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Vaterzeit in Schweden

Vor mehr als 30 Jahren wurde eine Sozialleistung in Schweden eingeführt, die bis heute Vorbildfunktion für viele Länder in Europa hat: Die bezahlte Elternzeit für Mütter und Väter. 15 Monate zu Hause bleiben und in dieser Zeit bis zu 80 Prozent seines Lohnes einstreichen, das klingt auch heute noch verlockend für viele Eltern. Inzwischen sind es auch immer mehr Männer, die die Möglichkeit wahrnehmen.

    Eine helle Küche in einem Reihenhaus in einem Vorort von Stockholm. Auf dem Herd köcheln Nudeln, gegenüber auf dem Regal steht ein Laptop. Mats Hallman hat eine Seite für Kinder im Internet angeklickt und zeigt seiner Tochter verschiedene Bilderbuchfiguren. Die eineinhalbjährige Edith sitzt auf seinem Arm und zeigt begeistert auf die bunten Strichmännchen. Seit Mitte Dezember ist der 35-Jährige mit seinen beiden Töchtern zu Hause. Eine Entscheidung, die ihm nicht schwer gefallen ist:

    "Ich habe gemerkt, dass ich zu wenig Zeit mit meinen Kindern verbracht habe, als ich gearbeit habe. Ich ging, bevor sie aufgewacht sind. Und wenn ich nach Hause kam, waren sie schon wieder auf dem Weg ins Bett. Jetzt habe ich einen viel besseren Kontakt mit meinen Kindern. Inzwischen ist es ganz selbstverständlich, dass sie sich an mich wenden, wenn sie Hilfe brauchen und nicht nur an ihre Mutter."

    Bis August ist der schlanke Schwede mit dem grauen Dreitagebart von seiner Arbeit freigestellt. 80 Prozent seines Gehalts erhält er in dieser Zeit pro Monat vom Staat, bis zu einer Obergrenze von 2400 Euro. Weil sein Gehalt diese Grenze übersteigt, legt sein Arbeitgeber sogar noch etwas drauf. Und die Kommune stellt einen Kindergartenplatz für die 3-Jährige Agnes zur Verfügung – bis zu sechs Stunden täglich. Seine Frau geht unterdessen arbeiten, für die Beziehung hat das nur Vorteile, meint Hallman:

    "Die Statistik in Schweden zeigt, dass Scheidungen in der Gruppe, in der beide Eltern Elternzeit nehmen, geringer ist. Ich glaube, das hat mit dem besseren Verständnis füreinander zu tun. Kinder zu betreuen, das ist ein harter Job. Da gibt es gute und schlechte Tage. Und wenn man dann mal sauer und müde ist am Abend, dann sagt der andere vielleicht: Hattest Du einen schlechten Tag? Das kann ich gut verstehen. "

    Statt Kalkulationen und Strategiesitzungen bestimmen derzeit Windeln und die richtige Portion Ketchup den Alltag von Mats Hallman. Morgens bringt er die Dreijährige in den Kindergarten, dann schläft die Kleine zu Hause. Nach dem Mittagessen geht es raus zum Rodeln, dann wieder zum Kindergarten, die Grosse abholen. Viel Zeit für eigene Projekte bleibt da nicht. Doch das ist kein Problem für den Werbefachmann. Die Selbstverwirklichung im Beruf hat er bereits hinreichend genossen. Als er in der Agentur, einem mittelgrossen Unternehmen, seine Vaterzeit ankündigte, erregte dies kein besonderes Aufsehen:

    "Viele meiner Kollegen haben ihre Elternzeit bereits genommen. Das war nichts Ungewöhnliches. Mein Chef hat selber vier Kinder. Er selbst hat zwar keine Elternzeit genommen, aber er hatte viel Verständnis für meine Situation. Wir wollen immer gerne glauben, dass wir unersetzbar sind. Aber leider stimmt das nicht. Da gilt es, rechtzeitig im Voraus zu planen. Das ist alles. "

    Zwei der maximal 15 Monate schwedischer Elternzeit hat die sozialdemokratische Regierung den Vätern reserviert. Das soll die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann bei der Erziehungsarbeit fördern. Böse Zungen behaupten jedoch, dass sich Männer für ihre Kinder vor allem in den Monaten freinehmen, wenn die Elchjagd ansteht oder große Sportereignisse. Mats Hallman winkt lächelnd ab: Bei den Olympischen Winterspielen hat er die meisten Wettbewerbe verpasst: Sie seien einfach nicht auf die Schlaf- und Wachzeiten seiner Töchter abgestimmt gewesen.

    19,5 Prozent der Elternzeit wurde im vergangenen Jahr in Schweden von Männern genommen, Tendenz steigend. Der Löwenanteil liegt also immer noch bei den Frauen. Vor allem, weil sie in der Regel weniger verdienen. Um wirkliche Gleichberechtigung zu erzielen, müsste der Staat hier noch mehr finanzielle Anreize schaffen, meint Mats Hallman:

    "Die wirtschaftliche Situation ist immer entscheidend. Besonders, wenn man mitten in der Karriere ist. Am Ende geht es allerdings darum, sich die Frage zu beantworten: Wer war ich für meine Kinder? Und da kann man sich schon jetzt fragen: Wer will ich später für meine Kinder gewesen sein? "

    Für die kleine Edith ist die Antwort auf diese Frage derzeit glasklar: Papa ist für mich da. Egal, ob draussen im Wald Elche geschossen werden oder gerade die Olympischen Winterspiele stattfinden.

    Wenn es nach der schwedischen Regierung geht, sollen Eltern, die mit ihren Kindern zu Hause bleiben, bald mehr Leistungen vom Staat erhalten. Bisher bekamen Mütter und Väter 80 Prozent ihres letzten Einkommens bis zu einem Niveau von umgerechnet 2600 Euro ausgezahlt. Jetzt soll diese Obergrenze auf knapp 3500 Euro angehoben werden. Ob es so kommt, werden im Frühjahr die Verhandlungen zum Haushaltsplan zeigen.