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Verblasster Glanz

Das Festival der zwei Welten im umbrischen Spoleto hat gestern in seiner 51. Ausgabe begonnen und gilt als Italiens berühmtestes Sommerfestival. Gegründet wurde es 1958 von dem Komponisten Gian Carlo Menotti, der jedoch im letzten Jahr starb. Auch wenn der Name des Festivals bleibt, in diesem Jahr hat es eigentlich fast nichts mehr mit Menotti senior zu tun, denn dessen Sohn Francis Menotti war bereits im Januar vom damaligen Kulturminister entmachtet worden.

Von Thomas Migge |
    Während das Orchester die Ouvertüre spielt schreiten durch verschiedene Eingänge im Parkett Inderinnen mit Kerzen in den Händen Richtung Bühne. Auf der Bühne zeigt sich ein aufgebrachtes buntes Volk von Indern: Mongolen sind in die indische Stadt eingefallen.

    Mit dem Opéra-Ballet "Padmavati" von Albert Roussel, aus dem Jahr 1923, begann am Freitag das diesjährige Spoleto-Festival. Eine Mega-Oper: mit echten Tieren auf der Bühne, darunter sogar ein Elefant, mit langen Balletteinlagen und opulenten Bühnenbildern. Das Werk erzählt die Legende vom Mogul-Sultan, der Padmavati, die Frau seines Hindu-Feindes begehrt. Das Werk, unüberhörbar von Strawinsky und Debussy beeinflusst, hatte erst vor kurzem am Pariser Teatre Chatelet einen großen Erfolg.

    Auch wenn der Name auf den ersten Blick der gleiche ist und auf allen Plakaten von der 51. Ausgabe die Rede ist: beim angesehensten und ältestes Sommerfestival Italiens, dem "Festival dei due Mondi", hat sich vieles grundlegend verändert: Zum ersten Mal wird ein Programm präsentiert, das nicht mehr von Festivalgründer und Komponist Gian Carlo Menotti oder von seinem Sohn Francis zusammengestellt wurde. Dazu der Musikkritiker Franco Soda von der Zeitschrift "Amadeus":

    "In den letzten Jahren hatte Menottis Sohn Francis die künstlerische Leitung übernommen. Nach dem Tod seines Vaters betreute er zwar noch die 50. Ausgabe des Festivals, wurde danach aber aus der Direktion geworfen. Der damalige Kulturminister Francesco Rutelli nominierte den Regisseur Giorgio Ferrara, der vorher das italienische Kulturinstitut in Paris geleitet hatte."

    In den Medien war von der "Entmachtung des Menotti-Clans" die Rede. Minister Rutelli war der Kragen geplatzt: das Budget des Festivals in Höhe von fünf Millionen Euro kommt zu 70 Prozent aus dem Kulturministerium. Den Rest finanzieren Sponsoren. Das Geld wurde und wird auch noch heute vom Kulturministerium an die staatliche "Fondazione Festival dei due Mondi" überwiesen und ging bis letztes Jahr von dort an die private "Fondazione Festival", der Menotti Junior vorsteht. Doch weder Vater noch Sohn Menotti legten jemals nach Abschluss der Festivalausgaben Bilanzen vor. Ständig wurde darüber spekuliert, ob und wie viel die Menottis von den öffentlichen Geldern in ihre privaten Kassen wandern ließen.

    Franco Soda: "Man wartete den Tod von Gian Carlo Menotti ab, um Schritte gegen den Sohn zu übernehmen. Den Minister störte es auch, dass beim Festival eine fast schon monarchische Erbfolge im Gange war; so wollte Francis in ein paar Jahren das Festival seinem ältesten Sohn vermachen. Bei einem mit öffentlichen Geldern finanziertem Festival ist so etwas natürlich nicht möglich."

    So kam es Anfang dieses Jahres zum Bruch. Francis Menotti wurde davongejagt. Er verklagte die Stiftung, die seiner Meinung nach das eingetragene Markenzeichen "Festival dei due Mondi" widerrechtlich benutze - und verlor in erster Instanz. Der neue Festivaldirektor Giorgio Ferrara und die Anwälte des Kulturministers änderten schließlich einfach die Schriftgrafik und aus dem ausgeschrieben Wort "due", zu deutsch zwei, wurde eine Ziffer. Damit war man rechtlich aus dem Schneider.

    Giorgio Ferrara, der immer wieder betont, dass die 51. Ausgabe des Festivals in der Tradition der vorherigen Ausgaben steht, änderte radikal das Veranstaltungskonzept:

    "Es bleibt der Geist Menottis, also ein Festival mit Musik, Theater, Ausstellungen, mit Ballett und Film. Doch in den letzten zehn Jahren wurde das Sprechtheater total vernachlässigt."

    So gibt es jetzt nur noch eine einzige Oper und nur einige wenige Konzerte. Von musikalischen Eigenproduktionen, für die das alte Festival berühmt war, ist keine Rede mehr. Der Löwenanteil des neuen Festivals besteht in diesem Jahr aus französischsprachigem Schauspiel: Inszenierungen von Luc Bondy und Gilbert Désvaux, mit bekannten Schauspielern wie zum Beispiel Michel Aumont. Ein anspruchsvolles Programm. Berechtig ist aber die Frage, wer sich das anschauen wird: das Festival in Spoleto ist nicht das Festival in Aix-en-Provence oder Avignon - und die Italiener sind dafür bekannt, dass sie fremdsprachiges Schauspiel wie die Pest meiden. So befürchtet die Zeitung "Corriere della sera" schon jetzt einen "Riesenflop".