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Vatikanischer Pomp

Wer die Puccini-Oper "Tosca "inszeniert, der muss sich zwangsweise mit der Aufführung von 1965 an der Metropolitan Opera messen. Damals sang die Sopranistin Maria Callas die Tosca und setzte damit Maßstäbe, die kaum zu überbieten sind. An der Oper in Rom gelingt der Sopranistin Martina Serafin nun eine neue Interpretation, die den Vergleich mit der Callas nicht scheuen muss.

Von Thomas Migge |
    Ein Mann in Sträflingskleidern betritt, sich scheu umblickend, die römische Kirche Sant Andrea della Valle. Er sucht Mario Cavaradossi, interpretiert von Marcelo Alvarez, der gerade an einem neuen Madonnenbildnis malt.

    Den Zuschauern in der römischen Nationaloper scheint der Atmen zu stocken, als sich der Bühnenvorhang zum ersten Akt öffnet. Zu sehen ist eine originalgetreue Nachbildung des Inneren der riesigen Barockkirche. Regisseur Franco Zeffirelli scheint sich mit seinem Hang zu Opulenz und Ausstattungspathos selbst übertreffen zu wollen. In der Schlussszene lässt er die wie echt wirkende Terrasse auf der Engelsburg, beschienen vom Mondlicht und mit dem riesigen Engel, durch den Bühnenaufzug komplett um rund vier Meter nach oben heben. Darunter erscheint das düstere Gefängnis Cavaradossis: mit gigantischen antiken Kapitellen.

    Der Gesamteindruck der zweigeteilten Aktionsfläche als perfektes Plagiat hat etwas Beeindruckendes. Zeffirelli hält während der Pause Hof in seiner Loge:

    "In meiner 40-jährigen Karriere hat sich meine Sicht dieser Oper, die ich oft in Szene gesetzt habe, verändert. Ich habe immer wieder neue Aspekte entdeckt. Auch wenn man diese Oper immer wieder neu aufführen kann, bleibt der Ausgangspunkt doch immer der gleiche: die Inszenierung an der Metropolitan von 1965. Vor allem wegen der Interpretation der Callas."

    Franco Zeffirelli ist davon überzeugt, dass die Rolle der Tosca endlich, nach vielen Jahren, in der Österreicherin Martina Serafin eine Interpretin gefunden habe, die der Figur dieser Frau, so wie er sie versteht, sehr nahe kommt:

    "In dieser Aufführung haben wir eine ganz außergewöhnliche Frau. Sie hat wirklich alles für diese Rolle: eine schöne Frau, schöne Stimme, intelligent, herzlich, folgsam dem Regisseur gegenüber wie eine Schülerin. Was will man mehr? Ich weiß nicht, wie sie im Bett ist, aber ich glaube, dass sie auch dort ausgezeichnet ist."

    "Das ist das erste Mal, dass ich Tosca singe. Ich freue mich wahnsinnig, dass ich es gerade hier singen kann. In Rom, wo ja die Oper stattfindet und wo sie auch das erste Mal gerade auch am 14. Jänner 1900 uraufgeführt wurde."

    Martina Serafin entstammt einer Musikerfamilie. Ihr Vater Harald Serafin ist in Österreich als Organisator des bekannten Mörbisch-Operetten-Festivals ein Begriff. Ihre Mutter, Mirjana Irosch, war eine bekannte Operettensängerin.

    In der gekonnten Mischung aus einem dramatisch-reifen und einem jugendlich-dramatischen Sopran ist Martina Serafin wie geschaffen für die Titelrolle in Puccinis Meisterwerk.

    "Für mich ist Tosca eine sehr starke Frau, eine leidenschaftliche Frau, eine Frau, die sehr stark liebt und die auch ihre Entscheidungen trifft. Eine unabhängige Frau, die sich zu nichts zwingen lässt und die sich auch stark fühlt, die die Königin kennt und eine Frau der Gesellschaft ist und im zweiten Akt, wenn sie mit Scarpia zusammen ist, fühlt sie sich auf der gleichen Stufe von Scarpia. Sie fühlt sich stark, sie hat das Gefühl, es kann ihr eigentlich gar nichts passieren. Leider Gottes wird sie dann eines Besseren belehrt."

    Und diesen Wechsel im Schicksal der Tosca bringt Martina Serafin bestens zum Ausdruck. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass in Rom eine neue und beachtenswerte Tosca-Interpretin geboren wurde.