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Venezuela bricht "alle Beziehungen zur kolumbianischen Regierung ab"

Venezuela hat die diplomatischen Beziehungen zum Nachbarn Kolumbien abgebrochen. Kolumbien wirft Venezuela vor, Revolutionäre der kolumbianischen FARC auf seinem Staatsgebiet zu dulden. Ein vermeidbarer Konflikt - hätte Venezuela früher schärfer die Grenzen kontrolliert.

Von Nicole Kohnert |
    Die Hände zittern Daniel immer noch, wenn er Koffer packt. Auf Reisen gehen, das bedeutet in seiner Heimat, der Grenzregion zwischen Kolumbien und Venezuela meistens Schmuggeln. Der Gedanke daran macht den 28-Jährigen immer noch nervös – obwohl er Übung hat, im Schmuggeln.

    "Es war in letzter Zeit sehr schwierig Fleisch zu bekommen. Also bin ich immer über die Grenze nach Kolumbien und hab Fleisch besorgt, es in schwarzen Plastikbeuteln mit dem Bus an der Grenzpolizei vorbeigeschmuggelt. Die haben nichts gemerkt. Bisher hatte ich Glück, die haben mich nie angehalten."

    In Venezuela kann er das Fleisch für den doppelten Preis verkaufen. Fleisch, Milch oder auch Käse waren in den vergangenen Monaten dort Mangelware. Also holte Daniel die Produkte aus Kolumbien. Er musste das schnelle Geld machen, um zu überleben. Auf seiner Tour wurde er von einem Kolumbianer angesprochen. Er habe eine ganz spezielle Reiseagentur. Er bot ihm 2500 Dollar, um richtig zu reisen. Reisen sollte nun bedeuten: Drogen schmuggeln.

    "Die setzen dir einen Floh ins Ohr, wie viel 1000 Dollar du verdienen kannst. Sie kaufen dir teure Kleidung, neue Schuhe, damit du auf den Reisen auch gut aussiehst. Dann geben sie dir Pläne von den Flughäfen, wo du rein sollst, wo welche Polizisten stehen, bringen dir bei, wie du dich bewegen sollst, wie du schauen sollst und wie du nicht nervös wirst."

    Er sollte kleine Tütchen mit Drogen schlucken und schmuggeln. Angst vor Kontrollen müsse er nicht haben. Die Wachleute seien alle gekauft, sowohl an der Grenze als auch am Flughafen – die Militärpolizei zu schmieren, sei immer einfacher geworden.

    Geschmuggelt wird in der Grenzregion zwischen Kolumbien und Venezuela schon immer. Doch in letzter Zeit drohte die Situation außer Kontrolle zu geraten. Der Landstrich ist einer der gefährlichsten Regionen Südamerikas, nicht erst seit der politische Streit zwischen Venezuela und Kolumbien eskaliert ist. Seitdem die Streitkräfte in der Grenzregion in Alarmbereitschaft stehen.

    Schon seit einiger Zeit arbeiten kolumbianische Milizen, Guerillas und Drogenhändler immer enger mit den Schmugglern zusammen. Schon lange rät das Auswärtige Amt wegen der Gefahr von Entführungen von Reisen in die Gegend ab.

    Die Bevölkerung und die Wirtschaft beider südamerikanischer Staaten sind eng verwoben, die Regierungen verfeindeter denn je. Schuld daran sei nicht unbedingt Kolumbien, meint Alexis Balza, politischer Direktor der Grenzregion Tachira:

    "Egal, welcher Präsident in Kolumbien an der Macht ist, er wird immer Probleme mit Chavez haben, so lange er mit diesem Streit die sozialen politischen Probleme in Venezuela verschleiern will. Das war doch auch mit dem Präsidenten Uribe so, erst waren sie befreundet, sogar Brüder, dann zerstritten, weil Chavez den Streit brauchte. Er beschimpfte Uribe als Paramilitär, als Mafiosi, nur um davon abzulenken, wie viele soziale Probleme und Korruption es in seinem Land gibt."

    Alexis Balza schätzt, dass an der Grenze etwa 5000 Familien von Korruption und vom Schmuggel leben - und es werden immer mehr. Balza gehört der Oppositionspartei an –und hat in der Region so gut wie keine Macht. Im zentralistischen Venezuela werden alle Entscheidungen in der Hauptstadt Caracas gefällt – als Oppositionspolitiker kann er für die Bevölkerung nichts tun. helfen/nicht schützen?. Wer von der Situation profitiere, sei die Militärpolizei, also Chavez Männer, beschwert sich der Politiker:

    "Die Militärpolizei kontrolliert den illegalen Handel, den Schmuggel an der Grenze. Da fließt so viel Geld, dass die Wachleute sich selbst Geld in die Tasche stecken, davon profitieren wollen, vor allem, wenn es um Benzin-Schmuggel geht."

    Schätzungsweise 30 Prozent der Fahrzeuge, die die Grenze passieren, schmuggeln subventioniertes Benzin aus Venezuela nach Kolumbien. 17-Jährige Soldaten kontrollieren die Autos – oft winken sie diese nur gelangweilt durch.

    General Franklin Márquez von der Nationalgarde gibt zu, dass es Korruption in seiner Armee gibt:

    "Wir hatten in den vergangenen Jahren fünf, sechs Fälle, um genau zu sein: sieben Soldaten, die vor Gericht kamen, die ein Disziplinverfahren hatten, weil sie Fehler gemacht haben, weil sie den Schmugglern geholfen haben."

    Das Militär verdiene gut, sagt er. Rund 3000 Bolívar, umgerechnet 600 Euro. Zudem werde immer mehr darauf geachtet, dass die Soldaten sich nicht bestechen lassen. Schmuggler Daniel kann darüber nur lachen.

    "Die Militärpolizei arbeitet doch nicht an der Grenze, die gehen da nicht dem Gesetz nach, sondern die stecken sich die Taschen voll – und alle anderen leiden."

    Leiden will Daniel nicht mehr – und auch nicht Schmuggeln. Er hatte Angst, die Kokaintütchen zu schlucken und ist darum die spezielle Reise nie angetreten. Er will aus der Grenzregion abhauen, - vielleicht erwartet ihn in der Hauptstadt Caracas ein besseres Leben.