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Verbesserte Stoffwechsel-Ausbeute
Biochemiker: Hohe Erträge bei Nutzpflanzen möglich

Forscher haben Tabakpflanzen genetisch so verändert, dass ihre Photosynthese effizienter verläuft. Dadurch können sie bis zu 40 Prozent mehr Biomasse bilden. "Wenn man das überträgt auf andere Nutzpflanzen, wäre das ein ganz erheblicher Durchbruch", sagte Biochemiker Andreas Weber im Dlf.

Andreas Weber im Gespräch mit Michael Böddeker | 04.01.2019
    Tabakpflanzen auf einem Feld
    Forscher haben Tabakpflanzen genetisch so verändert, dass bei der Photosynthese erheblich weniger Energie verlorengeht (Imago / CHROMORANGE)
    Michael Böddeker: Rubisco – das ist vielleicht das wichtigste Enzym auf der Erde. Auf jeden Fall ist es eines der häufigsten. In den grünen Pflanzen sorgt es für die Photosynthese. Oder genauer: Dafür, dass CO2 aus der Luft in der Biomasse der Pflanzen fixiert wird, in Zucker zum Beispiel. So wird aus Sonnenenergie letztlich auch Nahrung, die dann Energie für andere Lebewesen liefert. Das funktioniert an sich schon ganz gut.
    Allerdings gibt es ein kleines Problem: In einer Nebenreaktion verwendet das Enzym nicht Kohlendioxid, also CO2, sondern auch Sauerstoff, also O2. Lichtatmung wird dieser Prozess auch genannt, oder Photorespiration.
    Und wegen dieser zweiten Nebenreaktion mit dem Sauerstoff ist die Photosynthese unterm Strich nicht ganz so effizient, wie sie sein könnte.
    Ein Forscherteam aus den USA berichtet jetzt aber in "Science" über eine deutliche Verbesserung der Energieausbeute. Sie haben dafür Tabak-Pflanzen genetisch verändert.
    Einen einordnenden Begleit-Artikel für "Science" hat Andreas Weber von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf verfasst. Er ist dort Leiter des Instituts für Biochemie der Pflanzen. Ihn habe ich vor der Sendung gefragt: Wie viel Energie geht einer Pflanze denn so verloren durch diese Photorespiration?
    Andreas Weber: Das hängt vom Typ der Photosynthese ab. Es gibt zwei verschiedene Arten von Photosynthese. In Landpflanzen, unsere meisten Nutzpflanzen, benutzen die C3-Photosynthese, und dort werden, je nach Umgebungsbedingungen, nehmen wir einfach mal eine Temperatur von 25 Grad an, bis zu 30 Prozent der gesamten Photosyntheseleistung durch die Photorespiration verloren.
    Mehr Umwandlung in CO2, weniger Sauerstoffbindung
    Böddeker: Jetzt haben die US-Forscher Tabak genetisch verändert, damit eben genau das nicht passiert. Wie haben Sie das gemacht?
    Weber: Vielleicht müssen wir uns zunächst erst mal den Prozess der Photorespiration anschauen, was da eigentlich passiert. Wenn das Enzym Rubisco, das Sie ja bereits erwähnt haben, Sauerstoff bindet und mit Sauerstoff reagiert, entsteht eine toxische Verbindung, die die Pflanze entgiften muss, und im Verlauf dieses Entgiftungsprozesses wird Energie verbraucht. Was die Forscher in den USA jetzt geschafft haben, ist es, einen neuen Weg für die Entgiftung dieses Metaboliten in die Tabakpflanzen einzubauen, der zum Teil abgeleitet ist vom bakteriellen Stoffwechsel, zum Teil abgeleitet ist von Eigenstoffwechsel und der komplett innerhalb des Chloroplasten abläuft.
    Böddeker: Und wenn ich es richtig verstanden habe, führt dieser Umweg, dieser neue Stoffwechselweg auch dazu, dass mehr CO2 in der Zelle freigesetzt wird, ist das richtig?
    Weber: Ja, im Prinzip wird der toxische Metabolit, der in der Photorespiration entstanden ist, komplett in CO2 umgewandelt. Das macht die natürliche Photorespiration etwas anders, da werden nur 25 Prozent der Kohlenstoffatome in dem toxischen Metaboliten umgewandelt in CO2. In dem neuen Weg wird das komplett umgewandelt, und das passiert aber nicht wie in der natürlichen Photorespiration in den Mitochondrien, sondern direkt innerhalb der Chloroplasten, direkt neben dem Enzym Rubisco, und deswegen wird lokal die CO2-Konzentration erhöht, und das wird wohl dazu beitragen, dass die Photosynthese hier effizienter ablaufen kann.
    Böddeker: Weil bei einer höheren CO2-Konzentration öfter CO2 dann genommen wird von dem Enzym als Sauerstoff O2?
    Weber: Genau, ja. Wir haben in der Atmosphäre ja 20 Prozent Sauerstoff und nur 0,04 Prozent CO2. Das heißt, der Sauerstoff ist sehr, sehr abundant, und je mehr CO2 wir hier in Richtung in die Nähe der Rubisco bringen, umso effizienter kann die arbeiten, weil sie nicht mehr so stark mit dem Sauerstoff kompetiert.
