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Vaclav Klaus zum tschechischen Präsidenten gewählt

"Drei mal mußt du antreten, drei Prüfungen bestehen, die immer schwieriger werden. Erst dann wirst du siegen." - An ein solches Märchen fühlte sich Vaclav Klaus erinnert, als er sich zum dritten Mal den Prager Parlamentariern vorstellte, die ihn zum Präsidenten wählen sollen. Und tatsächlich ging das Märchen zu Ende wie von Klaus erhofft. Der ehemalige Premier kann seine politische Laufbahn mit dem Präsidentenamt auf der Prager Burg krönen.

Christoph Scheffer | 28.02.2003
    Ein Wunder jedoch ist das nicht. Vielmehr ist die Wahl des konservativen Oppositionspolitikers Klaus zum Staatsoberhaupt des Ergebnis politischer Grabenkämpfe, merkwürdiger Koalitionen und nationalistischer Hysterie.

    Hauptgrund für die Wahl von Vaclav Klaus zum Präsidenten ist die Zerstrittenheit der größten Regierungspartei, der Sozialdemokraten. Seit dem Ende der Amtszeit von Milos Zeman als Partei- und Regierungschef geht durch die tschechische Sozialdemokratie ein Riss. Zemans Getreue sind immer weniger bereit, den eher liberalen und eindeutig pro-europäischen Kurs von Premier Spidla zu unterstützen. Spidla soll mit dem Scheitern der Regierungskandidaten bei der Präsidentenwahl das Leben schwer gemacht werden. Seine Zeit als Partei-, vielleicht auch als Regierungschef könnte bald zu Ende sein. Die Sozialdemokraten stehen schon jetzt vor einem Scherbenhaufen.

    Der zweite Grund wiegt schwerer. Er liegt in der nationalistischen Aufheizung der politischen Atmosphäre Tschechiens, wie man sie bereits vor den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr erleben konnte. Auslöser ist diesmal die Kandidatur des parteilosen Philosophie-Professors Jan Sokol für das Regierungslager. Sokol ist in Tschechien bekannt als Unterzeichner eines acht Jahre alten Versöhnungsaufrufs, in dem direkte Gespräche der tschechischen Regierung mit den Sudetendeutschen gefordert werden. Sokol gehört zu jenen nachdenklichen Intellektuellen im Land, die eine selbstkritische Auseinandersetzung der tschechischen Gesellschaft mit der eigenen Vertreibungs-Vergangenheit und einen offenen Dialog mit den deutschen Nachbarn fordern. Solche Positionen öffentlich zu äußern, kommt in Tschechien noch immer einem politischen Selbstmord gleich. Sokol hat sich - auch als Präsidentschaftskandidat - entsprechend geäußert und damit eine erhebliche Zahl von Abgeordneten in die Arme von Vaclav Klaus getrieben. Die verklausulierte Worte über nationale Identität, Selbstbewusstsein und die Verteidigung tschechischer Interessen in der Bewerbungsrede von Vaclav Klaus wurden verstanden wie sie gemeint waren: als Apell an die nationalistisch denkenden Abgeordneten aller Fraktionen, ihre Stimme Vaclav Klaus zu geben. Dies hat funktioniert - nicht zuletzt Dank einer indirekten Wahlempfehlung des KP-Chefs Grebenicek zugunsten von Klaus.

    Womit der dritte Punkt angesprochen wäre - die merkwürdigen Koalitionen auf der politischen Bühne Tschechiens. Immer und immer wieder scheiden sich die Geister hier nicht an politischen Philosophien oder umstrittenen Sachthemen, sondern allein an der Gretchen-Frage: Wie hältst du's mit den Sudetendeutschen? Und da wetteifern eben rechts-konservative Politiker wie Vaclav Klaus mit Sozialdemokraten und Kommunisten um die radikalsten Töne. Da wird die Vertreibung auch nach fast 60 Jahren als eine "Quelle des Friedens" bezeichnet, die Vertriebenen selbst pauschal als Landesverräter - und die Vertreibungsdekrete des Präsidenten-Benes als Grundlage der tschechischen Staatlichkeit. Angesichts solcher Töne darf man sich nicht wundern, wenn an der EU-Reife Tschechiens und namentlich seiner politischen Klasse Zweifel aufkommen. Die Wahl von Vaclav Klaus zum Präsidenten der Tschechischen Republik ist ein erneuter Anlass dafür. Einen solchen Nachfolger hat Vaclav Havel nicht verdient.