Wenn Menschen wählen könnten, würden sie als Amerikaner zur Welt kommen. Denn Amerikaner sein heißt einfach Mensch sein – unschuldig, gut, wahrhaftig. Selbstironisch beschreibt Jedediah Purdy die Wesensart seiner amerikanischen Landsleute. "Amerikanische Gewalt geht wie ein sanfter Regen auf die Welt nieder, und wo sie in den Boden sickert, sprießt der Frieden." Oder etwa nicht?
Warum sind die Amerikaner so stolz auf ihr Land? Warum blickt die Welt voller Bewunderung und zugleich voller Hass auf die USA? Welche Rolle spielt Amerika in der Welt? Um dies genauer zu verstehen machte sich Jedediah Purdy – kurz nach dem 11. September 2001 - auf eine Welt-Reise. Er wollte wissen, wie sein Land, das "unsichtbare Imperium", von außen gesehen wird. In seinem neuen Buch "Das ist Amerika" hat Purdy seine Erfahrungen verarbeitet.
Ich reiste im Herbst und Winter 2001 einige Zeit durch Ägypten, durch Indien, China, Indonesien und Kambodscha. Und das Ziel der Reise war, mit verschiedenen Leuten zu sprechen. Einerseits mit Leuten, die, wie man sagen könnte, an der Spitze der Globalisierung und Amerikanisierung stehen. Mit Werbefachleuten, Fernsehproduzenten, internationalen Anwälten. Und ich wollte auch mit Leuten sprechen, die Anstrengungen gegen die Globalisierung unternehmen, sei es mit lokalen Führern der Muslimbruderschaften in Ägypten oder von verschiedenen hindu-nationalistischen Organisationen in Indien oder mit jungen chinesischen Nationalisten.
Es ist spannend zu lesen, wie in Ägypten verwestlichte junge Frauen in amerikanischen Marken-T-Shirts begeistert Osama-Bin-Laden-Witze auf ihren Handys empfangen. Wie chinesische Studenten statt auf Microsoft-Windows auf den Abakus – ein traditionelles chinesisches Rechenbrett – zurückgreifen wollen. Aber auch, wie ein amerikanischer Gewerkschaftsvertreter kambodschanischen Arbeitern Lektionen im Kampf gegen den globalen Kapitalismus erteilen will. Doch statt sozialistischer Solidarität lernen diese einfach Englisch, weil sie sich davon bessere Wettbewerbschancen versprechen. Die globalisierte Welt sei eine amerikanisierte Welt, so Purdy. Und eindringlich schildert er die Konfusion, die entsteht, wenn die Verlockung des American way of life ebenso groß ist wie die Verbitterung, am amerikanischen Wohlstand nicht teilnehmen zu können.
Die Gefühle der Menschen sind äußerst gespalten. Sie wechseln nämlich ziemlich schnell zwischen der Meinung, sie wollten Amerika zerstört sehen oder sie wollten selbst wie Amerika werden. Und diese Gespaltenheit drückt aus, dass die Vorstellungen, die die Menschen von Amerika haben, ein Ausdruck ihrer Erfahrungen mit der Moderne sind. Dass sie einerseits empfinden, dass die Moderne Gelegenheiten und neue Chancen, neue Freiheiten und die Chance zu Sicherheit und Wohlstand bietet. Und andererseits, dass die Moderne für sie eine Quelle der Konfusion, der Demütigung und der Entwurzelung ist.
Amerika verlockt und Amerika demütigt. Dies gilt erst recht in jenen Ländern des Mittleren Ostens, wo die Supermacht sich selbst als Wächter über Menschenrechte und Demokratie sieht, in Wirklichkeit aber autoritäre, diktatorische Regimes schützt. Fatale Allianzen schmiedet im Namen des kleineren Übels, um damit einen Hass sät, dessen Konsequenzen nicht absehbar sind.
Die USA hat viele autoritäre Staaten gefördert. Die Tatsache, dass Amerika dort mit der einen Hand die Freiheit wegnimmt, die es mit der anderen verspricht, ist absolut wichtig ... Die Menschen bejahen amerikanische Ideen in vieler Hinsicht, sie wollen das Privileg persönlicher Freiheit und Sicherheit und Wohlstand. Aber sie erkennen, dass Amerika, die Regierung, die Weltmacht sie nicht unterstützt, diesem Ziel näher zu kommen.
