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Uterustransplantation
Eine Geburt als medizinische Sensation

Medizin. - In Schweden ist zum ersten Mal ein Kind nach einer Gebärmuttertransplantation auf die Welt gekommen. Die Ärzte haben damit möglicherweise einen Weg gefunden, Frauen zu behandeln, deren Kinderwunsch bislang unerfüllt blieb – weil sie keine funktionstüchtige Gebärmutter besitzen. Das Medizin-Fachmagazin "The Lancet" feiert die Geburt jetzt schon als Sensation.

Von Marieke Degen | 09.10.2014
    Uterus-Transplantation: 3D-Bild des Fötus auf einer Ultraschallaufnahme in der 18. Schwangerschaftswoche
    Uterus-Transplantation: 3D-Bild des Fötus auf einer Ultraschallaufnahme in der 18. Schwangerschaftswoche (The Lancet, M. Brännström e.a.)
    "Als ich das Baby per Kaiserschnitt geholt habe, hat es sofort geschrien - ein gutes Zeichen", erzählt der Gynäkologe Mats Brännström in einem Video der Universität Göteborg.,
    "Das ganze Team war überglücklich. Und gleichzeitig war es irgendwie unwirklich. Weil wir einfach nicht glauben konnten, dass wir es tatsächlich geschafft hatten."
    Eigentlich hätte seine Patientin nie ein eigenes Kind bekommen können: Sie leidet am Rokitansky-Syndrom, sie ist ohne Gebärmutter geboren worden. Doch im letzten Jahr bekam sie an der Sahlgrenska-Uniklinik eine Gebärmutter von einer 61-jährigen Freundin transplantiert. Und jetzt hat sie einen gesunden Jungen auf die Welt gebracht. Brännströms Kollegin Liza Johannesson berichtet in dem Video:
    "Mutter und Kind geht es sehr gut, dem Vater auch. Im Moment sind sie sehr mit ihrer kleinen Familie beschäftigt, aber gesundheitlich ist alles bestens."
    Insgesamt neun Frauen mit Gebärmuttertransplantation
    An der Sahlgrenska-Uniklinik haben insgesamt neun Frauen eine Gebärmutter transplantiert bekommen. Die Spenderorgane stammten von ihren eigenen Müttern, Schwestern, Tanten oder älteren Freundinnen. Bei zwei Frauen gab es Komplikationen, die Gebärmutter musste wieder entfernt werden. Bei den anderen sieben funktioniert sie einwandfrei: Die Frauen haben regelmäßig ihre Menstruation.
    Brännström: "Schon vor der Transplantation hatten wir in der Petrischale künstlich Embryos gezeugt – aus den Eizellen der Empfängerinnen und den Spermien ihrer Partner. Und seit einigen Monaten setzen wir einen Embryo nach dem anderen bei den Frauen ein."
    Die 36-Jährige ist gleich nach dem ersten Embryonentransfer schwanger geworden. Und das Kind hat sich ganz normal entwickelt. Allerdings verlief die Schwangerschaft nicht ganz reibungslos: Die Mutter bekam eine Präeklampsie, eine Schwangerschaftsvergiftung. Das Baby musste per Kaiserschnitt geholt werden – ein paar Wochen zu früh.
    "Eine Schwangerschaft nach einer Uterustransplantation ist auf jeden Fall eine Hochrisikoschwangerschaft."
    Diffizile Operation
    Die weltweit erste Uterustransplantation fand im Jahr 2000 in Saudi-Arabien statt. Doch das Spenderorgan starb ab und musste wieder entfernt werden. Vor drei Jahren bekam dann eine Frau in der Türkei einen Uterus transplantiert, sie hatte bislang aber nur Fehlgeburten. Die Schweden sind die ersten, die jetzt ein Baby vorweisen können – das Ergebnis jahrelanger Forschung. Die Transplantation ist extrem kompliziert, Mats Brännström hatte sie immer wieder an Schafen und Affen erprobt.
    "Die Blutgefäße sind sehr klein, und der Uterus liegt tief im Becken – das ist, als ob man in tief in einem Schacht arbeitet. Unsere Transplantationsmediziner sagen jedenfalls, dass eine Uterustransplantation die schwierigste Transplantation ist, die sie bislang gemacht haben."
    "Eine Uterustransplantation ist machbar, das hat jetzt jeder gesehen. Und ich hoffe, dass das Feld jetzt neuen Aufwind bekommt, und dass schon bald sehr viel mehr Frauen geholfen werden kann",
    sagt Guiseppe Del Priore, Gynäkologe an den Cancer Treatment Centers of America, der ebenfalls seit Jahren an der Uterustransplantation forscht,
    "dass die Schweden jetzt erfolgreich waren, liegt auch daran, dass ihr Projekt finanziell so gut unterstützt worden ist, dass sie die richtige Infrastruktur hatten. Das hat dort funktioniert."
    Doch es gibt auch Kritiker. Die Frauen müssen viel auf sich nehmen. Abgesehen von der schweren Operation müssen sie Immunsuppressiva einnehmen, damit der Uterus nicht abgestoßen wird. Sie sind dadurch anfälliger für Infekte, und langfristig können ihre Nieren geschädigt werden. Deshalb soll der transplantierte Uterus in der schwedischen Studie auch spätestens nach dem zweiten Kind wieder entfernt werden. Der Aufwand ist enorm, Mats Brännström hält ihn aber für gerechtfertigt.
    "Wir Ärzte treffen immer wieder Frauen, die keine eigenen Kinder bekommen können, weil sie keinen funktionstüchtigen Uterus haben. Wir sollten ihre Unfruchtbarkeit behandeln wie alle anderen Arten der Unfruchtbarkeit auch. Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, wie wir diesen Frauen helfen können. Und dann müssen Politiker und Versicherer entscheiden, ob daraus eine reguläre Behandlung werden kann. Denn die Transplantation ist natürlich sehr schwierig und teuer – sie kostet um die 100 000 Euro."
    Die Uterustransplantation könnte all den Frauen Hoffnung geben, die ohne Uterus auf die Welt gekommen sind oder ihn durch Krebs oder eine Endometriose verloren haben – allein in Deutschland sind das Tausende. Doch es wird noch lange dauern dauern, bis der Eingriff zur Routine wird.