Reuning: Frau Raabe, was war es denn, was den Zusammenbruch dieser Männer bewirkt hat?
Raabe: Man hatte ja überlegt, dass das möglicherweise Verunreinigungen des neuen Medikaments sein könnten, dass beim Herstellungsprozess etwas schiefgegangen ist, das hat man jetzt untersucht. Das war es nicht. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man sich mit der Dosis vertan hat. Es ging ja darum, zu testen, ist dieser neue Wirkstoff vielleicht giftig, und dann fängt man mit ganz, ganz geringen Dosen erst an. Die Affen im Tierversuch hatten eine 500fache Dosis erhalten. Das konnte man auch ausschliessen, man hat sich nicht vertan. Schon diese geringe Dosis hat diese Reaktion hervorgerufen. Und inzwischen ist wirklich klar, der Auslöser für diese Reaktion war tatsächlich der Wirkstoff selber. Ein Antikörper, ein künstlicher Antikörper mit dem Namen TGN 1412. Der hat das bewirkt.
Reuning: Wie kann man sich den Mechanismus vorstellen, was hat der Stoff im Körper bewirkt?
Raabe: Dieser künstliche Antikörper greift im Immunsystem an, und zwar soll er eine übermäßige Immunreaktion unterbinden. Er aktiviert also sogenannte regulatorische T-Zellen, das sind Zellen des Immunsystems, die die anderen Zellen der Immunabwehr so in Schach halten. Und diesen Effekt wollte man nutzen bei Patienten mit Autoimmunkrankheiten, zum Beispiel bei Rheuma. Da ist eine übermäßige Immunreaktion eine Ursache für diese Erkrankung, und da sollte dieser Wirkstoff ansetzen. Stattdessen hat er aber nicht diese regulatorischen T-Zellen, die die anderen in Schach halten sollen, aktiviert, sondern genau das Gegenteil. Er hat andere Zellen aktiviert, so genannte T-Helferzellen, und die machen genau das Gegenteil, die bewirken eine überschießende Immunreaktion. Und zwar einen so genannten Cytokin-Sturm, das sind Substanzen, die das Immunsystem freisetzt, die dann die Organe angegriffen haben und letztendlich das Organversagen bei den Versuchspersonen bewirkt haben.
Reuning: Das erklärt aber noch nicht die Unterschiede zum Tierversuch?
Raabe: Die Tierversuche haben keinen Hinweis darauf gegeben, das muss man den Forschern auch wirklich glauben. Aber natürlich kann man nicht alles vom Tier auf den Menschen übertragen. Da muss man sich die Wirkmechanismen genauer angucken. Und zwar greift dieser künstliche Antikörper bei einem so genannten CD28-Rezeptor an. Das ist eine Bindungsstelle an der Oberfläche von T-Zellen. Und es gibt mehrere Arten von T-Zellen im Immunsystem. Die einen, die die anderen Zellen in Schach halten und eine überschießende Immunreaktion verhindern, da sollte ja dieser Antikörper wirken. Und es gibt andere Zellen, diese T-Helferzellen, die auch einen CD28-Rezeptor haben, die eher diese überschießende, diese übermäßige Immunreaktion, die man ja auch letztlich bei den Versuchspersonen festgestellt hat, bewirken. Und jetzt sind diese Rezeptoren beim Menschen und beim Affen, man hat ja einen Affenversuch gemacht, eigentlich identisch. Aber ein feiner Unterschied ist. Dieser Antikörper, den man getestet hat, das war ein den menschlichen Antikörpern nachgemachter, künstlich gemacht worden, aber er hatte, sah so aus, wie menschliche Antikörper normalerweise so aussehen. Und diese menschlichen Antikörper, die haben die Eigenschaft, dass sie eine Bindungsstelle haben, und da hat der richtig gebunden, an dieses Oberflächeneiweiß, dieses CD28, an diesen T-Zellen, und sie haben einen Schwanz. Und mit diesem Schwanz sind sie manchmal nicht auch aktiv, aber sie können auch mal an andere Rezeptoren binden. Und möglicherweise hat dieser künstliche Antikörper schon an die regulatorischen T-Zellen gebunden, aber mit seinem Schwanz an die anderen T-Helferzellen, die dann diese übermäßige Immunreaktion hervorgerufen haben.
Reuning: Hätten die Forscher das nicht vielleicht doch ahnen können?
Raabe: Na ja, dass dieser Antikörper, dieser menschliche Antikörper im Tier anders arbeitet als im menschlichen Körper, hätte man sich theoretisch überlegen können. Und es gab auch Studien, die Hinweise darauf gegeben haben, aber Studien von anderen Forschern, und die hätten die durchaus kennen können.
