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Václav und Dagmar Havel: Zwei Schicksale in einem Bund

Pavel Kosatik: Man muß tun, wozu man die Kraft hat Das Leben von Olga Havel.

Wolf Oschlies |
    Lida Rakusanová: Václav und Dagmar Havel: Zwei Schicksale in einem Bund

    - zwei in Tschechien erschienene Bücher über das Privatleben Václav Havels -

    "Václav Havel hat am 4.Januar im Rathaus von Zilkov zum zweitenmal geheiratet. Die Schauspielerin Dagmar Veskrnová wird seinen Namen tragen. Die Hochzeit war ganz privat und bis zum letzten Moment geheimgehalten worden." Diese Nachricht wurde zu Jahresbeginn 1997 in der Tschechischen Republik erleichtert aufgenommen: Havel war nach dem Tod seiner ersten Frau, nach eigener schwerer Krankheit und nach Zwangsentwöhnung vom Rauchen ins Leben zurückgekehrt. Die neue Frau Havel wurde als Dasa freundlich akzeptiert, die Popularitätswerte des Präsidenten stiegen in Traumhöhen. Und für Havel selber blieb das auch so, obwohl er deutlich kantiger und grantiger war. Dasa Havlova aber schaffte es in Rekordtempo, sich Feinde und Kritiker zuhauf zu schaffen. Als Abhilfe schrieb die Journalistin Lida Rakusanová das Buch "Václav und Dagmar Havel: Zwei Schicksale in einem Bund".

    Sympathiewerbung für eine Bühnen-Naive, die jetzt als erste Dame eines Staates auftreten soll und dabei kein Fettnäpfchen auszulassen scheint. Die Autorin Rakusanová stellt eine andere Dasa vor: natürlich und praktisch, humanitär engagiert, beliebt im Ausland. Daheim hat man noch ein paar Rechnungen mit ihr offen: etwa daß sie Anfang 1977, als Havel gerade die Charta 77 mitgründete, einen Appell gegen diese unterschrieb - was sie heute bestreitet. Vermutlich zu Recht: Dagmar Veskrnová hat überhaupt erst Anfang 1989 mitbekommen, welche Weltgeltung ihr künftiger Ehemann bereits hatte. Ähnlich unfreiwillige Entlarvungen enthält das Buch viele, von dem die Autorin sagt, sie habe es "gegen die masochistische Tradition" der Tschechen geschrieben, Prominente erst zu zerpflücken und dann wieder zur Karikatur zusammenzusetzen". Ob Lida Rakusanová ein solches Gegenbuch gelang, ist fraglich, zumindest hat sie ein schönes Bilderbuch über die Havels, privat und offiziell, vorgelegt. Dasa Havlová hat ja keine Chance gegen Havels erste Ehefrau Olga, die schon zu Lebzeiten kultisch-ironisch verehrt wurde.

    "Ich beneide sie um Ihren Mann, Frau Havel", sang vor Jahren die Prager Popgruppe Petrka & spol, und wie recht sie hatte, geht aus dem neuen Bestseller von Pavel Kosatik hervor: "Man muß tun, wozu man die Kraft hat: Das Leben von Olga Havel." Und das Leben des drei Jahre jüngeren Václav Havel, der erst in Kosatiks Buch vollständig vorgestellt wird: Äußerlich ein pausbäckiger und altkluger Junge, war er Mitte der 50er Jahre doch schon Mittelpunkt eines literarischen Kreises, in den die proletarische Olga Splichalová nun eintrat, um ihre lebenslange Symbiose mit Václav Havel zu beginnen - sehr zum Mißfallen von dessen gebildeter, aber auch übermäßig bildungsstolzer Mutter. Havel folgte der selbstbewußten, von ihrer Umwelt stets distanzierten Olga, weil nur sie seine Lebensphilosophie teilen konnte, die er 40 Jahre später so beschrieb: "Ich wurde mein Leben lang verdächtigt und beschuldigt, ich agiere wie Don Quichotte. Dabei habe ich nur das meiner Ansicht nach Richtige getan, was ich nach eigenem Gefühl tun mußte, was mir Gewissen, Verantwortung und Instinkt rieten, es hier und jetzt zu tun. Und wenn ich so verfuhr, bevor ich Präsident war, warum soll ich es als Präsident nicht fortsetzen? Meine eigene Umsicht ist meine Richtschnur."

    Dafür war Olga als Partnerin wie geschaffen. 1964 heirateten die beiden und durchlebten gemeinsam die heiteren 60er Jahre, denen Dissidentenjahre in den 70ern und Haftjahre in den 80ern folgten. Kosatik hat viele unbekannte Details zusammengetragen, die scheinbar Bekanntes - Charta 77, Briefwechsel mit Olga, Dissidentenszene und Polizeiterror gegen diese in neuen Licht erscheinen lassen. Er präsentiert einen bislang verborgenen Havel - den Lyriker, den Herausgeber einer Samizdat-Edition, den Video-Chronisten, den Organisator von Theateraufführungen im Untergrund. Und ein unerwarteter Havel erscheint - der sich 1983 faktisch von Olga trennte, um ein bemerkenswertes Leporello-Album erotischer Kontakte zu füllen. Havel hat es weder als Politiker noch als Poet geschadet, Olga hat es geduldet und ihr Biograph Kosatik hat es erklärt: Václav und Olga blieben füreinander Stütze und Halt. "Sie konnte nicht ohne ihn leben, weil sie es brauchte, daß er sie brauchte."