Dirk Müller: Herr Voigt, verlangt Washington von den Europäern eine härtere Gangart gegenüber Moskau?
Karsten Voigt: Das tut Washington gegenwärtig, wobei man einfach sehen muss, dass aus meiner Sicht die Politik Washingtons mehr von Hoch und Nieder geprägt ist in den Beziehungen zu Russland als die deutsche Politik. Es gab in Washington Anfang der 90er Jahre Leute, die sogar dafür waren, dass man Russland die Perspektive öffnen müsste, in die NATO einzutreten. Heute überwiegt besonders im Kongress das negative Bild von Russland und die Abneigung gegenüber Russland. Deutschland hat demgegenüber bei wechselnder Rhetorik und unter sehr unterschiedlichen politischen Umständen seit den 70er Jahren kontinuierlich die Politik vertreten, Russland näher an die Europäische Union anzubinden.
Müller: Ist das nach wie vor richtig?
Voigt: Es ist nach wie vor richtig, eine strategische Partnerschaft anzustreben. Ich sage das klipp und klar. Aber wenn man sagt, man strebt etwas an, heißt das ja auch, dass sie noch nicht besteht. Und sie kann noch nicht bestehen, weil es in einigen Punkten bar aller Kooperation im Einzelfall zu stark noch Auffassungsunterschiede gibt und weil es natürlich zu einer strategischen Partnerschaft gehört, dass es nicht nur eine große Konvergenz von Interessen gibt, sondern auch eine Annäherung bei den Werten. Aber dass man diese anstrebt, das muss europäisches Interesse bleiben.
Müller: Wie weit - das werfen die Kritiker ja vielen vor - ist diese Rede von der Partnerschaft eine Verharmlosung der realen Situation?
Voigt: Es ist keine Verharmlosung der gegenwärtigen Realität, denn Russland ist zurzeit keine Demokratie, sondern es ist eine Mischung zwischen einzelnen demokratischen Komponenten und Elementen einer autoritären Stabilisierung. Insofern ist die gemeinsame Wertebasis nicht voll gemeinsam da, und es gibt auch neben Interessen und Übereinstimmung Interessendivergenzen. Aber das ändert ja nichts daran, wenn man diesen unbefriedigenden Zustand beschreibt, dass man gleichzeitig beschreiben muss, wohin man will. Und man will zu einem besseren Zustand, nämlich dem der strategischen Partnerschaft. Und damit es dahin kommt, muss man regelmäßig den Dialog pflegen, man muss sagen, wo man nicht übereinstimmt, wo man etwas zu kritisieren hat - das wird getan -, aber muss über den gegenwärtigen unbefriedigenden Zustand hinaus eine Perspektive haben, und das ist die der strategischen Partnerschaft.
Müller: Herr Voigt, wir haben nicht mehr so viel Zeit, aber wir müssen dennoch ein anderes Thema besprechen. Sie haben sehr gut Paul Wolfowitz gekannt. Paul Wolfowitz nimmt jetzt seinen Abschied Anfang Juni. War das ein Schritt, den George Bush auch einleiten musste?
Voigt: Ja natürlich war es ein Schritt, den er nicht wollte, sondern den er einleiten musste, weil es nicht nur in Europa, sondern auch in den USA eine zunehmende Kritik gab. Paul Wolfowitz ist ein hochintelligenter Mann, der auch persönlich durchaus sympathisch ist - natürlich umstritten ist wegen seiner Irak-Politik -, aber der in diesem Fall Fehler begangen hat. Und wenn man in einer solchen Führungsposition ist, gibt es Konsequenzen, die man daraus ziehen muss, und die hat er jetzt gezogen.
Müller: Hat er zu lange gezögert, das zu verstehen, dass er nicht mehr länger haltbar war in diesem Amt?
Voigt: Das ist offensichtlich der Fall, wobei ich nicht sicher bin, ob es nur an ihm liegt oder ob ihm andere auch den Ratschlag gegeben haben, solange zu bleiben, wie er jetzt geblieben ist.
Müller: War er ein guter Weltbank-Präsident?
Voigt: Er ist mit einem guten Programm angetreten, nämlich dem Programm, die Weltbank zu erneuern und auch von Ansätzen der Korruption zu befreien. Und gerade wegen seiner hohen Ansprüche an die Reform der Weltbank hat man ihm gegenüber jetzt auch solche hohen Ansprüche geltend gemacht, gerade damit die Reformen durchgesetzt werden können. Und ein solcher Reformkurs wird bestimmt auch unter einer neuen Führung fortgesetzt werden.
