Frauen haben schon längst den Weg in die Spitzenpositionen der Wissenschaft gefunden. Bei den harten Naturwissenschaften allerdings, sind sie kaum anzutreffen. Daher hat die Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, Jeanne Rubner, jetzt mit Unterstützung des Bundesforschungsministeriums ein Ermutigungsbuch herausgegeben. "Frauen, die Forschen" heißt es und präsentiert zusammen mit reichlich Hochglanzbildern 25 Naturwissenschaftlerinnen in Top-Positionen. Ausführlich berichten sie über ihre Arbeit im Labor und vor allem von der ungebremsten Begeisterung daran, Neues zu entdecken und zu entwickeln. Bezeichnenderweise kommt dabei das Privatleben dieser Erfolgsfrauen meist gar nicht oder nur am Rande vor. Dabei dürfte genau hier der Schlüssel dafür liegen, dass Frauen selten berufliche Top-Positionen anstreben. Tatsächlich ist ein Großteil der porträtierten Frauen kinderlos. Und die wenigen Mütter unter ihnen leiden alle unter Zeitmangel, den ihre Kinder zu spüren bekommen. Dennoch ist von den Vätern als Partnern in der Kindererziehung kaum die Rede.
Die Ursache dafür versucht DIETER THOMÄ mit seinem Buch "Väter - eine moderne Heldengeschichte" herauszuarbeiten. Thomä ist nicht nur Vater, sondern unter den Philosophen der Spezialist für Familienfragen. Für ihn sind die Schwierigkeiten der Männer letztlich auf den Zerfall des traditionellen Vaterbildes zurückzuführen. Diese Entwicklung habe bereits vor mehr als zweihundert Jahren mit der Entstehung unserer modernen Gesellschaften eingesetzt. Dabei habe sich die traditionelle patriarchale Ordnung aufgelöst, die ursprünglich aus drei Elementen bestand:
Ganz oben stand der göttliche Vater, darunter befand sich der von ihm autorisierte Monarch, und noch eine Etage tiefer herrschte der Familienvater, über den die beiden anderen schützend die Hand hielten.
Die französische Revolution zertrümmerte diese Dreifaltigkeit. Und mit dem aufkommenden Kapitalismus entstand ein ökonomisch abgesicherter Individualismus, der dem Patriarchat in der Familie schließlich auch die wirtschaftliche Grundlage raubte.
Seither durchziehe die Suche nach einem neuen Vaterbild die Zeiten. Phasen der Restauration würden sich mit radikalen Phasen ablösen, bei denen selbst die völlige Abschaffung des Vaters propagiert werde.
Bei seiner Geschichte der Vaterschaft schöpft Thomä vor allem aus philosophischen Schriften und der Literatur seit dem 17. Jahrhundert. Distanz zur Lebenswirklichkeit zeigt auch sein Blick auf den Alltag von heute:
In einem Supermarkt, in dem ich häufig einkaufe, ist vor einiger Zeit eine Kinderecke eingerichtet worden. Die jungen Väter oder Mütter, die nach Arbeitsschluss noch rasch Besorgungen für das Abendessen machen müssen, können die Kinder dort absetzen. Wer dies tut, wird seinem kleinen Kind nie den Auftrag erteilen, eine Dose Tomaten dort hinten aus dem dritten Gang herbeizuholen, und er wird nie das stolze Gesicht des Kindes sehen, das nach langem Suchen mit der Dose ankommt. Ich träume von einer Welt, in der diese Kinderecke im Supermarkt leer bleibt.
Hier offenbart sich die Verständnislosigkeit Thomäs gegenüber den Zwängen und Nöten junger Eltern. Sie können es sich eben oft nicht leisten, den Einkauf im Supermarkt zum zeitaufwendigen Selbsterfahrungserlebnis für ihre Kinder zu machen.
Nicht nur an dieser Stelle kommen dem Leser schließlich Zweifel an der Grundthese Dieter Thomäs - nämlich dem Fehlen eines zeitgemäßen Vaterbildes, ein Fehlen, das Männer in die Kinderlosigkeit und Väter in die Ratlosigkeit treibe.
Diesen Vorwurf kann man Robert Habeck mit seinem Buch "Verwirrte Väter oder: Wann ist ein Mann ein Mann" gewiß nicht machen. Habeck ist Schriftsteller, Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, Vater von vier Jungen und teilt sich die Familienarbeit mit seiner Frau. Für ihn haben die Männer von heute nicht mit einem überholten Vaterbild zu kämpfen:
Zwei Drittel der Väter sehen sich heute eher als "Erzieher" denn als "Ernährer" ihrer Kinder - und genau so sehen ihre Partnerinnen sie auch.
