Remme: Die Preise für das Fass - Barrell - hat vielleicht nicht jeder im Kopf. Was bedeutet das für die Zapfsäule?
Vahrenholt: Das bedeutet, wenn Sie die Steuer rausrechnen, ungefähr noch mal 20 Prozent mehr. Das ist aber nicht nur eine Frage der Zapfsäule. Wir reden auch über Strom, denn Gas hängt am Strom. Der Gaspreis wird steigen. Wir werden auch sehen, dass in absehbarer Zeit unsere Wohnungsbesitzer und die Mieter von negativen Meldungen überrascht werden, nämlich, dass sie nachzuzahlen haben werden, Heizkostenrechnungen, die steigen mit, und die Strompreise werden nachziehen.
Remme: Wenn also Strom immer teuerer wird, und erneuerbare Energien immer günstiger, wann treffen sich dann diese Kurven?
Vahrenholt: Ich denke so zwischen 2012, 2014. Dass heißt also, in fünf bis zehn Jahren sind wir so weit, dass wir mit Offshore-Windkraftanlagen preiswerter werden als klassische Kraftwerke. Wir werden jedes Jahr um zwei Prozent billiger. Gas, Kohle und Öl wird jedes Jahr teurer. Wir brauchen ein bisschen Zeit und wir müssen vor allen Dingen in die Gegenden gehen, wo es sinnvoll ist, Windenergie zum Beispiel in windreichen Gegenden, das kann man nicht überall machen, Solarenergie dort, wo die Sonne intensiv strahlt, also in den Gegenden der südlichen Weltkugel. Also dann sind wir da sehr schnell in der Lage, wettbewerbsfähige Preise zu liefern.
Remme: Sie sprechen da ein Thema an: Windenergie klingt zunächst immer sauber und problemlos. Ich konnte gestern Abend auf einer Bürgerversammlung hier in Köln erleben, wie schnell die Begeisterung kippt, wenn ein Windrad und noch dazu das größte der Welt, in direkter Nähe aufgestellt werden soll. Machen solche Pläne also keinen Sinn?
Vahrenholt: Ich denke, wir müssen darauf achten, dass wir die Akzeptanz nicht verlieren, deswegen setzt mein Unternehmen auch sehr stark auf Offshore. Da können wir in der Tat 20.000 Megawatt, das sind also, wenn Sie so wollen, die Kapazität von zehn bis 20 Kraftwerken, erstellen. Aber es ist natürlich klar: Jeder Eingriff wird auch Protest erzeugen. Jede Autobahn, jeder Bau übrigens eines Kohlekraftwerkes, wird erhebliche Proteste erzeugen. Wenn man das in ihre Nähe setzt, wären Sie sicher auch nicht begeistert. Ich kann das alles verstehen, nur: Energie aus Nichts gibt es nicht.
Remme: Welchen Beitrag kann die Windenergie leisten, in Prozent zum deutschen Energiemix?
Vahrenholt: Wir sind heute bei fünf Prozent, das ist schon eine sehr stattliche Zahl. Ich denke mit Offshore-Windkraft werden wir in der Lage sein, 20 Prozent in 15 Jahren zu erreichen. Wir müssen weiter sehen, dass wir Biomasse zu Kraftstoffen machen. Wir müssen weiter sehen, dass wir dezentrale Energieformen für den südlichen Raum entwickeln, dann sind wir in der Lage einen Teil zu ersetzen. Dann kommt hinzu: Wir müssen unbedingt eine Renaissance der Kohle haben. Wir brauchen natürlich auch kohlendioxidfreie Kohlekraftwerke. Das ist die einzige Basis, die wir in Deutschland haben, nämlich die Braunkohle. Daran arbeiten wir, nicht meine Firma, aber insbesondere deutsche Unternehmen arbeiten da dran. Die Regierung will das. Da brauchen wir auch noch ungefähr fünf bis zehn Jahre. Und dann muss man sich natürlich am Ende auch darüber im Klaren sein, ob es richtig ist, in einer solch zugespitzten Lage auch noch 30 Prozent der Stromversorgung durch Kernenergie vorzeitig abzustellen. Um nicht missverstanden zu werden: Keine neuen Kraftwerke, das wird gar nicht möglich sein. Es ist auch nicht wirtschaftlich, aber ob man da noch zwei, drei Jahre die Kernkraftwerke länger laufen lässt und damit uns die Luft gibt, die Alternativen wirtschaftlich zu entwickeln, diese Frage muss doch erlaubt sein.
Remme: Lassen Sie uns mal über Deutschland hinaus gucken. Sie haben gerade schon China genannt. Der Energiehunger dieses Landes wird in den vergangenen Tagen oft angeprangert. Zu Recht?
Vahrenholt: Nein, wenn Sie schauen, dass die Chinesen in ihrem pro-Kopf-Energieverbrauch sich mal gerade eben auf 20 Prozent von dem, was wir verbrauchen empor geschraubt haben - und das bringt die Ölmärkte zum Erschüttern. Die Chinesen sagen, "Warum haben wir nicht das gleiche Recht wie ihr, Auto zu fahren, unsere Wohnungen zu heizen?" - das war ja in der Vergangenheit sogar verboten. Südlich von Shanghai gab es ein Heizungsverbot. Die Chinesen durften bis fünf Grad frieren. Das ist schon eine Veränderung, wenn 1,3 Milliarden Menschen sich auf einen Lebensstandart hinbewegen, den wir gewohnt sind. Und das bedeutet, dass das die Energiemärkte überfordert, wenn wir nicht rechtzeitig Alternativen entwickeln. Das wird mit Indien übrigens auch so passieren und deswegen müssen wir rechtzeitig uns in diesen Streit um Öl, im Streit um Gas auch unabhängig machen. Wir haben die Ingenieurskunst in Deutschland, wir haben die Technologien. Man muss sie natürlich auch zur Reife bringen.
Remme: Die Konferenz in Bonn geht zu Ende. Jürgen Trittin spricht schon vom Geist von Bonn. Hat die Veranstaltung ihre Erwartungen erfüllt?
Vahrenholt: Was schon beeindruckend war, war dass viele Nationen sich selbst verpflichtet haben. Das hätte man vor zehn Jahren nicht erwartet. Selbst die Amerikaner haben jetzt erklärt, sie wollen etwas in erneuerbaren Energien tun. Das sind immerhin 150 Nationen. Aber eins ist natürlich auch klar: Nicht der Klimaschutz hat die Nationen bewegt, diesen Aufbruch erzeugt, sondern die, für viele offenbar überraschende Entwicklung auf den Energiemärkten, die Energiepreisexplosionen, die noch vor uns stehen. Das ist erst der Anfang. Dieses, was wir jetzt erleben, ist erst der Anfang von einer Welle von Ölkrisen, die auf uns zukommen und die uns in Deutschland nicht so sehr, natürlich auch, beeinträchtigen. Aber stellen Sie sich vor, was ein Entwicklungsland, dass kein Öl, kein Gas hat, was das für Alternativen hat? Was das bedeutet, wenn die auf einmal doppelt so viel für ihre Ölimporte bezahlen müssen? Und die sind natürlich an erneuerbaren Energien interessiert, weil das heimische Energieträger sind. Den Wind müssen Sie nicht importieren.
