimmte das republikanische Repräsentantenhaus für ihre Abschaffung, der demokratische Senat lehnte es jedes Mal ab, sich damit zu befassen.
    Obamas Erfolge nur in der ersten Amtszeit
    Doch die Feindseligkeit vieler Republikaner ist nur eine Seite der Medaille. Was Obama nicht beherrscht, ist das Werben um Mehrheiten im Kongress, das Umgarnen und Unter-Druck-Setzen, kurz: das Aushandeln blutiger Kompromisse mit dem politischen Gegner. Bill Clinton beherrschte dies meisterlich: Er konzedierte den Republikanern eine Sozialhilfereform und bekam dafür eine Erhöhung des Mindestlohnes. Obama ist zu professoral, zu selbstgerecht, manche sagen: zu überheblich für solche Kompromisse.
    Obamas Verdienste werden von den meisten Beobachtern in der ersten Amtszeit verortet, solange er noch eine demokratische Mehrheit im Kongress hatte, so Alan Lichtman.
    "Drei Dinge stehen ganz oben: Die staatliche Rettung der Automobilindustrie, der es heute wieder gut geht. Das große Konjunkturprogramm, und die Rettung des Bankensystems mit anschließender Finanzreform. Wäre das nicht gewesen, würden wir heute noch in der Rezession stecken."
    Die inkonsequente und sprunghafte Außenpolitik Obamas wird von Experten gerügt. Die breite amerikanische Öffentlichkeit reibt sich an der nach wie vor unbeliebten Gesundheitsreform, dem holprigen Start von Obamacare, der späten Reaktion auf die Ebola-Krise und ähnlichen innenpolitischen Themen.
    Der Aufschwung in den USA ist zäh, aber dauerhaft. Die Arbeitslosigkeit liegt bei sechs Prozent und doch sind viele Amerikaner immer noch tief verunsichert von der großen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Diese Verunsicherung erklärt den Aufschwung der Rechts- wie Linkspopulisten in den USA. Die damit einhergehende politische Blockade in Washington erklärt, warum sowohl der Präsident als auch der Kongress an einem Tiefpunkt im öffentlichen Ansehen angekommen sind. Egal, wie die Zwischenwahl ausgeht, es wird wahrscheinlich bei der Blockade des politischen Prozesses in Washington bleiben.