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"Bilanz für die FED sehr negativ"

Die FED feiert ihren 100. Geburtstag. Der Finanzwissenschaftler Wolfgang Gerke sieht ihre Rolle skeptisch. "Sie hat den Staat mit billigem Geld versorgt und so Blasen produziert", sagt er im Deutschlandfunk. Bedauerlich sei, dass die EZB der FED immer mehr gleiche.

Wolfgang Gerke im Gespräch mit Birgid Becker | 23.12.2013
    Birgid Becker: Die FED, die wohl mächtigste Notenbank der Welt, argumentiert gleichwohl mit ihrem Status als private Einrichtung. Ist das schon Teil des Problems?
    - Mitgehört hat der Finanzwissenschaftler Wolfgang Gerke. Guten Tag!
    Wolfgang Gerke: Guten Tag, Frau Becker!
    Becker: 100 Jahre FED – wie ist Ihre Einschätzung? Ist die FED Beschützer vor Krisen, oder gar deren Verursacher?
    Gerke: Beides, Frau Becker. Sie hat sicherlich geholfen, Krisen zu bewältigen. Wenn wir zum Beispiel an den Terroranschlag am 11. September denken, da hat die FED sehr klug reagiert. Aber sie hat Krisen nicht verhindert. Die Weltwirtschaftskrise, da hat sie unklug gehandelt. Aber auch in jüngsten Krisen. In meinen Augen hat sie die Immobilienkrise maßgeblich in den USA ausgelöst. Sie hat mit billigstem Geld die Investmentbanken versorgt, sie hat den Staat mit billigem Geld versorgt und so Blasen produziert. Und die Folgen, die müssen wir heute noch abtragen. Insofern ist meine Bilanz für die FED doch sehr negativ.
    Becker: Nun war eben im Beitrag über die Struktur der FED zu hören. Anteile halten die Geschäftsbanken. Nur über das Spitzenpersonal, über das wird von der Politik entschieden. Wenn Sie nun diese skeptische Einschätzung haben, hängt das auch an der Struktur der FED? Anders gefragt: Wie anfällig ist denn die FED für Einflussnahme aus der Bankenwelt?
    Gerke: In den USA wird die Finanzpolitik stark heute von den Investmentbanken bestimmt. Häufig werden auch die Posten dort von ehemaligen Investmentbankern besetzt. Und in meinen Augen ist dann die FED so der verlängerte Arm der amerikanischen Politik. Das ist gut gemeint in den USA, aber führt weltweit dann doch zu Problemen. Wenn die Wall Street dann einen Schnupfen hat, dann sorgt die FED für billiges Geld für die Banken. Und wenn der Präsident einen Krieg führen will, dann sorgt die FED dafür, dass wieder billiges Geld in die Märkte kommt. Die Abhängigkeit der FED von Politik und Banken ist wesentlich stärker, als das beispielsweise früher bei der Bundesbank der Fall gewesen war.
    Becker: Nun fällt ja dieser 100. Geburtstag der FED in einen Zeitpunkt, wo sie vor einem zweifachen Wechsel steht: Einem Wechsel an der Spitze, auf Ben Bernanke wird Janet Yellen folgen. Und sie steht auch vor einem Kurswechsel, denn zum Wochenbeginn hat Bernanke ja angekündigt, dass die Politik des extrem lockeren Geldes zurückgefahren werden soll. Zumindest soll das Volumen der Stützungskäufe für US-Staatsanleihen reduziert werden. Was für eine andere FED entsteht da. Oder ist sie gar nicht so viel anders?
    Gerke: Frau Becker, für mich entsteht da gar keine neue FED. Janet Yellen wird die Politik weiterfahren, die Politik des billigen Geldes. Aber man kann nicht jeden Monat 85 Milliarden US-Dollar in US-Staatsanleihen hineinlegen, das muss man irgendwann langsam zurückführen. Der Zeitpunkt ist eigentlich längst überschritten, wo man es hätte machen müssen. Und jetzt werden es dann monatlich 75 Milliarden US-Dollar sein. Das produziert doch mögliche Blasen wieder. Das sind gefährliche politische Maßnahmen der FED und sie ist wieder viel zu weit gegangen. Nur jetzt kommt eins: Die Chinesen werden nicht immer das billige Geld der Amerikaner bereit sein, aufzukaufen. Und insofern muss sich da die FED auch an neue internationale Gegebenheiten ausrichten. Aber ich sehe keine veränderte Politik.
    Becker: Wir haben ja begonnen mit der Struktur der FED als Privateinrichtung, an der vor allem die US-Banken Anteile halten. Die Struktur der EZB, der Europäischen Zentralbank, ist eine andere, eine öffentliche und in großen Teilen dem Modell der Bundesbank nachgebildet. Trotzdem erscheint es aber, als glichen sich FED und EZB in ihren Kriseninterventionen immer weiter an. Wie gleich sind denn die beiden Einrichtungen oder wie ungleich?
    Wolfgang Gerke
    Geboren 1944 in Cuxhaven, Niedersachsen. Seit 2006 als Präsident des „Bayerischen Finanz Zentrums“. Der Experte für Bankbetriebslehre und Finanzwirtschaft studierte in Saarbrücken. Er habilitierte sich 1978 an der Universität Frankfurt. Später hatte er mehrere Lehrstühle inne, zuletzt an der Universität Erlangen-Nürnberg.
    Wolfgang Gerke, Präsident "Bayrisches Finanz-Zentrum" und Finanzwissenschaftler

