Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Usutu-Virus tötet Amseln
"Vogelsterben stärker als in allen Jahren zuvor"

Das tropische Usutu-Virus hat ein Amselsterben in Deutschland ausgelöst. Je wärmer und länger die Sommer werden, desto größer sei der Fortschritt des Virus, sagte Lars Lachmann, Ornithologe beim NABU im Dlf. Theoretisch könne es auch Menschen befallen.

Lars Lachmann im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 20.08.2019
Symbolbild,singende Amsel (turdus merula), Foto: F. Schust / Eibner | Verwendung weltweit
Das Usutu-Virus überträgt sich ausschließlich über Mücken (picture alliance / F. Schust / Eibner )
Susanne Kuhlmann: Im Jahr 2011 wurde es zuerst beobachtet, zunächst nur in den wärmeren Regionen Deutschlands entlang des Rheins und Mains: ein Amselsterben, ausgelöst durch das tropische Usutu-Virus. Jetzt werden Fälle auch aus östlichen und nördlichen Bundesländern gemeldet, und es könnten mehr werden. In den Vorjahren starben nämlich besonders viele Amseln im August und September.
Am Telefon in Berlin ist Lars Lachmann, der Vogel-Experte des Naturschutzbundes NABU. Hallo, Herr Lachmann!
Lars Lachmann: Hallo!
Kuhlmann: Wie infizieren sich die Amseln mit diesem Virus?
Lachmann: Das Usutu-Virus überträgt sich ausschließlich über Mücken, die das Virus in sich tragen. Deswegen ist das eine Krankheit, die nur im Sommer auftritt, nämlich zur Mücken-Saison.
Der Fortschritt des Virus
Kuhlmann: Wie hat sich das Problem entwickelt, was in diesem Fall ja wohl ausgeweitet heißen muss?
Lachmann: Ja. Das Usutu-Virus kommt ursprünglich aus Südafrika, wo das in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts zum ersten Mal entdeckt wurde. Seit etwa der Jahrtausendwende kommt es auch in Südeuropa vor, Italien, auch in Wien gab es schon mal einen Ausbruch, und seit 2011 auch in Deutschland. Seitdem breitet sich das Virus aus den warmen Regionen Deutschlands über das ganze Land aus. Das hat sicherlich auch was zu tun mit der Abfolge von warmen Sommern, die wir in den letzten Jahren hatten.
Wir sehen auch, je wärmer der Sommer ist und je länger der Sommer ist, desto größer ist der Fortschritt des Virus. So hatten wir insbesondere im letzten Jahr einen massiven Sprung, den das Virus gemacht hat und fast ganz Deutschland inzwischen abdeckt. Die Folgen sehen wir in diesem Jahr, wo wir wahrscheinlich ein Vogelsterben beobachten können, was stärker ist als in allen Jahren zuvor.
Kuhlmann: Der NABU fordert Bürger über seine Internetseite auf, tote Tiere zu melden oder auch sogar zu schicken. Wie geht das?
Lachmann: Dieses Usutu-Vogelsterben ist ein ganz tolles Beispiel für Bürgerwissenschaft. Wir wissen so viel über die Ausbreitung dieses Virus, weil wir schon seit 2011 immer von Bürgern auf dem Laufenden gehalten werden und auch seit Beginn des Auftretens dieses Virus eine Meldeplattform betreiben, wo Leute uns melden sollen und können, wenn sie einen toten Vogel gefunden haben. Die Menschen haben sowieso das Bedürfnis, das zu melden, und deswegen sammeln wir das jetzt auch systematisch.
Das geht über unsere Webseite: www.nabu.de/usutu-melden. Wir arbeiten dann zusammen mit Tropenmedizinern vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, die ein Interesse an diesem Virus haben, weil das Virus theoretisch auch Menschen befallen kann, wo es meistens keine Symptome auslöst, aber in Extremfällen durchaus auch zu ernsthaften Krankheiten führen kann. Deswegen ist das eine tolle Zusammenarbeit von Bürgern, Vogelschützern und Medizinern zu diesem Thema.
Über tote Vögel den NABU informieren
Kuhlmann: Man kann tote Vögel ja auch schicken. Erkennt man, ob sie von diesem Virus befallen sind, oder einfach so gestorben sind?
Lachmann: Es gibt auf jeden Fall Hinweise darauf, ob ein toter Vogel, den man findet, an einer Krankheit gestorben ist, oder aus anderen Gründen. Ein Vogel, der mit gebrochenem Genick vor der Fensterscheibe liegt, ist wahrscheinlich eher gegen das Fenster geflogen. Ein Vogel, der von einer Katze angeschleppt wird, oder ein plattgefahrener Vogel im Straßengraben ist wahrscheinlich auch kein Usutu-Opfer. Aber ein Vogel, der ansonsten ganz fit aussieht, aber einfach tot auf der Terrasse liegt, oder ein kranker Vogel, der offensichtlich krank ist, apathisch wirkt, nicht mehr reagiert, das ist ein wahrscheinliches Usutu-Opfer. Wenn man so einen toten Vogel findet, ist natürlich die erste Sache, das beim NABU anzuzeigen.
Wenn man zusätzlich noch etwas tun will, dann packt man den Vogel in ein Paket, möglichst gut verpackt, und schickt das an die Untersuchungslabore. Das macht zum Beispiel das Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, auch viele Kreisveterinärämter. Man sollte es möglichst nicht übers Wochenende verschicken, damit das dann nicht drei Tage in der Post liegt. Aber wenn das von einem Tag auf den anderen geht und der Vogel frisch tot ist, ist das möglich. Die Anleitung, wie das funktioniert, finden Sie auch bei uns auf der Webseite.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.