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Vaatz kritisiert Birthler

Unionsfraktionsvize Arnold Vaatz macht Behördenchefin Marianne Birthler persönlich für die Vertrauenskrise der Stasi-Unterlagen-Behörde verantwortlich. Birthler solle sich "jetzt mal ein Stück weit von ihrem hohen Ross runter begeben und versuchen, mit ihren Kritikern zusammenzuarbeiten", forderte der CDU-Politiker. Vaatz sprach sich dafür aus, die aktuelle Debatte um die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Bediensteter von der Frage zu trennen, wann die Behörde geschlossen werden soll.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Es ist schon irgendwie bemerkenswert: Je länger die Wiedervereinigung und damit das Ende der DDR zurückliegen, desto mehr Menschen interessieren sich offensichtlich für die ganz spezielle Vergangenheit dieses ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden, wie es damals hieß. Wie groß das Ausmaß an Menschenrechtsverletzungen war, das auf diesem Boden wuchs und erschreckend gedieh, das kann man unter anderem in den Akten der Stasi-Unterlagen-Behörde nachlesen. Die Zahl der Nachleser nimmt zu. Das berichtet die Behörde. Nun gibt es Streit auch zwischen ehemaligen Bürgerrechtlern der DDR, ob, wann und wie die Birthler-Behörde samt Akten in das Bundesarchiv wandern sollte oder eben doch nicht. Und es gibt Ärger um die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter in der Behörde.

    Arnold Vaatz ist stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Er will die Birthler-Behörde 2011 schließen, die Dokumente dem Bundesarchiv übergeben. Weshalb, das möchte ich jetzt gleich von ihm wissen. Er ist am Telefon. Guten Morgen, Herr Vaatz!

    Arnold Vaatz: Guten Morgen, Frau Durak!

    Durak: Trauen Sie der Behörde nicht mehr?

    Vaatz: Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gab eine Vertrauenskrise, die dazu geführt hat, dass es eine Untersuchung gegeben hat, aber das hat mit der Frage, wie lange die Behörde existieren soll, überhaupt nichts zu tun.

    Durak: Weshalb soll denn dann die Birthler-Behörde 2011 Ihrer Meinung nach geschlossen werden, die Dokumente dem Bundesarchiv übergeben?

    Vaatz: Der erste, der diese Forderung aufgemacht hat, das ist Herr Nevermann (Anm. d. Red.: bis Januar 2006 Ministerialdirektor bei Kulturstaatsministerin Christina Weiss). Und ich freue mich, dass auch der Bundeskulturminister im Kern an dieser Konzeption festhält. Ich bin der Meinung, dass zu dem Zeitpunkt, wenn ein wichtiger Aufgabenbereich der Behörde wegfällt, nämlich die Regelüberprüfung, dann der Zustand eintreten sollte, der dann nicht mehr geändert zu werden braucht. Das heißt also, dass die normalen Archivstrukturen im Umgang mit Akten auch dort greifen, und das bedeutet, dass mit diesen Akten so umgegangen wird wie mit allen Akten, die Gegenstand historischer Forschung sind in Deutschland. Das heißt also, dass sie nach archivarischen Gesichtspunkten verwaltet werden und dass insbesondere die beiden Komponenten Forschung und Archivierung auseinandergenommen werden, dass sie nicht in einer Hand stattfinden. Davon verspreche ich mir wesentlich größere Spielräume für die Forschung.

    Durak: Nur kurz zur Erklärung. Der Kulturstaatsminister ist Herr Neumann. Die Regelüberprüfung betrifft den öffentlichen Dienst sozusagen. Und Herr Nevermann?

    Vaatz: Herr Nevermann ist der Staatssekretär bei Frau Weiss gewesen.

    Durak: Was halten Sie denn von dem Vorschlag, ein Ausstellungs- und Bildungszentrum zu errichten, zum Beispiel in der Normannenstraße, dem ehemaligen Sitz des MfS, und eine Topographie der Repression zu entwickeln?

    Vaatz: Das Gedenkstättenkonzept ist eine Frage, die wieder gesondert zu behandeln ist. Ich warne ein bisschen davor, aus der bloßen Absicht, eine Behörde mit einer neuen Aufgabe zu versorgen und damit einen Grund zu schaffen, sie zu perpetuieren, das in eine Hand zu legen. Ich bin schon der Meinung, Gedenkstättenarbeit ist ein vollkommen anderes Feld als die Aktenverwaltung und das Aktenregime. Demzufolge gehört es in die Hände von professionellen Gedenkstättenexperten oder Museumsmitarbeitern beziehungsweise dafür ausgebildetem Personal. Da ist es meines Erachtens nicht angemessen, das in die Hände der Aktenbehörde zu geben.

    Durak: Von Akten ist hier, glaube ich, nicht die Rede, sondern von einem Ausstellungs- und Bildungszentrum. Und die Topographie der Repression, da ist ja die DDR ein Beispiel ohne gleichen.

    Vaatz: Dieses selbstverständlich unterstütze ich, Frau Durak, aber die Diskussion geht, da muss ich Sie etwas ergänzen, noch darüber hinaus um die Frage, ob diese Aufgabe einmal der Birthler-Behörde übertragen werden soll. Diese Diskussion gibt es. An der Stelle bin ich eher anderer Meinung. Ich meinte, dass sich jetzt Ihre Frage darauf bezogen hat.

    Durak: Wir wollen auch über die Krise sprechen, die Sie eingangs erwähnt haben. Ein gewisses Misstrauen oder Unbehagen höre ich dennoch heraus aus Ihren Worten, weil wohl es belastete Stasi-Mitarbeiter gibt, die von Anfang an dort gearbeitet haben?

