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Verbeugung vor einem großen Humoristen

Dietmar Burdinski hat die deutsche Comedy-Szene auf und hinter der Bühne geprägt. Er gehörte zur Gründungsgeneration des "Quatsch Comedy Clubs" und schrieb bis zum seinem Tod 2010 vor allem für andere Stars der Branche. "Das Buch Dietmar" gibt jetzt einen Überblick über sein geniales Schaffen.

Von Oliver Kranz |
    Eigentlich geht das gar nicht - eine Gedenkveranstaltung im Comedy-Club. Bei Dietmar Burdinski aber schon. Schließlich ist auch die Idee zur Veröffentlichung seines Lebenswerks auf einer Beerdigung entstanden.

    Rainald Grebe: "Ich habe eine Rede gehalten auf der Beerdigung von Dietmar Burdinski und schaute in die Gesichter von den vielen Freunden und Kollegen und habe gedacht: wir machen ein Buch."

    Rainald Grebe war mit Burdinski befreundet. Er verwendet Burdinskis Gags in seinen Programmen, und spricht manchmal sogar in Burdinskys Tonfall. Doch das war für ihn nicht der einzige Grund, "Das Buch Dietmar" herauszubringen.

    Burdinski war dabei, als 1992 in Hamburg der Quatsch-Comedy-Club gegründet wurde. Comedy war damals neu in Deutschland und löste einen regelrechten Hype aus. Das Kabarett mit seinem Schwerpunkt auf politischen Themen wurde links liegen gelassen. Man erzählte völlig alltägliche Dinge auf der Bühne – nur lustig musste es sein.

    Burdinski hätte in der neuen Szene ein Star werden können, doch seine Gesundheit machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Ab Mitte der 90er-Jahre konnte er nicht mehr auftreten und beschränkte sich darauf, für andere zu schreiben. In gewisser Weise dokumentiert "Das Buch Dietmar" 20 Jahre deutsche Humorgeschichte. Bevor Burdinsky mit Comedy sein Geld verdiente, war er Polizist und Computerverkäufer.

    "Also der hat, bis er 30 war, was ganz anderes gemacht, und daraus schöpfte er seine Sachen. …Die Sachen sind sehr krude, sehr speziell und sehr schüchtern manchmal. Also es ist mein Humor. Ich stehe da total drauf."

    Sagt Rainald Grebe. Er hat dem Buch auch eine CD beigelegt.

    Szene mit Dietmar Burdinski: "Wissen Sie, ich bin Zahnarztgattin (Lachen) und oft unter Menschen. Für mich zählen nur gepflegtes Zahnfleisch, Airbag plus Calcium und eine serienmäßige Beuteltasche. Und auch von meinen Schuhsohlen verlange ich strahlende Gesundheit."

    Rainald Grebe: "Worum geht es da eigentlich? Das ist die Frage. Es spielt natürlich immer mit Sinn, und da gibt es natürlich verschiedene Modelle. Manchmal hat er klassische Sketche, die sich aber auch ins Nirwana auflösen. Die Grundschule der Komik."

    Szene mit Dietmar Burdinski: "Ich weiß noch ganz genau, als mein Großvater seine ersten Zähnchen bekam. Er war damals vier. Heute bin ich selber vier. (Lachen)"

    Burdinski ist ein Nonsens-Komiker, einer, der sich nicht einfach über Dinge lustig macht, sondern die Themen, über die er spricht, gleichsam zersprengt:

    Szene mit Dietmar Burdinski: "Und gerade ich als Zahnarztmutter werde sehr oft gefragt: Würden Sie Ihr Kind in Doornkaat baden? (Lachen) Nee, aber gut zu wissen, dass ich es könnte. (Lachen)"

    Rainald Grebe: "Das geht hinten durch die Brust ins Knie, durchs Auge. Ich bringe das schon fast in Zusammenhang mit Dadaismus, surrealem Schreiben oder Verrücktenkunst. Das schrammt daran vorbei. Natürlich berührt es manchmal das klassische Genre, aber es ist weitreichender."

    Und deshalb hat Rainald Grebe Burdinskis Schaffen so umfassend dokumentiert. Neben ausformulierten Bühnentexten sind auch Tagebuchnotizen dabei, Buntstiftzeichnungen und viele Briefe, die Burdinski an deutsche Unternehmen und Behörden schrieb. Auch ein Brief an den Fußballverein MSV Duisburg ist dabei. Burdinski stellt sich als rüstiger Pensionär vor und bittet darum, beim Training mitmachen zu dürfen:

    "Ganz bewusst habe ich mir den MSV Duisburg ausgesucht, da ich täglich vor- und nachmittags auf Bundesliganiveau gefordert werden will und keine Lust habe, auf dem Aschenplatz mit ungelenken Freizeitkickern aus der Kreisliga C rumzugurken. (Lachen) Sicher, ich bin nicht mehr der Jüngste und rauche 60 Zigaretten am Tag (Lachen), trotzdem traue ich mir die Trainingsbelastungen zu."

    Was passiert, wenn solche Briefe auf professionelle PR-Abteilungen treffen, ist im Buch dokumentiert. Die meisten Antwortschreiben lesen sich wie ein Lexikon für freundlich abwiegelnde Höflichkeitsfloskeln.

    Rainald Grebe: "Das ist halt wirklich Deutschland live. Man merkt, das stimmt alles. Das muss man sehen, das muss man lesen. Da gibt es Bilder dazu."

    Denn im "Buch Dietmar" sind nicht nur die Briefe als Faksimile abgedruckt, sondern auch Zeichnungen, mit denen Burdinski die Texte kommentierte.

    Heute Abend werden seine Wegbegleiter aus dem Buch vorlesen. Neben Rainald Grebe sollen u.a. Thomas Hermanns, Oliver Dittrich und der Zeichner Rattelschneck auftreten. Und eines ist sicher: Obwohl der Abend eine Gedenkveranstaltung ist, wird es viel zu lachen geben.