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USA
"Zerfetzter" Polarwirbel sorgt für Eiseskälte

Im mittleren Westen der USA herrschen aktuell Temperaturen von minus 40 Grad. Schuld daran ist der Polarwirbel, der früher als üblich "zerfetzt" wurde. Ob es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt - darüber sind sich Forscher uneins.

Von Volker Mrasek | 31.01.2019
    Ein Mann hält sich einen Schal vor sein Gesicht, während er auf einem Bürgersteig läuft.
    Wenn der Polarwirbel frühzeitig ausfranst, drohen extreme Temperaturen (dpa-Bildfunk / AP / Chicago Sun-Times / Rich Hein)
    Wodurch wurde die Kältewelle ausgelöst?
    Auslöser ist der Polarwirbel, ein riesiges, eiskaltes Tiefdruckgebiet über dem Nordpol. Das bildet sich jeden Winter in stockdunkler Polarnacht in der Stratosphäre, also in Höhen von 10 bis 50 Kilometern. Üblicherweise liegt dieser Wirbel relativ stabil über dem Pol und bricht erst im Frühjahr auf, wenn die Sonne wieder ins Polargebiet scheint. Diesmal hat es ihn frühzeitig "zerfetzt", durch eine sogenannte Stratosphärenerwärmung. Das hat zu diesem Ausbruch arktischer Luftmassen bis weit in die USA hinein geführt und zu diesen eisigen Temperaturen, die dort gerade herrschen.
    Wie funktioniert dieses "Zerfetzen" genau?
    Wenn der Polarwirbel stabil und intakt ist, kann praktisch keine eiskalte Luft aus der Arktis entkommen. Dann liegt der polare Jet Stream, der sich am Oberrand unserer Wetterschicht befindet, wie ein eiserner Ring um das Polargebiet, etwa auf 60 Grad nördlicher Breite - wie ein Strömungsriegel, der von West nach Ost um die Arktis weht.
    Wenn der Polarwirbel aber ausfranst oder sogar zusammenbricht, dann reagiert auch der Jet Stream und fängt an, regelrecht "rumzueiern". Er verschiebt sich Richtung mittlere Breiten und bildet Schlenker aus, die noch weiter nach Süden reichen, etwa wie eine Sinus-Schwingung. Solche Schlenker macht der Jet Stream bevorzugt über Nordamerika oder Zentralasien, manchmal mit Europa, diesmal trifft es die USA.
    Ist das ein beispielloses Wetterereignis?
    Ähnliche Phänomene hat es in der Vergangenheit schon gegeben. Vor vier Jahren, im Januar 2014, hat sich das Ganze schon einmal fast genauso abgespielt. Im vergangenen Februar gab es ein ähnliches Wetterereignis auch in Deutschland, eine Kältewelle, die durch einen abgeschwächten Polarwirbel ausgelöst wurde. Es war auch schon einmal noch kälter in den USA. Der Deutsche Wetterdienst meldete heute, dass bisher keine Tiefsttemperatur-Rekorde geknackt worden seien. Mit -42 Grad Celsius sei die größte Kälte aktuell an einem Flughafen in Minnesota gemessen worden. Der Rekordwert liege aber noch viel tiefer, und zwar bei -57 Grad.
    Gibt es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?
    Auf diesem Gebiet wird im Moment intensiv geforscht. Der Motor des Jet Streams ist der Temperaturkontrast zwischen der kalten Arktis im Norden und den warmen Tropen im Süden. Je stärker dieser Gradient ist, desto stabiler wird auch der Jet Stream. Durch den Klimawandel erwärmt sich aber gerade die Arktis besonders stark, dadurch wird der Temperaturgradient kleiner, der Jet Stream wird schwächer und dann neigt er eher dazu, diese Schlenker auszubilden und im Winter dann arktische Luftmassen bis in mittlere Breiten zu befördern. Die Klimaerwärmung könnte arktische Kaltluft-Einträge über diesen Mechanismus sogar begünstigen, aber die Forscher wissen es noch nicht genau.