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Verband rechnet mit Kostenexplosion bei der Müllentsorgung

Laut der neuen Deponieverordnung soll künftig mehr Müll verbrannt werden und nicht mehr unbehandelt auf Deponien landen. Nach Ansicht der mittelständischen Entsorger werden die Betreiber von Müllverbrennungsanlagen die Preise erhöhen. Er erwarte Steigerungen von 30 bis 60 Prozent, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe Hans-Günther Fischer im Interview.

    Heuer: Spätestens bei Begriffen wie technische Anleitung Siedlungsabfall oder Abfallablagerungsverordnung schaltet Otto-Normal-Verbraucher rasch ab. Bleiben Sie bitte trotzdem dran, denn hinter den Wortungetümen verbirgt sich etwas, womit jeder von Ihnen tagtäglich zu tun hat. Es geht um Ihren Hausmüll, darum, wie er beseitigt wird und was Sie das alles kostet, darum, dass Ihre Müllgebühren vermutlich drastisch steigen werden, denn ab heute darf nur noch sehr wenig Müll deponiert werden, er muss vorsortiert und dann gleich verbrannt oder biologisch verrottet werden. Das ist gut für die Umwelt, aber es ist schlecht fürs Portemonnaie der Bürger und eine Marktchance ist es möglicherweise für die mittelständischen Entsorger, die der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung vertritt. Sein Hauptgeschäftsführer ist jetzt am Telefon, guten Morgen Hans-Günther Fischer.

    Fischer: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Können Sie uns sagen, wie viel teurer die Müllentsorgung ab heute für die Bürger wird?

    Fischer: Auf jeden Fall müssen die Gebührenzahler schon mir entsprechenden Steigerungen rechnen. Wenn ich den Aussagen bestimmter Branchenverbände glauben darf, dann ist da die Rede von 30 bis 60 Prozent Gebührensteigerung und das sogar nach bisheriger Verbrennung. Ich sehe dies schon als eine Entwicklung, die einer Steuererhöhung gleichkommt, deshalb sage ich auf der anderen Seite: wir kennen die Anlagen, die alten Preise und haben schon den Eindruck, dass hier in teils unverschämter Manier an der Preisschaukel gedreht wird.

    Heuer: Wer dreht denn da?

    Fischer: Es sind in erster Linie die Konzerne, diejenigen, die hier in Müllverbrennungsanlagen investiert haben. Ich glaube, dass die jetzt schon die Situation schamlos ausnutzen, dass so eine begrüßenswerte Verpflichtung zur Behandlung von Abfall umgesetzt werden muss. Wenn man die Preise der Vergangenheit sieht, da war die Rede von 80 Euro je Tonne, jetzt plötzlich 180 Euro, die von mittelständischen Unternehmen verlangt werden, die keine entsprechenden Kapazitäten haben. Die müssen zu diesem Preis das Material andienen. Gleichzeitig gehen aber diese großen Konzerne an die Endkunden dieser Mittelständler heran und sagen: ihr Kunden könnt uns das Material für 100 Euro je Tonne geben. Das ist so ein bisschen Kapitalismus pur und wenn die Anlagenbetreiber damit durchkommen, dann gibt das schon eine gewaltige Kostenexplosion.

    Heuer: Gibt es denn eine Chance aus Ihrer Sicht, dass die Betreiber damit nicht durchkommen?

    Fischer: Wir sagen, es muss hier einen Schutz vor massivem Missbrauch geben, gerade beim Nadelöhr Müllverbrennungsanlagen und als Anwalt des Mittelstandes schlagen wir vor, dass der Wettbewerb hier institutionell geschützt werden muss. Müllverbrennungsanlagen sind zentrale öffentliche Infrastrukturleistungen, das heißt, hier muss vor allen Dingen von Anfang an der Missbrauch unterbunden werden, es müssen Kriterien für eine wettbewerbskonforme Preisbildung festgelegt werden, um hier ein eigenes Gleichgewicht im Markt zu bekommen. Das gibt es in anderen Bereichen. Das gab es in der Telekommunikation, das gibt es im Bereich der Energiewirtschaft und wir sind deshalb der Auffassung, dass dies in Zukunft auch hier im Bereich der Abfallentsorgung stattfinden soll um gerade bevorstehenden Fehlentwicklungen gegenzusteuern.

    Heuer: Sie fordern also eine Regulierungsinstanz. Nehmen wir an, die würde es geben, können Sie denn versprechen, dass die Mittelständler billiger arbeiten als die Großkonzerne?