    Übertragbarkeit auf andere Pflanzen wahrscheinlich
    Böddeker: Jetzt haben die Forscher das mit Tabakpflanzen gemacht. Ließe sich das auch auf andere landwirtschaftliche Nutzpflanzen übertragen?
    Weber: Das ist natürlich jetzt die nächste Fragestellung, die man angehen muss. Tabak war insofern eine gute Wahl, weil es tatsächlich eine richtige Nutzpflanze ist, die auch, man nennt das: eine Canopy bilden. Das heißt also, letztendlich wird der gesamte Boden durch Blattmaterial beschattet und Lichtenergie sehr effizient aufgenommen. Das heißt also, der Tabak ist ein gutes Vergleichsmodell für herkömmliche oder für normale Nutzpflanzen wie zum Beispiel auch Getreide.
    Es muss aber jetzt erst noch gezeigt werden, dass es auch in anderen Nutzpflanzen funktioniert. Es ist allerdings sehr vielversprechend, da bereits mit einfacheren Bypasses von anderen Gruppen vorher gezeigt worden ist, zum Beispiel in Kartoffeln, dass sich der Ertrag durch solche Bypässe sehr stark erhöhen lässt.
    Enorme Ertragssteigerung
    Böddeker: Wie stark verändert sich denn der Ertrag jetzt zum Beispiel auch bei den Tabakpflanzen? Inwiefern wachsen die jetzt anders als vorher?
    Weber: Bei diesen Tabakpflanzen wird bis zu 40 Prozent mehr Biomasse gebildet, und wenn man das überträgt auf andere Nutzpflanzen, wäre das ein ganz erheblicher Durchbruch, weil in der normalen Pflanzenzüchtung werden von Jahr zu Jahr normalerweise nur zwischen ein und zwei Prozent Ertragszuwachs erreicht. Eine derartig hohe Ertragssteigerung wird durch normale Züchtungen typischerweise nur im Zeitraum von Jahrzehnten und nicht im Zeitraum von wenigen Wochen oder Monaten erreicht.
    Böddeker: Jetzt wird ja schon lange daran gearbeitet, diesen Prozess der Photorespiration in den Pflanzen zu verringern. Das haben schon viele Forschergruppen lange Zeit versucht. Ist das jetzt der Durchbruch, was das angeht?
    Weber: Wie gesagt, man muss zeigen, dass es auch in anderen Nutzpflanzen funktioniert. Wenn dem so ist, ist es tatsächlich ein Durchbruch. Es gibt auch von der ganzen Reihe von weiteren Gruppen noch Ideen, wie man das noch besser machen könnte. Wahrscheinlich geht es noch effizienter, aber für das, was bislang sozusagen veröffentlicht ist, ist das eindeutig das beste System.
    Nutzpflanzen hätten in natürlicher Umgebung keine Chance
    Böddeker: Wenn man jetzt effizientere Pflanzen hat und mehr Ertrag, das klingt ja alles erst mal gut, aber sind diese Pflanzen dann nicht den natürlichen Pflanzen mal evolutionär gesehen haushoch überlegen? Also was wäre, wenn die mal in die freie Natur gelangen?
    Weber: Nein, das gilt grundsätzlich nicht für Nutzpflanzen. Unsere Nutzpflanzen sind alle abhängig von der intensiven Betreuung durch den Landwirt. Die sind ja schon sehr effizient, auch im Vergleich zu anderen Wildpflanzen, brechen in der Regel aber nicht in die Natur aus. Man hat ja noch nicht beobachtet, dass sich zum Beispiel Mais oder Reis oder Gerstenfelder sich weiter ausbreiten würden. Im Verlauf der Züchtung, im Verlauf der Domestikation haben die Nutzpflanzen sehr viele Eigenschaften verloren, die Sie brauchen, um in der Evolution, in einer natürlichen Evolution, zu überleben, wie zum Beispiel ihr Samengut verteilen zu können oder sehr resistent gegen Pilz und bakterielle Erkrankungen zu sein, gegen Schädlinge. Alles das hat man den Nutzpflanzen im Verlauf der Domestizierung über die letzten 5.000 Jahre abtrainiert. Deswegen sind die auch so relativ ertragreich. In der natürlichen Umgebung hätten die wahrscheinlich gar keine Chance zu überleben. Effizienz ist einfach nicht alles. Das funktioniert nur, wenn keine Kompetition durch andere Pflanzen da ist. Das funktioniert nur, wenn genügend Nährstoffe da sind, es funktioniert nur, wenn der Landwirt dafür sorgt, dass die Wachstumsbedingungen so sind, wie es für die Nutzpflanze erforderlich ist. Wenn sie sich in der natürlichen Umgebung durchsetzen müsste, würde sie gegen die natürliche Vegetation relativ wenig Chancen haben.
    Böddeker: Sagt Pflanzen-Biochemiker Andreas Weber von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Wir haben über ein neues Verfahren gesprochen, das die Photosynthese deutlich effizienter macht als bisher.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.