Das Problem ist: Der Brief hat keinen Absender, besser gesagt, die Absenderin bleibt unbekannt. Vier Frauen kommen in Frage. Bill Murray macht sich auf, sie zu suchen. Er findet sie. Doch die Suche nach dem Sohn gestaltet sich aus deshalb schwierig, weil auch sein Ex-Frauen – immerhin Sharon Stone, Jessica Lange und Tilda Swinton so wie er selbst mehr mit sich selbst beschäftigt sind, wie mit dem abwesenden Sohn. Jim Jarmusch macht aus dieser Geschichte eine betörend-charmante minimalistische menschliche Komödie, die zeigt, dass Autorenkino nicht spröde und unzugänglich sein muss. Und schon gehört "Broken Flowers" zu dem Kreis der Filme, denen man hier entschieden einen Preis gönnt. Was aber treibt diese spät erwachsen werdenden Väter um. Immer noch die Eigensucht? Oder doch schon die späte Einsicht, dass die Verantwortung für Kinder das Leben bereichert. Im leeren Blick von Don, so heißt die Bill-Murray-Figur im Film, kann man ganz zum Schluss so eine Erkenntnis aufblitzen sehen, ganz genauso wie bei dem ewigen Cowboy Sam Shepard in Wenders Film.
Bruno, zwanzig Jahre ist von dieser Erkenntnis weit entfernt, sehr weit, jedenfalls zu Beginn des Film "L´Enfant" - das Kind von Jean-Piere und Luc Dardenne aus Belgien. Der Kleinkriminelle denkt nicht mal zwanzig Sekunden voraus und als seine Freundin Sonia, 18 Jahre alt, ihn einmal mit dem nur Tage alten Baby Jimmie zum Spaziergang in den Park schickt, gibt es hinterher ein schockierendes Geständnis.
"Wo ist Jimmie. – Den hab ich verkauft. – Was heißt das verkauft. - Ich hab ihn verkauft. Der ist jetzt bei einer Familie. Da geht’s ihm gut. Adoptiert. – Wir können doch ein anderes machen."
Bruno, der aus allen Sozialsystemen heraus gefallene, weiß anfangs nicht mal, was er falsch gemacht haben könnte. Er vertickt doch immer alles, was ihm in die Finger gerät. Doch Sonia fällt in Ohnmacht und will nichts mehr von ihm wissen. Nur damit sie ihm wieder gut ist, holt Bruno das Baby zurück. Doch jetzt wollen die Gangster mit denen er sich eingelassen hat von ihm viel Geld. Und Sonia will noch immer nichts von ihm wissen. Das kleine Glück des Diebes, der so stolz darauf ist, sich irgendwie durchzuschlagen. Mal schläft er im Obdachlosenheim, dann leiht er sich nach einem Fischzug am Wochenende ein Cabrio für den Trip ans Meer. Das alles ist nun nichts mehr Wert. Nach haarsträubenden Erlebnissen mit der finsteren Bande, die keineswegs so wirkt als habe sie tatsächlich unkonventionelle Adoptionshilfe im Sinn gehabt,eher schlimmeres - Da dämmert ihm schließlich etwas. Die Dardennes 1999 in Cannes für ihren sozialkritischen Film "Rosetta" mit der goldenen Palme ausgezeichnet, verblüfften auch diesmal mit ihrem neorealistischen Kino ganz nah an den Figuren. Kino das bewegt und sich interessiert für das Leben. In diesem Fall für einen Vater, der gar nicht hinschaut, nicht bereit ist. Ein Vater, vor dem es einem so sehr grausen muss, dass auch die so nett geläuterten Väter von Wenders und Jarmusch plötzlich in einem anderen – schlechteren- Licht dastehen. Plötzlich beim verlassen des Premierenkinos fragt einer: "Ist es nicht seltsam, dass Filmemacher in der Regel keine Kinder haben." Schon möchte man einwerfen – aber Mel Gibson und George Lukas. Aber etwas ist dran an dieser Bemerkung. Der Vagabundenberuf Regisseur passt nicht gut zum Vater sein. Deswegen sind Väter auf der Suche nach ihrer Rolle auch so ein beliebtes Filmthema. Seltsam nur, dass die hier beschriebenen Film zum besten gehörten, was das Filmfestival in Cannes zu bieten hatte.