    Gerke: Ja, den Eindruck, den Sie da vermitteln, Frau Becker, den teile ich. Da ist auch der große Kummer von uns Deutschen. Die EZB wird in ihrer Politik immer mehr ein Plagiat der FED. Das klingt böse, aber ich sage das bewusst so. Und dies war nämlich nicht der Auftrag. Aber die Spanier, die Italiener, die Griechen und die Franzosen, die scheren sich doch nicht um den Maastricht-Vertrag. Sie haben den so auch gar nicht haben wollen. Ihre Notenbanken, die dienten längst immer auch fiskalpolitischen Zielen der Regierung. Und jetzt sehen wir, dass insbesondere auch unter Draghi, aber auch schon unter seinem Vorgänger die EZB eine völlig andere Politik fährt, als das die Bundesbank gemacht hat. Und die Rechnung zahlen deutsche Steuerzahler, deutsche Sparer. Das sehe ich so. Man muss natürlich auch eins sehen: Die EZB ist in diese Rolle hineingedrängt worden durch Politikversagen in den verschiedenen europäischen Ländern.
    Becker: Kann man nicht auf der anderen Seite einfach sagen, dass das FED-Modell das praxistauglichere ist und dass es von daher naheliegend ist, dass die EZB diesem FED-Modell folgt?
    Gerke: Das wäre schön, wenn man diese Einstellung teilen könnte. Aber ich sehe es doch als wichtig an, dass man eine Gewaltenteilung hat, dass der Staat seine fiskalpolitischen Aufgaben erfüllt, dass aber auf der anderen Seite eine unabhängige Notenbank für die Stabilität des Geldes sorgt. Da hat die FED versagt. Wir haben gesehen, wie das uralte Bretton-Woods-Abkommen, was mal gut gemeint war, und auch der Gold-Standard, wie das gescheitert ist. Und wir sehen im Moment, wie immer wieder Blasen durch die Notenbankpolitik produziert werden. Man wird hier doch leider sagen müssen, dass die Politik der Deutschen Bundesbank ein Supermodell für die ganze Welt gewesen wäre, aber natürlich nicht angenommen wurde.
    Becker: Eins noch zum Schluss. Was erwarten Sie davon, dass die FED-Protokolle aus den Zeiten der Finanzkrise nun veröffentlicht werden müssen? Bei der EZB ist man ja noch nicht so weit, obwohl einzelne Direktoriumsmitglieder es gerne sehen würden, dass die Sitzungsprotokolle des EZB-Rats auch veröffentlicht würden. Kurz: Was erwarten Sie, wenn es wirklich zu mehr Transparenz bei beiden Notenbanken käme?
    Gerke: Das kann ich kurz machen, Frau Becker. Ich glaube, da wird sich nicht viel ändern. Die Märkte werden sich auf mehr Transparenz einstellen. Bisher orakeln sie ein bisschen, um zu rätseln, was da in den Protokollen drinstehen könnte. Transparenz schadet da nicht. Aber wichtiger ist es, dass die Notenbank sich ihrer Aufgabe, die Notenbanken, muss man sagen, ihren Aufgaben stärker stellen, dass sie nicht zum Lückenbüßer für Politikversagen werden oder sich machen lassen und sich stärker der Geldwertstabilität verantwortlich fühlen.
    Becker: Danke! – Einschätzungen waren das vom Finanzwissenschaftler Wolfgang Gerke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.