    Vaatz: Das wussten wir immer, und wir kannten auch die Argumentation von Joachim Gauck, weshalb die Herrschaften dort sitzen. Neu war, dass man dem Bundestag falsche Zahlen genannt hatte. Formal hat man richtig geantwortet, weil nach dem Sicherheitspersonal direkt nicht gefragt worden ist. Aber zur Aufrichtigkeit hätte es meines Erachtens gehört, dass man den Bundestag vollständig unterrichtet.

    Es ist ja noch eine zweite Komponente des Misstrauens entstanden, das heißt die Anzahl von staatsnahem Personal, was dort beschäftigt ist. Das alles kulminierte dann, als man plötzlich feststellte, dass der Personalrat zu großen Teilen aus solchen Personen besteht und dass daraus zu schließen war, dass auch die übrigen Beschäftigten offenbar keine großen Bedenken haben, dieses Personal an Schlüsselstellen zu wählen. Das ist der Ausgangspunkt gewesen.

    Dann hat Bernd Neumann völlig richtig reagiert, indem er gesagt hat, wir müssen den Sachen auf den Grund gehen. Er hat dann die beiden Juristen beauftragt mit dem Gutachten. Das Gutachten hat im Wesentlichen bestätigt, was wir schon vorher erfahren hatten, und noch etliche neue Komponenten hinzugefügt. Das ist ganz klar. Jetzt steht aber nicht die Frage, ob daraus folgen soll, dass die Behörde morgen abgewickelt wird oder dass wir von außen irgendwie Personalmaßnahmen dort fordern sollten, sondern es geht um die Frage, wie kann das verloren gegangene oder angekratzte Vertrauen so schnell wie möglich wieder hergestellt werden.

    Durak: Mit Ihrer Hilfe zum Beispiel, mit der Hilfe der Parlamentarier.

    Vaatz: Mit der Hilfe der Parlamentarier zum Beispiel, aber ich, glaube zuerst liegt auch mal der Ball bei Frau Birthler. Wenn Frau Birthler weiter so mit Kritik umgeht, wie sie das bisher getan hat, dass sie das abbügelt, dass sie in aller Regel ihre Kritiker irgendwie mit abwertenden Kommentaren versieht und sie entweder als Leute, die uninformiert sind, oder Leute, die Eigeninteressen haben oder so, abqualifiziert, dann wird das immer so weiter gehen. Ich kann ihr nur raten, sich selber kritisch zu prüfen und auf ihre Kritiker zuzugehen.

    Jeder der Kritiker ist bereit, ihr auch allerhand zugute zu halten. Immerhin hat sie als Ministerin damals den Dienst quittiert, als sie nicht mehr einverstanden war, unter einem Ministerpräsidenten zu arbeiten, gegen den massive Stasi-Vorwürfe im Raum standen, also Herrn Stolpe. Das ist ihr auch nie vergessen worden. Aber ich glaube, sie sollte sich jetzt mal ein Stück weit von ihrem hohen Ross runter begeben und versuchen, mit ihren Kritikern zusammenzuarbeiten und insbesondere auch eine Personalpolitik machen, die dem Vertrauensbedarf der Behörde Rechnung trägt.

    Durak: Mit anderen Worten, Herr Vaatz, Sie fordern den Rücktritt von Frau Birthler, wenn sie sich nicht so verhält wie Sie es eben beschrieben haben?

    Vaatz: Keineswegs! Ich habe ihr nur prophezeit, dass für diesen Fall die Kritik nicht aufhören wird. Von Rücktritt ist überhaupt keine Rede. Das habe ich auch nie gefordert, sondern ganz im Gegenteil, ich habe mich für ihre Wiederwahl eingesetzt. Ich möchte aber jetzt, dass sie ihre Aufgabe ordentlich macht. Und ich glaube, wir sollten jetzt mal sagen, was bisher war, haben wir zur Kenntnis genommen und jetzt bitte erarbeite Dir neues Vertrauen. Dazu gehört es allerdings, dass man die besondere Sensibilität der Behörde bei der Personalpolitik beachtet.

    Durak: Wie wichtig war es, dass das vereinigte Deutschland all die Jahre diese Behörde hatte?

    Vaatz: Bitte?

    Durak: Wie wichtig war es, dass die Bundesrepublik nach der Wende diese Behörde hatte?

    Vaatz: Ich glaube es war die beste Lösung. Ich glaube, es war die beste Lösung. Meinungen, das von Anfang an in die Hände des Bundesarchivs oder so weiter zu geben, waren nicht berechtigt, weil es eine besondere Notwendigkeit gab, Aufgaben zu erfüllen, die ein Archiv nicht erfüllen konnte. Insbesondere das Thema Regelüberprüfung, auch die ganze Phase erstmal der Erkundung der inneren Strukturen dieses Ministeriums. Es besteht ja nicht nur aus Akten,, es ist ja immer eine Korrespondenz zwischen Vorgängen, Akten, Personen und so weiter. Also ich glaube, die Behörde hat außerdem deutlich gezeigt, dass die Bundesrepublik Deutschland, dass das vereinigte Deutschland den Willen hat, den Mechanismen dieser Diktatur auf den Grund zu gehen und sich ehrlich den Konsequenzen aus dieser Zeit zu stellen. Ich glaube, das ist weltweit anerkannt und das sollte man auch nicht geringschätzen. Aber das enthebt die Behörde nicht einer kritischen Betrachtung.

    Durak: Darüber haben wir eben gesprochen mit Arnold Vaatz. Er ist CDU-Fraktionsvize im Bundestag. Danke, Herr Vaatz, für das Gespräch.