Dass sie diesem Anspruch in der Praxis nicht gerecht werden, läge oft an ihren Partnerinnen:
Ich jedenfalls kenne eine Reihe von Paaren, in denen die Frau ihrem Partner nach der Geburt des Kindes unmissverständlich gesagt hat, dass jetzt die Zeit des Lotterlebens, der Minijobs und des Prekariats vorbei zu sein habe und die erste Vaterpflicht sei, Kohle ranzuschaffen.
Damit, so Habeck, würden die Männer wieder in die alte Ernährerrolle gedrängt und gerieten in eine ausweglose Situation:
"Er soll eben beides sein: Geldbeschaffer und Sandkastenfreund. Er soll gleichzeitig zu Hause und auf der Arbeit sein, gleichzeitig liebender und fürsorglicher Papi sein und den Unterhalt der Familie sichern."
Mit diesem Widerspruch, so Habecks zentrale These, würden die Männer weiterhin allein gelassen. Notwendig sei daher ein Steuer- und Abgabensystem, das Anreize für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung setze. Dazu müsste noch ein neue Sozialleistung treten: Das Grundeinkommen wie es die Grünen schon seit Jahren fordern:
Ein radikaler Vorschlag zur Lösung der sozialstaatlichen Misere ist, die Transferzahlungen radikal zu pauschalisieren und zu individualisieren, sie komplett von der Erwerbsarbeit abzukoppeln und nicht mit unterstellten familiären Abhängigkeiten gegen zu rechnen. Im Gegenzug würden alle familiären, geschlechtsbezogenen Steuerprivilegien gestrichen werden können.
Lässt man die Finanzierungsfrage beiseite gibt es aus familienpolitischer Sicht vor allem einen zentralen Einwand: Habeck illustriert in seinem Buch höchst anschaulich, wie wichtig die Familienarbeit der Männer für ihre Kinder und ihre Partnerinnen ist. Das grüne Grundeinkommen würde jedoch an der finanziellen Geringschätzung von Familienarbeit und ihrer Abwertung gegenüber der Erwerbsarbeit nichts ändern.
Dennoch: Robert Habecks Buch bleibt unterm Strich eine höchst anregende Lektüre. Es besticht durch seinen klischeefreien Blick auf das Dilemma der jungen Väter, für das er eine Fülle von Fakten präsentiert. Damit liefert er eine solide Grundlage, um die öffentliche Debatte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht länger nur auf Zählen von Krippenplätzen zu beschränken.
Das war eine Rezension von Kostas Petropulos zu den Büchern von Dieter Thomä, Väter - eine moderne Heldengeschichte, aus dem Carl Hanser Verlag, 368 Seiten zu 24 Euro 90 und von Robert Habeck, Verwirrte Väter. Oder: Wann ist der Mann ein Mann? erschienen im Gütersloher Verlagshaus, 221 Seiten zu 16 Euro 95.
Die Ursache dafür versucht DIETER THOMÄ mit seinem Buch "Väter - eine moderne Heldengeschichte" herauszuarbeiten. Thomä ist nicht nur Vater, sondern unter den Philosophen der Spezialist für Familienfragen. Für ihn sind die Schwierigkeiten der Männer letztlich auf den Zerfall des traditionellen Vaterbildes zurückzuführen. Diese Entwicklung habe bereits vor mehr als zweihundert Jahren mit der Entstehung unserer modernen Gesellschaften eingesetzt. Dabei habe sich die traditionelle patriarchale Ordnung aufgelöst, die ursprünglich aus drei Elementen bestand:
Ganz oben stand der göttliche Vater, darunter befand sich der von ihm autorisierte Monarch, und noch eine Etage tiefer herrschte der Familienvater, über den die beiden anderen schützend die Hand hielten.
Die französische Revolution zertrümmerte diese Dreifaltigkeit. Und mit dem aufkommenden Kapitalismus entstand ein ökonomisch abgesicherter Individualismus, der dem Patriarchat in der Familie schließlich auch die wirtschaftliche Grundlage raubte.
Seither durchziehe die Suche nach einem neuen Vaterbild die Zeiten. Phasen der Restauration würden sich mit radikalen Phasen ablösen, bei denen selbst die völlige Abschaffung des Vaters propagiert werde.