Karsten Voigt: Das tut Washington gegenwärtig, wobei man einfach sehen muss, dass aus meiner Sicht die Politik Washingtons mehr von Hoch und Nieder geprägt ist in den Beziehungen zu Russland als die deutsche Politik. Es gab in Washington Anfang der 90er Jahre Leute, die sogar dafür waren, dass man Russland die Perspektive öffnen müsste, in die NATO einzutreten. Heute überwiegt besonders im Kongress das negative Bild von Russland und die Abneigung gegenüber Russland. Deutschland hat demgegenüber bei wechselnder Rhetorik und unter sehr unterschiedlichen politischen Umständen seit den 70er Jahren kontinuierlich die Politik vertreten, Russland näher an die Europäische Union anzubinden.
Müller: Ist das nach wie vor richtig?
Voigt: Es ist nach wie vor richtig, eine strategische Partnerschaft anzustreben. Ich sage das klipp und klar. Aber wenn man sagt, man strebt etwas an, heißt das ja auch, dass sie noch nicht besteht. Und sie kann noch nicht bestehen, weil es in einigen Punkten bar aller Kooperation im Einzelfall zu stark noch Auffassungsunterschiede gibt und weil es natürlich zu einer strategischen Partnerschaft gehört, dass es nicht nur eine große Konvergenz von Interessen gibt, sondern auch eine Annäherung bei den Werten. Aber dass man diese anstrebt, das muss europäisches Interesse bleiben.
Müller: Wie weit - das werfen die Kritiker ja vielen vor - ist diese Rede von der Partnerschaft eine Verharmlosung der realen Situation?
Voigt: Es ist keine Verharmlosung der gegenwärtigen Realität, denn Russland ist zurzeit keine Demokratie, sondern es ist eine Mischung zwischen einzelnen demokratischen Komponenten und Elementen einer autoritären Stabilisierung. Insofern ist die gemeinsame Wertebasis nicht voll gemeinsam da, und es gibt auch neben Interessen und Übereinstimmung Interessendivergenzen. Aber das ändert ja nichts daran, wenn man diesen unbefriedigenden Zustand beschreibt, dass man gleichzeitig beschreiben muss, wohin man will. Und man will zu einem besseren Zustand, nämlich dem der strategischen Partnerschaft. Und damit es dahin kommt, muss man regelmäßig den Dialog pflegen, man muss sagen, wo man nicht übereinstimmt, wo man etwas zu kritisieren hat - das wird getan -, aber muss über den gegenwärtigen unbefriedigenden Zustand hinaus eine Perspektive haben, und das ist die der strategischen Partnerschaft.
Müller: Herr Voigt, wir haben nicht mehr so viel Zeit, aber wir müssen dennoch ein anderes Thema besprechen. Sie haben sehr gut Paul Wolfowitz gekannt. Paul Wolfowitz nimmt jetzt seinen Abschied Anfang Juni. War das ein Schritt, den George Bush auch einleiten musste?
Voigt: Ja natürlich war es ein Schritt, den er nicht wollte, sondern den er einleiten musste, weil es nicht nur in Europa, sondern auch in den USA eine zunehmende Kritik gab. Paul Wolfowitz ist ein hochintelligenter Mann, der auch persönlich durchaus sympathisch ist - natürlich umstritten ist wegen seiner Irak-Politik -, aber der in diesem Fall Fehler begangen hat. Und wenn man in einer solchen Führungsposition ist, gibt es Konsequenzen, die man daraus ziehen muss, und die hat er jetzt gezogen.
Müller: Hat er zu lange gezögert, das zu verstehen, dass er nicht mehr länger haltbar war in diesem Amt?
Voigt: Das ist offensichtlich der Fall, wobei ich nicht sicher bin, ob es nur an ihm liegt oder ob ihm andere auch den Ratschlag gegeben haben, solange zu bleiben, wie er jetzt geblieben ist.
Müller: War er ein guter Weltbank-Präsident?
Voigt: Er ist mit einem guten Programm angetreten, nämlich dem Programm, die Weltbank zu erneuern und auch von Ansätzen der Korruption zu befreien. Und gerade wegen seiner hohen Ansprüche an die Reform der Weltbank hat man ihm gegenüber jetzt auch solche hohen Ansprüche geltend gemacht, gerade damit die Reformen durchgesetzt werden können. Und ein solcher Reformkurs wird bestimmt auch unter einer neuen Führung fortgesetzt werden.