Archiv


Venedig übergeht Guggenheim-Foundation

Der gigantische Palazzo der venezianischen Zollbehörde soll nun zu einem Zentrum für Gegenwartskunst umgebaut werden. Zwei Schwergewichte der Kunstszene haben sich für dieses Projekt beworben: die Guggenheim Foundation und der französische Kunstsammler François Pinault. Guggenheim oder Pinault - jetzt ist die Entscheidung gefallen.

Von Henning Klüver |
    Also François Pinault hat das Rennen gemacht. Der Franzose, der eine der größten und wichtigsten Sammlungen von Gegenwartskunst der Welt besitzt, soll in Venedig das neue Zentrum für Kunst unseres Zeitalters betreiben. Der japanische Architekt Tadao Ando wird dafür die historischen Zollgebäude an der Punta della Dogana zwischen dem Canal Grande und dem Canale della Giudecca umbauen.

    Um das neue Museum hatte sich auch die New Yorker Guggenheim Stiftung mit einem Entwurf der Architektin Zaha Hadid beworben. Mit der Wohnanlage von Peggy Guggenheim, die nur einen Steinwurf von der Punta della Dogana entfernt liegt, ist die amerikanische Stiftung bereits mit einem Sammlungsbestand in Venedig präsent.

    Eine von der Stadt eingesetzte Kommission konnte sich im Januar nicht zwischen den beiden Einrichtungen entscheiden und verlangte eine Konkretisierung der Bewerbung für das neue Kunstzentrum, das eine feste Sammlung besitzen soll. Dazu sollen Wechselausstellungen in Zusammenarbeit mit der Stadt kommen. Pinault legte eine genaue Liste von 141 Arbeiten u.a. von Keith Haring, Alghiero Boetti, Mario Merz und Mimmo Paladino vor. Sie sollen Bestandteil der Dauerausstellung sein. Guggenheim wollte sich erst nach dem Zuschlag für konkrete Werke entscheiden.

    Bürgermeister Massimo Cacciari verkündigte jetzt, dass Guggenheim somit der Ausschreibung nicht nachgekommen sei. Die Stadt Venedig werde jetzt nur noch mit Pinault weiter verhandeln. Der französische Sammler ist ein Großunternehmer von Luxusmarken wie Gucci, Yves Saint Laurent, dem außerdem noch das Aktionshaus Christie's gehört. Er betreibt in Venedig bereits seit zwei Jahren den Palazzo Grassi. Der Ausstellungspalast ist aber viel zu klein für seine sagenumwobene Sammlung. Angeblich soll sie aus mehr als 2000 Exponaten bestehen, von denen bislang nur wenige hundert Werke gezeigt wurden. Doch möchte die Stadt im spätbarocken Ausstellungspalast kein "Museum Pinault" wachsen sehen, sondern einen Ort haben, in dem neben Teilen der Sammlung Pinault vor allem große kulturelle und auch kulturhistorische Themenstellungen präsentiert werden.

    Deshalb vor allem favorisierte Bürgermeister Massimo Cacciari und die Mitte-Links-Regierung der Stadt Venedig von Anfang an die Bewerbung Pinaults. Guggenheim wurde dagegen von dem Regionalpräsidenten Giancarlo Galan und der Mitte-Rechts-Regierung der Region Venetien unterstützt. Zu erwarten ist, dass Galan, dessen Rivalität zu Cacciari seit Jahren die Lokalpolitik prägt und nicht selten lahm legt, versuchen wird, die reichlich bürokratisch anmutende Entscheidung zu Gunsten Pinaults wieder umzustoßen.

    Bei Guggenheim in Venedig will sich in diesen Tagen niemand äußern. Bereits in den frühen neunziger Jahren hatte es den Versuch von Guggenheim gegeben, nach Entwürfen des Mailänder Architekten Vittorio Gregotti die Punta della Dogana zu einem Museumskomplex umzugestalten. Doch diese Pläne scheiterten damals an einem jahrelangen bürokratisches Fingerhakeln bei der Übergabe des Zollagers von Staat- in Kommunalbesitz. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die New Yorker nach der erneuten negativen Entscheidung über das Bestehende hinaus nicht weiter in Venedig engagieren wollen. Sie werden wohl und nach Alternativen in Italien und am Alpenkranz suchen. Umgekehrt, und das war wohl auch die Befürchtung von Bürgermeister Cacciari, hätte Pinault sich in Venedig weniger engagiert als vorgesehen, wenn er verloren hätte. Die französische Stadt Lille lockte bereits mit einem Museumsbau ganz allein für Pinault.

    So hat die Stadt Venedig mit dieser Entscheidung ihre Bindung an einen wichtigen Partner gestärkt, zugleich aber die an einen anderen geschwächt. Sicher, mit dem neuen Zentrum für Gegenwartskunst und zusammen mit bestehenden Einrichtungen wie Biennale, Palazzo Grassi, Peggy Guggenheim und vielen weiteren kleinen Institutionen wird die Lagunenstadt immer mehr zu einer weltweit bedeutenden Spielstätte von Gegenwartskunst. Aber wäre es nicht doch möglich gewesen, sich an der Punta della Dogana für ein architektonisches Projekt zu entscheiden, dass dann zwei Einrichtungen partnerschaftlich bespielt hätten?