Raabe: Man hatte ja überlegt, dass das möglicherweise Verunreinigungen des neuen Medikaments sein könnten, dass beim Herstellungsprozess etwas schiefgegangen ist, das hat man jetzt untersucht. Das war es nicht. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man sich mit der Dosis vertan hat. Es ging ja darum, zu testen, ist dieser neue Wirkstoff vielleicht giftig, und dann fängt man mit ganz, ganz geringen Dosen erst an. Die Affen im Tierversuch hatten eine 500fache Dosis erhalten. Das konnte man auch ausschliessen, man hat sich nicht vertan. Schon diese geringe Dosis hat diese Reaktion hervorgerufen. Und inzwischen ist wirklich klar, der Auslöser für diese Reaktion war tatsächlich der Wirkstoff selber. Ein Antikörper, ein künstlicher Antikörper mit dem Namen TGN 1412. Der hat das bewirkt.
Reuning: Wie kann man sich den Mechanismus vorstellen, was hat der Stoff im Körper bewirkt?
Raabe: Dieser künstliche Antikörper greift im Immunsystem an, und zwar soll er eine übermäßige Immunreaktion unterbinden. Er aktiviert also sogenannte regulatorische T-Zellen, das sind Zellen des Immunsystems, die die anderen Zellen der Immunabwehr so in Schach halten. Und diesen Effekt wollte man nutzen bei Patienten mit Autoimmunkrankheiten, zum Beispiel bei Rheuma. Da ist eine übermäßige Immunreaktion eine Ursache für diese Erkrankung, und da sollte dieser Wirkstoff ansetzen. Stattdessen hat er aber nicht diese regulatorischen T-Zellen, die die anderen in Schach halten sollen, aktiviert, sondern genau das Gegenteil. Er hat andere Zellen aktiviert, so genannte T-Helferzellen, und die machen genau das Gegenteil, die bewirken eine überschießende Immunreaktion. Und zwar einen so genannten Cytokin-Sturm, das sind Substanzen, die das Immunsystem freisetzt, die dann die Organe angegriffen haben und letztendlich das Organversagen bei den Versuchspersonen bewirkt haben.
Reuning: Das erklärt aber noch nicht die Unterschiede zum Tierversuch?
Raabe: Die Tierversuche haben keinen Hinweis darauf gegeben, das muss man den Forschern auch wirklich glauben. Aber natürlich kann man nicht alles vom Tier auf den Menschen übertragen. Da muss man sich die Wirkmechanismen genauer angucken. Und zwar greift dieser künstliche Antikörper bei einem so genannten CD28-Rezeptor an. Das ist eine Bindungsstelle an der Oberfläche von T-Zellen. Und es gibt mehrere Arten von T-Zellen im Immunsystem. Die einen, die die anderen Zellen in Schach halten und eine überschießende Immunreaktion verhindern, da sollte ja dieser Antikörper wirken. Und es gibt andere Zellen, diese T-Helferzellen, die auch einen CD28-Rezeptor haben, die eher diese überschießende, diese übermäßige Immunreaktion, die man ja auch letztlich bei den Versuchspersonen festgestellt hat, bewirken. Und jetzt sind diese Rezeptoren beim Menschen und beim Affen, man hat ja einen Affenversuch gemacht, eigentlich identisch. Aber ein feiner Unterschied ist. Dieser Antikörper, den man getestet hat, das war ein den menschlichen Antikörpern nachgemachter, künstlich gemacht worden, aber er hatte, sah so aus, wie menschliche Antikörper normalerweise so aussehen. Und diese menschlichen Antikörper, die haben die Eigenschaft, dass sie eine Bindungsstelle haben, und da hat der richtig gebunden, an dieses Oberflächeneiweiß, dieses CD28, an diesen T-Zellen, und sie haben einen Schwanz. Und mit diesem Schwanz sind sie manchmal nicht auch aktiv, aber sie können auch mal an andere Rezeptoren binden. Und möglicherweise hat dieser künstliche Antikörper schon an die regulatorischen T-Zellen gebunden, aber mit seinem Schwanz an die anderen T-Helferzellen, die dann diese übermäßige Immunreaktion hervorgerufen haben.
Reuning: Hätten die Forscher das nicht vielleicht doch ahnen können?
Raabe: Na ja, dass dieser Antikörper, dieser menschliche Antikörper im Tier anders arbeitet als im menschlichen Körper, hätte man sich theoretisch überlegen können. Und es gab auch Studien, die Hinweise darauf gegeben haben, aber Studien von anderen Forschern, und die hätten die durchaus kennen können.