Bei seiner Geschichte der Vaterschaft schöpft Thomä vor allem aus philosophischen Schriften und der Literatur seit dem 17. Jahrhundert. Distanz zur Lebenswirklichkeit zeigt auch sein Blick auf den Alltag von heute:
In einem Supermarkt, in dem ich häufig einkaufe, ist vor einiger Zeit eine Kinderecke eingerichtet worden. Die jungen Väter oder Mütter, die nach Arbeitsschluss noch rasch Besorgungen für das Abendessen machen müssen, können die Kinder dort absetzen. Wer dies tut, wird seinem kleinen Kind nie den Auftrag erteilen, eine Dose Tomaten dort hinten aus dem dritten Gang herbeizuholen, und er wird nie das stolze Gesicht des Kindes sehen, das nach langem Suchen mit der Dose ankommt. Ich träume von einer Welt, in der diese Kinderecke im Supermarkt leer bleibt.
Hier offenbart sich die Verständnislosigkeit Thomäs gegenüber den Zwängen und Nöten junger Eltern. Sie können es sich eben oft nicht leisten, den Einkauf im Supermarkt zum zeitaufwendigen Selbsterfahrungserlebnis für ihre Kinder zu machen.
Nicht nur an dieser Stelle kommen dem Leser schließlich Zweifel an der Grundthese Dieter Thomäs - nämlich dem Fehlen eines zeitgemäßen Vaterbildes, ein Fehlen, das Männer in die Kinderlosigkeit und Väter in die Ratlosigkeit treibe.
Diesen Vorwurf kann man Robert Habeck mit seinem Buch "Verwirrte Väter oder: Wann ist ein Mann ein Mann" gewiß nicht machen. Habeck ist Schriftsteller, Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, Vater von vier Jungen und teilt sich die Familienarbeit mit seiner Frau. Für ihn haben die Männer von heute nicht mit einem überholten Vaterbild zu kämpfen:
Zwei Drittel der Väter sehen sich heute eher als "Erzieher" denn als "Ernährer" ihrer Kinder - und genau so sehen ihre Partnerinnen sie auch.
Dass sie diesem Anspruch in der Praxis nicht gerecht werden, läge oft an ihren Partnerinnen:
Ich jedenfalls kenne eine Reihe von Paaren, in denen die Frau ihrem Partner nach der Geburt des Kindes unmissverständlich gesagt hat, dass jetzt die Zeit des Lotterlebens, der Minijobs und des Prekariats vorbei zu sein habe und die erste Vaterpflicht sei, Kohle ranzuschaffen.
Damit, so Habeck, würden die Männer wieder in die alte Ernährerrolle gedrängt und gerieten in eine ausweglose Situation:
"Er soll eben beides sein: Geldbeschaffer und Sandkastenfreund. Er soll gleichzeitig zu Hause und auf der Arbeit sein, gleichzeitig liebender und fürsorglicher Papi sein und den Unterhalt der Familie sichern."
Mit diesem Widerspruch, so Habecks zentrale These, würden die Männer weiterhin allein gelassen. Notwendig sei daher ein Steuer- und Abgabensystem, das Anreize für eine partnerschaftliche Arbeitsteilung setze. Dazu müsste noch ein neue Sozialleistung treten: Das Grundeinkommen wie es die Grünen schon seit Jahren fordern:
Ein radikaler Vorschlag zur Lösung der sozialstaatlichen Misere ist, die Transferzahlungen radikal zu pauschalisieren und zu individualisieren, sie komplett von der Erwerbsarbeit abzukoppeln und nicht mit unterstellten familiären Abhängigkeiten gegen zu rechnen. Im Gegenzug würden alle familiären, geschlechtsbezogenen Steuerprivilegien gestrichen werden können.
Lässt man die Finanzierungsfrage beiseite gibt es aus familienpolitischer Sicht vor allem einen zentralen Einwand: Habeck illustriert in seinem Buch höchst anschaulich, wie wichtig die Familienarbeit der Männer für ihre Kinder und ihre Partnerinnen ist. Das grüne Grundeinkommen würde jedoch an der finanziellen Geringschätzung von Familienarbeit und ihrer Abwertung gegenüber der Erwerbsarbeit nichts ändern.
Dennoch: Robert Habecks Buch bleibt unterm Strich eine höchst anregende Lektüre. Es besticht durch seinen klischeefreien Blick auf das Dilemma der jungen Väter, für das er eine Fülle von Fakten präsentiert. Damit liefert er eine solide Grundlage, um die öffentliche Debatte zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht länger nur auf Zählen von Krippenplätzen zu beschränken.
Das war eine Rezension von Kostas Petropulos zu den Büchern von Dieter Thomä, Väter - eine moderne Heldengeschichte, aus dem Carl Hanser Verlag, 368 Seiten zu 24 Euro 90 und von Robert Habeck, Verwirrte Väter. Oder: Wann ist der Mann ein Mann? erschienen im Gütersloher Verlagshaus, 221 Seiten zu 16 Euro 95.