Das Buch von Alexander Demandt ist ein Parforceritt durch die Geschichte des Vandalismus. Mit Grauen muß man feststellen, wie weit verbreitet das Phänomen Vandalismus war und ist, und welch unterschiedliche Motivationen Zerstörung und Vernichtung rechtfertigten. Demandt dazu: "Es gibt den Vandalimus im Kriege, es gibt den Vandalimus bei Systemwechseln, es gibt den religiösen Vandalismus, es gibt einen ästhetischen Vandalismus, wie haben einen Fortschritts- und Modernisierungsvandalismus unterschiedlichster Motivationen, aber mehr oder weniger immer unter dem gleichen Gesichtspunkt, man versucht seine eigenen Zwecke zu realisieren, indem man Kulturgüter der anderen Gruppen opfert."
Diese Schreckenreise durch 300 Seiten Beschreibung von Zerstörungseifer muß jeder Leser selbst machen, was um so leichter fällt, als das Buch, bei aller gebotenen Wissenschaftlichkeit, flüssig und spannend geschrieben ist. Besonders interessant wird es da, wo Grauzonen, Randbereiche berührt werden. Es gibt durchaus Vandalismen, die arglos, sogar gut gemeint sind, wie zum Beispiel den restaurienden Vandalismus. "Der restaurierende Vandalismus versucht, Kunstwerke wieder herzustellen, die mal verschönert worden sind, dann aber dem Zeitgeschmack nicht mehr entsprechen", erläutert Demandt. "Sehr viel häufiger aber ist der Vandalismus, der durch die Entstehung neuer Kunst bedingt ist. Wenn ich an den Kölner Dom denke und mir dessen Geschichte ansehe, hat der, glaube ich, sechs oder acht Vorgängerbauten, die abgerissen wurden, um den jeweils späteren Bau zu errichten und insofern ist mit der Erneuerung der Kultur vielfach auch ihre Zerstörung unzertrennlich verbunden."
Die Wiederherstellung eines Kunstwerkes kann also gleichzeitig zu einem Erinnerungsverlust führen, das heißt die Aufhebung des einen Vandalismus gebiert einen neuen: den Vandalismus gegen die Erinnerung. Schon vor zweieinhalbtausend Jahren weigerten sich die Griechen in Kleinasien, ihre von den Persern zerstörten Tempel wiederaufzubauen, damit diese offene Wunde die Erinnerung an die Schandtaten des Feindes für immer wachhalte. Soll man die im Krieg zerstörten Kunstdenkmäler wirklich wieder aufbauen? Hätte man demnach die Ruine der Frauenkirche nicht als Ruine stehen lassen sollen? "Die muß man wieder aufbauen, denn die Städte haben ihr unveränderliches Profil durch ihre Geschichte bekommmen, wenn alle Städte mit Neubauten zugekleistert werden, dann sieht eine Stadt aus wie die andere und ist dann eigentlich nichts Besonderes mehr, deshalb haben die alten Bauten ein Recht darauf, wieder hergestellt zu werden. Die Authentizität eines Kunswerkes liegt in seiner Idee, in seiner Form, und nicht im Material."
Vandalimus richtet sich oft, wenn auch nicht immer, gegen Kunstwerke. Erst die Benenung eines zerstörten Objektes als Kunstwerk provoziert das Urteil 'Vandalimus'. Doch seitdem man in unserer Zeit den Kunstbegriff so essentiell erweiterte, wurde auch der Begriff 'Vandalimus' unscharf. Gemälde werden übermalt und dadurch eine neue Kunstform geschaffen. Kann man da noch von Vandalismus sprechen? Oder ist dies nicht eine Kette von Vandalismen? Wenn die Zerstörung von Kunstwerken selbst wieder neue Kunstformen gebiert, dann relativiert sich der Begriff Vandalimus ins Unverbindliche. Provokativ gefragt: Ist das Entfernen der zahlreichen Graffiti von den Häuserwänden dann nicht auch als eine Art Vandalimus zu bezeichnen? "Im Prinzip ja, nur müßte man zuvor die Graffitti pauschal als Kunstwerk erklären und das geht zu weit. Es gibt ausgesprochen begabte und großartige Schöpfungen dabei, aber das sind allenfalls zehn Prozent, und wenn es gelänge, die guten herauszufiltern, dann sollte man, so meine ich, auf die anderen getrost verzichten."
Aber gibt es denn nicht auch Situationen, in denen ein Verzicht auf Vandalismus durchaus ambivalent sein kann? Ein Denkmal z.B. dient der Erinnerung, auch zur Mahnung an begangenes Unrecht. Aber ebenso oft wird es zur Verherrlichung der dargestellten Person errichtet. Besonders nach einem Systemwechsel kommt es zum Denkmalsturz, für die einen politische Notwendigkeit, für die anderen nach wie vor 'Vandalismus'. Sollte man etwa Stalindenkmäler stehen lassen? "Dieses Problem haben die Ungarn unterdes vorzüglich gelöst. Sie haben diese schrecklichen Schinken nicht zerstört, sondern haben sie in einem Park, eine Art Disneypark, zusammengestellt, wo sie sich auf engstem Raum gegenüberstehen und sich gegenseitig lächerlich machen."
Doch weiter zugespitzt: Hätte Hitler lange genug gelebt, gäbe es in Deutschland eine Menge von Hitlerdenkmälern, die sicher viel zu groß gewesen wären, um sie in einem Park zu versammeln und so sich selbst ad absurdum führen zu lassen. Hätte man diese Denkmäler denn wirklich stehen lassen sollen? Wäre da ein gezielter Vandalismus nicht heilsam gewesen? - Vandalismus - eine Frage des Datums? "In irgendeiner Form muß die Vergangenheit ein Recht haben, im Bewußtsein zu bleiben. Und ein Volk, das seine Denkmäler abbaut, wenn sie ihm unbequem sind, bereingt die Geschichte so wie Orwell das in der Vergangenheit gemacht hat. In irgendeiner Weise, ich sage nicht in jeder, aber in irgendeiner Weise muß die Vergangeheit auch optisch präsent bleiben."