Zunächst einmal ist es so, wie es so ist, bei Vampirgeschichten: Der eine saugt, der andere wird ausgesaugt. Doch Viktor Pelewin wäre nicht Viktor Pelewin würde er nicht den benutzten Mythos kräftig durchschütteln und ihn mit dem von ihm gewohnten Sud aus Pulp und Sex, literarischen Anspielungen, philosophischer Akrobatik und Zerrbildern aus der sich ja ohnehin oftmals schon grotesk gerierenden russischen Realität zu einem neuen Ganzen verschmelzen.
Ob mit Werwölfen, mit Pokemons oder mit russischen Nationalhelden, der in Russland als Kultautor und Popstar ebenso gefeierte wie auch als Nestbeschmutzer angefeindete Schriftsteller Pelewin hat das schon mit vielem getan, und so hat er sich auch im "Fünften Imperium" eine sehr eigene Vampirsaga entworfen: Bei ihm sind die Vampire die eigentlichen Herren der Welt, der Mensch dagegen sein dumpfes Melkvieh. Wer Glück hat als Mensch, kann allerdings, wie der Gelegenheitsarbeiter Rama, durch einen Biss in den Hals versteht sich, Mitglied der Elite werden, wobei man dann nicht nur in den Genuss einer gehörigen Bildung kommt, sondern etwa auch in denjenigen einer Visacard mit einer Deckungssumme von mal eben 100.000 Dollar. Das Geld ist es denn auch, was den gemeinhin als Blutsaugern verschrienen Vampiren bei Viktor Pelewin wichtiger ist als der rote Saft selbst, die Essenz des Geldes als Essenz der Lebensenergie des Menschen, darauf sind sie scharf, schließlich sind wir in Russland, im postsowjetischen und da kann sich, wie man weiß, der Kapitalismus ja so richtig ausleben.
Auf der Bühne des Münchner Volkstheaters hat Mareike Mikat den grotesken Bildungsparkur des Vampirnovizen Rama mit viel szenischem Schmiss in Szene gesetzt. Dafür hat sie ganz einfach einen engen Bühnenlaufsteg mit einem Stahlgerüst eingegrenzt, dessen einzelne Karrees mit braunem Packpapier verklebt sind. Wenn man das Papier durchsticht oder wegreißt, entstehen so enge Wohnwaben als weitere Spielflächen. Und die Tristesse von Plattenbauten ist auch nicht fern. Überhaupt hat Mikat ganz eigene szenische Lösungen für die rasende Bilderflut von Viktor Pelewin gefunden. Wie er zitiert sie wildwuchernd und ohne Scheu, sodass ästhetisch genau jene Gemengelage zwischen dem alten Russland der Bärenfellmützen und dem modernen kapitalistischen Blutsaugersystem der langen Eckzähne entsteht, die der Autor in seinem Buch so virtuos beschwört. Zugleich entwickelt die Regisseurin mit ihrem bewusst armen Theater, das seine Mittel und Verkleidungstricks immer sichtbar offenlegt, auch eine ganz eigene Art des szenischen Humors, die mit dem zwischen Zynismus und Lakonie schwankenden Humor des Autors korrespondiert.
Und so kann das fast durchweg junge Ensemble im schweißtreibenden Einsatz, der sie als Vampire auch schon mal kopfüber von der Decke schaukeln lässt, fast vergessen machen, dass große Teile des Romans dann doch auf der Strecke bleiben. Denn so lakonisch und manchmal auch gelinde gesagt rotzig der Roman "Das fünfte Imperium" auch daherkommt, dahinter versteckt sich ein so hochkomplexes und literarisch überaus modernes Abbild der russischen Gegenwart im Zeitalter eines brutalen und vielfach grotesken Turbokapitalismus, dass man sich als Nichtrusse schon beim Lesen in den verzwickten Querverweisen und philosophischen Exkursen verlaufen kann und einem zudem sicherlich vieles völlig entgeht. Dass der Buddhist Viktor Pelewin in seinen Büchern etwa immer auch spirituelle Horizonte austastet und hier zum Beispiel ausgerechnet seinen Vampiren in jenem Moment, in dem sie die Geldessenz schlucken, die Erkenntnis haben lässt, dass die Welt, wie wir sie kennen, einzig ein Hirngespinst ist, was vielen Traditionen ja als Erleuchtung gilt, dies bleibt in München wie vieles andere auch: unberührt.
Doch ist diese Komplexität auf der Bühne wohl auch nicht darstellbar. Fragt sich dann natürlich, ob man dem Roman im Theater überhaupt gerecht werden kann. Nichts desto trotz aber, oder auch: mit dieser Einschränkung ist "Das fünfte Imperium" am Münchner Volkstheater eine weitere Probe des virtuosen Talents der ostdeutschen Regisseurin Mareike Mikat, deren ästhetisch eigenwilligen und politisch motivierten Zugriff man verfolgen sollte.
