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Venezuela
"Es gibt keine Pressefreiheit mehr"

Am 23. Januar 2019 erklärte sich Juan Guaidó zu Venezuelas Übergangspräsident. Ein Jahr danach sind die Fronten verhärteter denn je. Für Journalistinnen und Journalisten war es schon vor der Regierungskrise schwierig zu berichten - doch die Situation hat sich weiter verschärft.

Anne-Katrin Mellmann im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 23.01.2020
Der venezolanische Politiker Juan Guaido spricht zu Journalisten.
Juan Guaidó, Oppositionsführer und von rund 60 Staaten anerkannter Interimspräsident Venezuelas - das Interesse der Medien an ihm wird geringer (dpa-Bildfunk / Pedro Ramses Mattey)
Es gebe inzwischen keine Pressefreiheit mehr, sagte ARD-Korrespondentin Anne-Katrin Mellman im Deutschlandfunk. "Die meisten Tageszeitungen können schon lange nicht mehr erscheinen, es gab ein regelrechtes Zeitungssterben in den vergangenen Jahren. Vor allem bezog sich das auf die Provinz, da gibt es so gut wie überhaupt keine Zeitungen mehr." Radio- und Fernsehsender hätten ihre Lizenzen nicht erneuert bekommen, so Mellmann. Die Regierung habe viele herausragende Journalisten mundtot gemacht.
Ein Beispiel für den Umgang mit Journalisten war Anfang des Jahres in der Hauptstadt Caracas zu beobachten gewesen: Dort war Juan Guaidó gerade von den Abgeordneten der venezolanischen Opposition erneut zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt und danach wieder vereidigt worden, als Journalisten, die sich zu der Zeit vor dem Parlamentsgebäude aufhielten, angegriffen und ausgeraubt wurden. Bei den Angreifern soll es sich Medienberichten zufolge um Anhänger von Staatschef Nicolás Maduro gehandelt haben. Unter den Attackierten war auch ein Korrespondent der spanischen Zeitung "El País".
Guaidó will "Rückeroberung" von Telesur
Guaidó, dessen "Popularitätswerte zuletzt stark gesunken sind", wie Anne-Katrin-Mellmann am Jahrestag seiner Selbsternennung zum Interimspräsidenten berichtet, versucht indes, anders Zugriff auf Medien zu erlangen. Nur wenige Tage nach den Angriffen rund um seine Vereidigung erklärte er, gegen den Fernsehsender Telesur vorgehen zu wollen.
Bei einer Kundgebung habe er Aktionen zur "Rückeroberung" des Senders "auf dem Kontinent" angekündigt, berichteten verschiedene Medien. Telesur wurde von Maduros Vorgänger Hugo Chávez als eine Art "lateinamerikanisches CNN" gegründet und hat seinen Sitz in Venezuela. Mehrere Staaten neben Venezuela beteiligen sich am Sendebetrieb.
Auf einer Fassadenplane sind Hugo Chavez und Nicolas Maduro zu sehen, darüber steht das Wort SAIME.
Hugo Chavez, 14 Jahre lang Venezuelas Präsident, und sein Nachfolger Nicolas Maduro gemeinsam auf einem Plakat (Deutschlandradio / Burkhard Birke)
Maduro attackiert unabhängige Medien
In dem Konflikt mit Maduro unterstützen die USA Juan Guaidó. Als jüngst Twitter die Konten mehrere Anhänger Maduros, darunter auch die von Medienhäusern und einzelner Journalisten, sperrte, machte ein ranghoher Militärangehöriger die "unterdrückerische Regierung der Vereinigten Staaten" verantwortlich.
Maduro selbst gehe weiterhin gegen unabhängige Medien vor, berichtet die ARD-Korrespondentin: Medienmacher, die größtenteils ins Internet geflüchtet seien, würden dort oft abgeschaltet. "Und über Guaidó können sie überhaupt nicht berichten, und wenn, können sie ihn nicht Interimspräsidenten nennen."
Venezuela belegt aktuell Rang 148 (von 180) auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. 2018 seien so viele Journalistinnen und Journalisten willkürlich festgenommen wie nie zuvor, darunter auch einige ausländische (wie der Deutsche Billy Sixt), hieß es im letzten Jahresrückblick der Organisation. Viele Medienschaffende hätten das Land verlassen.