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Vanillin: Synthetischer Aromastoff und ständiger Fall für den Verbraucherschutz

Vanillin ist der Aromastoff mit der größten Produktionsmenge auf dem Weltmarkt. Und so etwas wie das Betrugsmolekül. Denn besonders in Speiseeis und Milchprodukten steckt oftmals bloß synthetisches Vanillin, das sich kaum von dem natürlichen unterscheiden lässt.

Von Volker Mrasek | 28.09.2011
    Da steigt uns förmlich der süße Duft von Vanilleschoten in die Nase. Vanillin ist nicht nur die Hauptkomponente des kostbaren Gewürzes, sondern auch der Aromastoff mit der größten Produktionsmenge auf dem Weltmarkt. Das meiste Vanillin wird dabei künstlich hergestellt, aus Holzabfällen zum Beispiel. Nur kennzeichnen es die Anbieter von Süßwaren häufig nicht so. Lieber lassen sie Käufer im Glauben, ihre Produkte enthielten das teure Naturgewürz.

    Vanillin - ein Fall für den Verbraucherschutz.

    Hier versucht man der Verbrauchertäuschung mit Vanillin auf die Spur zu kommen - im Chemischen und Veterinär-Untersuchungsamt Freiburg. Chemielaborant Andreas Probst bedient eine Schüttelmaschine.

    "Da wird ein Scheidetrichter drauf geschüttelt. Der enthält Vanillin-Extrakt und ein organisches Lösungsmittel."

    "Das Vanillin stammt aus Eis. Oder aus Pudding - also generell Lebensmittel, in denen Vanille enthalten ist."

    Echte Vanille wird aus den Kapselfrüchten einer tropischen Orchideenart gewonnen, die auf Madagaskar und anderen Inseln im Indischen Ozean wächst. Sie ist auch als Bourbon-Vanille bekannt.

    "Gilt nach Safran als das zweitteuerste Gewürz der Welt."

    Für die Freiburger Lebensmittelchemikerin Eva Annweiler ist immer die große Frage: Steckt in einem untersuchten Speiseeis oder Joghurt wirklich echte Vanille?

    "Dann darf da natürliche Vanille, natürlicher Vanilleextrakt oder mit natürlicher Bourbon-Vanille - das darf alles draufstehen."

    "Mit dieser Probe gehen wir jetzt an unser Messgerät."

    Tatsächlich aber zeigen die Analysen in Freiburg und von anderen Untersuchungsämtern: In vielen Süßwaren steckt bloß synthetisches Vanillin - auch wenn "Vanille" auf der Packung steht oder Schoten darauf abgebildet sind. Zulässig wäre allein die Bezeichnung "mit Vanille-Geschmack".

    "Die höchsten Auffälligkeiten beobachten wir bei Speiseeis aus Eisdielen. Wir haben immer wieder Auffälligkeiten bei Milchprodukten: Joghurt-, Quarkzubereitungen. Und in untergeordneten Zahlen bei Sojaprodukten oder bei Puddingerzeugnissen."

    Natürliches von synthetischem Vanillin zu unterscheiden ist dabei kein Pappenstiel:

    "Der Molekülaufbau des chemisch-synthetisch hergestellten Vanillins entspricht genau dem Molekülaufbau des natürlichen Vanillins."

    Norbert Martin, ebenfalls Lebensmittelchemiker im Freiburger Untersuchungsamt. Er und seine Kollegin Eva Annweiler betreiben deshalb einen besonders hohen analytischen Aufwand. Sie wenden

    "die Stabilisotopen-Analyse an. Wir schauen uns die Bausteine selber an. Und die Atome - Vanillin besteht aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff - die kommen in unterschiedlichen Atom-Versionen vor, kann man sagen, den Isotopen, die sich in ihrer Masse unterscheiden."

    Der Schlüssel ist das Verhältnis des leichten Kohlenstoff-Isotops C-12 zum schwereren C-13 in den Proben:

    "Das natürliche Vanillin enthält einen etwas höheren Anteil an dem 13-C-Isotop."

    Und so gelingt es, angeblich natürliche Vanille als Imitat zu entlarven.

    "Das Problem ist höchst ärgerlich","

    findet Lebensmittelanalytiker Martin. Und bis auf Weiteres bleibt es wohl dabei:

    " "Vanillin ist ein Täuschungsmolekül."

    "Haben wir gar kein Vanille-Eis da?"