"Das ist Amerika" wirft damit Fragen auf, die gerade richtig zur aktuellen weltpolitischen Situation gestellt werden. Doch leider verliert sich die Stringenz des Buches manchmal in einer Informationsflut, die verwirrt statt erhellt. Der indische Hindu-Nationalismus, die Markt-Politik Benettons, die mexikanischen Zapatisten, die neunundzwanzig Bände der Encyclopaedia Britannica, alles, aber auch wirklich alles, was randläufig zum Thema gehören könnte, wird auf knapp 370 Seiten zu Papier gebracht. Als müsse er seinem Ruf als Wunderkind gerecht werden, führt der nunmehr 29jährige Purdy sein Wissen vor: Lincoln, Whitman, Emerson, Adam Smith, Tocqueville, Platon, Montesquieu, Buddha .... Alle werden zur Untermauerung von Purdys Welt-Sicht herangezogen. Zudem durchzieht ein Predigtton das Buch, wenn Purdy seinen Landsleuten Lektionen erteilt, wie z.B.: "Wir sollten unser eigenes Haus in Ordnung bringen." oder "Bei allem was wir tun, sollten wir Amerikaner umsichtig sein und keine Dankbarkeit erwarten."
Mit zunehmendem Alter, so sagte mir der 29jährige, lerne er zu unterscheiden zwischen Ernsthaftigkeit und der Schwäche, sich selbst zu ernst zu nehmen. Das lässt für weitere Bücher hoffen. Denn etwas weniger altkluge Präsentation des eigenen Wissens hätten auch aus "Das ist Amerika" ein richtig gutes Buch gemacht.
Ich glaube, das Wichtigste, was sich in den letzten vier Jahren verändert hat, ist, dass ich dazu in der Lage bin zwischen Ernsthaftigkeit und Sich-Selbst-Wichtig-Nehmen zu trennen. Und ich glaube, meine Einsichten in die menschliche Dummheit im Allgemeinen und meine eigene im Speziellen wächst und gedeiht wahrscheinlich, wenn ich älter werde.
Warum sind die Amerikaner so stolz auf ihr Land? Warum blickt die Welt voller Bewunderung und zugleich voller Hass auf die USA? Welche Rolle spielt Amerika in der Welt? Um dies genauer zu verstehen machte sich Jedediah Purdy – kurz nach dem 11. September 2001 - auf eine Welt-Reise. Er wollte wissen, wie sein Land, das "unsichtbare Imperium", von außen gesehen wird. In seinem neuen Buch "Das ist Amerika" hat Purdy seine Erfahrungen verarbeitet.
Ich reiste im Herbst und Winter 2001 einige Zeit durch Ägypten, durch Indien, China, Indonesien und Kambodscha. Und das Ziel der Reise war, mit verschiedenen Leuten zu sprechen. Einerseits mit Leuten, die, wie man sagen könnte, an der Spitze der Globalisierung und Amerikanisierung stehen. Mit Werbefachleuten, Fernsehproduzenten, internationalen Anwälten. Und ich wollte auch mit Leuten sprechen, die Anstrengungen gegen die Globalisierung unternehmen, sei es mit lokalen Führern der Muslimbruderschaften in Ägypten oder von verschiedenen hindu-nationalistischen Organisationen in Indien oder mit jungen chinesischen Nationalisten.
Es ist spannend zu lesen, wie in Ägypten verwestlichte junge Frauen in amerikanischen Marken-T-Shirts begeistert Osama-Bin-Laden-Witze auf ihren Handys empfangen. Wie chinesische Studenten statt auf Microsoft-Windows auf den Abakus – ein traditionelles chinesisches Rechenbrett – zurückgreifen wollen. Aber auch, wie ein amerikanischer Gewerkschaftsvertreter kambodschanischen Arbeitern Lektionen im Kampf gegen den globalen Kapitalismus erteilen will. Doch statt sozialistischer Solidarität lernen diese einfach Englisch, weil sie sich davon bessere Wettbewerbschancen versprechen. Die globalisierte Welt sei eine amerikanisierte Welt, so Purdy. Und eindringlich schildert er die Konfusion, die entsteht, wenn die Verlockung des American way of life ebenso groß ist wie die Verbitterung, am amerikanischen Wohlstand nicht teilnehmen zu können.