    Fischer: Sie sind in der Regel immer in der Lage, unter fairen Wettbewerbsbedingungen Preise anzubieten, die wettbewerbskonform sind und das kommt den Verbraucher zugute und vor allem auch der Vielfalt des Marktes, seiner Innovationsfähigkeit und letztendlich auch den Arbeitsplätzen, denn der Mittelstand ist der Bereich, der hier Arbeitsplätze schafft.

    Heuer: Wenn Sie mehr Chancen bekämen, würden die Müllgebühren nicht um die von Ihnen genannten 30 bis 60 Prozent steigen?

    Fischer: So ist es.

    Heuer: Wie gut ist das Geschäft, das Sie damit machen? Das ist doch eine Riesenmarktchance für Sie.

    Fischer: Es ist eine Marktchance für Unternehmen, die innovativ sind, die hier sekundär Rohstoffpotentiale weiter ausschöpfen. Gerade für unsere rohstoffarme Volkswirtschaft ist das ein ganz entscheidender Gesichtspunkt. Aber wichtig ist dabei, dass ein fairer Zugang zu den Müllverbrennungsanlagen besteht. Wir kennen ja die Erfahrung aus Nordrhein-Westfalen, wo der Mittelstand systematisch ausgesperrt wurde und wir wissen auch, was hier an negativen Entwicklungen zustande gekommen ist. Die Politik ist aufgerufen, hier entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen und dann bin ich mir sicher, dass hier auch positive Entwicklungen für den Verbraucher zustande kommen. da werden wir übrigens auch von den Umweltverbänden und Kommunalspitzenverbänden unterstützt.

    Heuer: Gibt es eine positive Entwicklung auch was Arbeitsplätze im Mittelstand angeht?

    Fischer: Die kommt nach unserer Auffassung dann zustande, wenn auch die Getrennthaltung weiter aufrechterhalten bleibt, denn hier werden schon viele Arbeitsplätze geschaffen. Es gibt ja von interessierter Seite im Moment den Versuch, über eine Mischerfassung und riesige Behandlungsanlagen angeblich ökologisch bessere Ergebnisse zu erzielen. Da wird Ökodumping praktiziert, da werden auch die Kosten weiter steigen und dann werden auch für den Verbraucher nicht weitere Wahlmöglichkeiten gegeben sein. Vielfalt im Markt, Trennung weiterhin der Materialien, das Ausschöpfen von weiteren Sekundärrohstoffpotentialen, das haben unsere Unternehmen über Jahrzehnte hinweg hervorragend praktiziert und wenn die Rahmenbestimmungen weiterhin stimmen und gesetzt werden, dann sehe ich das positiv.

    Heuer: Also mehr Recycling, weniger Müll, der übrigbleibt. Der Müll, der aber übrigbleibt, wird entweder verrottet oder verbrannt. Stellt sich die Frage: gibt es eigentlich überall in Deutschland genug Verbrennungsanlagen?

    Fischer: Was den Hausmüll angeht ja, es gibt ja hier einen Mix aus Verbrennungsanlagen und mechanisch-biologischen Vorbehandlungsanlagen. Es wird sich vor allen Dingen zeigen, ob im Bereich der Ersatzbrennstoffe Herstellungen des Ersatzbrennstoffeinsatzes noch Kapazitäten gebraucht werden.

    Heuer: Da geht es darum, dass Müll, der verbrannt wird, energetisch genutzt werden kann.

    Fischer: So ist es, beispielsweise in Zementwerken, in Kraftwerken. Das ist auch eine Chance, hier Rohstoffe einzusparen, das Stichwort Ökoeffizienz wird ja überall genutzt im Umweltbereichen. Das ist schon ein wichtiger Faktor, um andere Primärrohstoffe dann einsparen zu können.

    Heuer: Dass Müll innerhalb Deutschland oder auch in Europa von Ort zu ort gefahren wird zu den Verbrennungsanlagen, also einen neuen Mülltourismus, schließen Sie aus?

    Fischer: Nein, weil ich schon höre, dass hier Großunternehmen in angrenzenden europäischen Staaten entsprechende Behandlungsanlagen aufgebaut haben und auch die Materialien hintransportieren und dann natürlich zu neidigeren Standards das Material behandeln. Hier muss mehr Transparenz erfolgen, auch mehr Kontrolle, was letztendlich mit den Abfällen dort geschieht.