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"Vanity Fair" auf Deutsch

1913 kaufte der Verleger Condé-Nast ein Herrenmodemagazin und taufte es "Vanity Fair" um. Die Zeitschrift hat seitdem Geschichte gemacht mit ihrer Mischung aus People-Journalismus, literarischer Reportage, hochklassigen Fotogeschichten und vielen sehr teuren Anzeigenkunden. Jetzt will der Condé-Nast-Verlag mit seinem Flaggschiff auch auf dem deutschen Markt Fuß fassen.

Moderation: Beatrix Novy |
    Beatrix Novy: Michael Hanfeld, Medienredakteur bei der FAZ, Sie haben heute am Erscheinungstag das neue Blatt gelesen, das man Gesellschaftsmagazin nennt. Welche Gesellschaft ist gemeint?

    Michael Hanfeld: Das ist eine gute Frage. Das ist eine Gesellschaft, die offenbar vor allem auf den Konsum setzt. Wenn man das Blatt aufschlägt, muss man erstmal 15 Seiten großflächige Werbung hinter sich bringen, um bis zum kurzen Vorwort zu kommen. Dann gibt es wieder Werbung, und bis die erste wirklich große Geschichte erscheint, hat man 70 Seiten durchgeblättert, und dann kommt das Interview mit dem Titelboy Til Schweiger.

    Novy: Der ja in Hollywood sitzt, und das war vielleicht auch der Grund ihn zu nehmen, damit man wenigstens einen kleinen Schuss weite Welt hat?

    Hanfeld: Ja, Til Schweiger ist schon die ideale Verbindung und das ideale Gesicht für den deutschen Auftritt von "Vanity Fair": Ein hier populärer, in Amerika aber auch bekannter Schauspieler, der dann auch noch ein ganz kurzweiliges Interview gibt, das durchaus lesenswert ist. Insofern ist das schon die richtige Wahl. Allerdings wird er dann auch denkbar unfreiwillig komisch in Szene gesetzt, nämlich mit so Bauernhofszenen, da sehen wir ihn, wie er einer kleinen Kuh Milch gibt und ein Lämmlein in die Höhe hält. Das hat schon nicht mehr so den Ruch der weiten Welt und Glamour. Vermisse ich da auch.

    Novy: Gibt es denn überhaupt diese Dichte, diese hochkarätige Dichte sowohl von Stars als auch von Autoren, die ein Wochenmagazin, denn "Vanity Fair" soll ja nicht nur monatlich wie in Amerika, sondern wöchentlich erscheinen, irgendwie tragen kann?

    Hanfeld: Jede Woche 300 Seiten oder 200, 250 Seiten auf die Beine stellen zu wollen, auch wenn wir 100 Seiten Werbung abziehen, ist gar nicht so einfach. Das merkt man dem ersten Magazin auch schon an. Da gibt es ein großes Stück über den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama, das heißt, ohne die Hilfe aus Amerika kommt man so ganz nicht aus. Nur mit hiesigen Protagonisten wird man diesen auf Hochglanz polierten People-Journalismus, glaube ich, nicht machen können.

    Novy: Die anderen großen Verlage haben ja sofort reagiert auf diese Nachricht. Gruner + Jahr hat schon en passant "Park Avenue" publiziert und plant sogar noch ein neues Blatt dazu, und Bauer ist mit "Talk und Style" auf den Markt gegangen. Das sind ja unendlich teure Titanenkämpfe. Kann sich denn eigentlich jeder das alles leisten?

    Hanfeld: Ich glaube nicht, dass sich die großen Verlage die Magazine, die wir im Moment haben, leisten können, und ich denke, "Park Avenue" bei Gruner + Jahr gibt es auch nur noch, weil es ein Kampfinstrument gegen "Vanity Fair" ist. Das Blatt hat eine ausgesprochen geringe Auflage, hat auch keine besondere Relevanz. Da fragt man sich wirklich, was dieses Magazin denn eigentlich soll. Das ist bei "Vanity Fair" anders. Das ist zumindest ein großer Kessel Buntes aus aller Welt, wobei auch da man schon merkt, dass es schwierig wird, das auf die Dauer durchzuhalten, denn eine der großen Geschichten ist ein nicht wirklich zustande gekommenes Interview mit Robert de Niro, und das ist doch schon ziemlich zäh.

    Novy: Wie stehen Sie denn überhaupt zur Glaubwürdigkeit des seriösen Journalismus im Umfeld von Klatsch und von solchen Dingen, die eigentlich die Werte der Klischeegemeinschaft immer nur endlos reproduzieren?

    Hanfeld: Das ist schwierig. "Vanity Fair" sagt ja, sie wollten über die Personen Geschichten erzählen, Hintergründe erhellen und auch Themen setzen - wie das in Amerika funktioniert, bei uns aber, glaube ich, so nicht ganz klappen kann. Wir haben, denke ich, in der ersten Ausgabe der deutschen "Vanity Fair" nur eine Geschichte, die mit Fug und Recht angeführt werden kann, wenn man gesellschaftspolitisch bedeutsam sein will. Das ist eine Reportage von Michel Friedman über die NPD, die schildert, wie die Rechtsradikalen versuchen in die Mitte der Gesellschaft zu kommen. Das ist sehr lesenswert, aber ist dann auch schon aus meiner Leseperspektive das einzige Stück.

    Novy: Immerhin für ein Euro pro Ausgabe wäre das ja schon lohnend. Wird es denn dabei bleiben können?

    Hanfeld: Ein Euro ist ein Kampfpreis, ein Startpreis, und der wird erhöht werden in den nächsten Wochen wahrscheinlich schon. Und es ist die Frage, bei welchem Preis man dann landen wird. Das werden zwei, drei Euro dann werden, damit ist man natürlich immer noch nicht unter den hochpreisigen Magazinen, und wenn man die neue Elite unseres Landes, so es sie denn gibt, erreichen will, ist natürlich ein Euro ein Preis, der dem so ein bisschen widerspricht.