Informationen:
Volkstheater München
Ob mit Werwölfen, mit Pokemons oder mit russischen Nationalhelden, der in Russland als Kultautor und Popstar ebenso gefeierte wie auch als Nestbeschmutzer angefeindete Schriftsteller Pelewin hat das schon mit vielem getan, und so hat er sich auch im "Fünften Imperium" eine sehr eigene Vampirsaga entworfen: Bei ihm sind die Vampire die eigentlichen Herren der Welt, der Mensch dagegen sein dumpfes Melkvieh. Wer Glück hat als Mensch, kann allerdings, wie der Gelegenheitsarbeiter Rama, durch einen Biss in den Hals versteht sich, Mitglied der Elite werden, wobei man dann nicht nur in den Genuss einer gehörigen Bildung kommt, sondern etwa auch in denjenigen einer Visacard mit einer Deckungssumme von mal eben 100.000 Dollar. Das Geld ist es denn auch, was den gemeinhin als Blutsaugern verschrienen Vampiren bei Viktor Pelewin wichtiger ist als der rote Saft selbst, die Essenz des Geldes als Essenz der Lebensenergie des Menschen, darauf sind sie scharf, schließlich sind wir in Russland, im postsowjetischen und da kann sich, wie man weiß, der Kapitalismus ja so richtig ausleben.
Auf der Bühne des Münchner Volkstheaters hat Mareike Mikat den grotesken Bildungsparkur des Vampirnovizen Rama mit viel szenischem Schmiss in Szene gesetzt. Dafür hat sie ganz einfach einen engen Bühnenlaufsteg mit einem Stahlgerüst eingegrenzt, dessen einzelne Karrees mit braunem Packpapier verklebt sind. Wenn man das Papier durchsticht oder wegreißt, entstehen so enge Wohnwaben als weitere Spielflächen. Und die Tristesse von Plattenbauten ist auch nicht fern. Überhaupt hat Mikat ganz eigene szenische Lösungen für die rasende Bilderflut von Viktor Pelewin gefunden. Wie er zitiert sie wildwuchernd und ohne Scheu, sodass ästhetisch genau jene Gemengelage zwischen dem alten Russland der Bärenfellmützen und dem modernen kapitalistischen Blutsaugersystem der langen Eckzähne entsteht, die der Autor in seinem Buch so virtuos beschwört. Zugleich entwickelt die Regisseurin mit ihrem bewusst armen Theater, das seine Mittel und Verkleidungstricks immer sichtbar offenlegt, auch eine ganz eigene Art des szenischen Humors, die mit dem zwischen Zynismus und Lakonie schwankenden Humor des Autors korrespondiert.
Und so kann das fast durchweg junge Ensemble im schweißtreibenden Einsatz, der sie als Vampire auch schon mal kopfüber von der Decke schaukeln lässt, fast vergessen machen, dass große Teile des Romans dann doch auf der Strecke bleiben. Denn so lakonisch und manchmal auch gelinde gesagt rotzig der Roman "Das fünfte Imperium" auch daherkommt, dahinter versteckt sich ein so hochkomplexes und literarisch überaus modernes Abbild der russischen Gegenwart im Zeitalter eines brutalen und vielfach grotesken Turbokapitalismus, dass man sich als Nichtrusse schon beim Lesen in den verzwickten Querverweisen und philosophischen Exkursen verlaufen kann und einem zudem sicherlich vieles völlig entgeht. Dass der Buddhist Viktor Pelewin in seinen Büchern etwa immer auch spirituelle Horizonte austastet und hier zum Beispiel ausgerechnet seinen Vampiren in jenem Moment, in dem sie die Geldessenz schlucken, die Erkenntnis haben lässt, dass die Welt, wie wir sie kennen, einzig ein Hirngespinst ist, was vielen Traditionen ja als Erleuchtung gilt, dies bleibt in München wie vieles andere auch: unberührt.
Doch ist diese Komplexität auf der Bühne wohl auch nicht darstellbar. Fragt sich dann natürlich, ob man dem Roman im Theater überhaupt gerecht werden kann. Nichts desto trotz aber, oder auch: mit dieser Einschränkung ist "Das fünfte Imperium" am Münchner Volkstheater eine weitere Probe des virtuosen Talents der ostdeutschen Regisseurin Mareike Mikat, deren ästhetisch eigenwilligen und politisch motivierten Zugriff man verfolgen sollte.
Informationen:
Volkstheater München