Die Gefühle der Menschen sind äußerst gespalten. Sie wechseln nämlich ziemlich schnell zwischen der Meinung, sie wollten Amerika zerstört sehen oder sie wollten selbst wie Amerika werden. Und diese Gespaltenheit drückt aus, dass die Vorstellungen, die die Menschen von Amerika haben, ein Ausdruck ihrer Erfahrungen mit der Moderne sind. Dass sie einerseits empfinden, dass die Moderne Gelegenheiten und neue Chancen, neue Freiheiten und die Chance zu Sicherheit und Wohlstand bietet. Und andererseits, dass die Moderne für sie eine Quelle der Konfusion, der Demütigung und der Entwurzelung ist.
Amerika verlockt und Amerika demütigt. Dies gilt erst recht in jenen Ländern des Mittleren Ostens, wo die Supermacht sich selbst als Wächter über Menschenrechte und Demokratie sieht, in Wirklichkeit aber autoritäre, diktatorische Regimes schützt. Fatale Allianzen schmiedet im Namen des kleineren Übels, um damit einen Hass sät, dessen Konsequenzen nicht absehbar sind.
Die USA hat viele autoritäre Staaten gefördert. Die Tatsache, dass Amerika dort mit der einen Hand die Freiheit wegnimmt, die es mit der anderen verspricht, ist absolut wichtig ... Die Menschen bejahen amerikanische Ideen in vieler Hinsicht, sie wollen das Privileg persönlicher Freiheit und Sicherheit und Wohlstand. Aber sie erkennen, dass Amerika, die Regierung, die Weltmacht sie nicht unterstützt, diesem Ziel näher zu kommen.
"Das ist Amerika" wirft damit Fragen auf, die gerade richtig zur aktuellen weltpolitischen Situation gestellt werden. Doch leider verliert sich die Stringenz des Buches manchmal in einer Informationsflut, die verwirrt statt erhellt. Der indische Hindu-Nationalismus, die Markt-Politik Benettons, die mexikanischen Zapatisten, die neunundzwanzig Bände der Encyclopaedia Britannica, alles, aber auch wirklich alles, was randläufig zum Thema gehören könnte, wird auf knapp 370 Seiten zu Papier gebracht. Als müsse er seinem Ruf als Wunderkind gerecht werden, führt der nunmehr 29jährige Purdy sein Wissen vor: Lincoln, Whitman, Emerson, Adam Smith, Tocqueville, Platon, Montesquieu, Buddha .... Alle werden zur Untermauerung von Purdys Welt-Sicht herangezogen. Zudem durchzieht ein Predigtton das Buch, wenn Purdy seinen Landsleuten Lektionen erteilt, wie z.B.: "Wir sollten unser eigenes Haus in Ordnung bringen." oder "Bei allem was wir tun, sollten wir Amerikaner umsichtig sein und keine Dankbarkeit erwarten."
Mit zunehmendem Alter, so sagte mir der 29jährige, lerne er zu unterscheiden zwischen Ernsthaftigkeit und der Schwäche, sich selbst zu ernst zu nehmen. Das lässt für weitere Bücher hoffen. Denn etwas weniger altkluge Präsentation des eigenen Wissens hätten auch aus "Das ist Amerika" ein richtig gutes Buch gemacht.
Ich glaube, das Wichtigste, was sich in den letzten vier Jahren verändert hat, ist, dass ich dazu in der Lage bin zwischen Ernsthaftigkeit und Sich-Selbst-Wichtig-Nehmen zu trennen. Und ich glaube, meine Einsichten in die menschliche Dummheit im Allgemeinen und meine eigene im Speziellen wächst und gedeiht wahrscheinlich, wenn ich älter werde.