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Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe

Unlängst hat das Lettische Parlament eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe verbietet. In der Europäischen Union stößt diese Haltung auf Kritik. Mit einer ersten Resolution verurteilte das Europaparlament die zunehmende Diskriminierung Homosexueller in Lettland. Aus Riga Birgit Johannsmeier.

    Jeden Sonntagabend steht Maris Sants vor dem Altar der Anglikanischen Kirche in Riga. Der lettische Pfarrer im weißen frischgebügelten Talar ist ein großer und sportlicher Mann Anfang vierzig. Die Gemeinde verehrt ihn, denn er strahlt Wärme und Vertrauen aus. Aber Maris Sants kann seinen Gläubigen keine eigenen Räume anbieten. Deshalb ist er froh, dass er Zuflucht in der Anglikanischen Kirche gefunden hat.

    "Im Jahr 2002 hat mich die Lettische Lutherische Kirche verbannt, weil ich homosexuell bin. Hinter meinem Rücken hat mich der Erzbischof exkommuniziert, ich durfte mich nicht mal verteidigen. Darum habe ich eine offene Gemeinde außerhalb der Lutherischen Kirche Lettlands gegründet."

    Der Dom von Riga: Hier spricht Lettlands Erzbischof Janis Vanags über Moral und Ethik der Lettischen Lutherischen Kirche. Im Sozialismus hielt Janis Vanags gegen alle Widerstände aus der Kommunistischen Partei an seinem christlichen Glauben fest. Heute ist er ein erklärter Gegner der Homosexualität. Bereits 1996 versagte Janis Vanags allen homosexuellen Christen das Abendmahl.

    "Wir glauben, dass die Bibel ein Buch ist, wovon Gott zu uns redet und wir haben eine guten Grund zu glauben, dass in der Bibel die Homosexualität eine Sünde ist."

    Nicht nur von der Kanzel, sondern auch im Internet ruft der Lettische Erzbischof zum Kampf gegen die Homosexuellen auf. Er warnt vor einem moralischen Kollaps wie einst im legendären Sodom oder Rom. Gleichzeitig beschuldigt er die "offene lutherische Gemeinde" und Maris Sants, den Tod der lettischen Nation herbeizuführen, weil der schwule Pfarrer für die Rechte Homosexueller eintritt.

    25. Juli 2005. Angeführt von der "offenen lutherischen" Gemeinde und Maris Sants marschieren knapp 100 Schwule und Lesben durch die Altstadt von Riga. Was als Party gedacht war, entpuppt sich bald als Spießrutenlauf gegen wütende Demonstranten. Ilze Brands-Kehris ist dabei, als ein wilder Mob Eier, Farbbeutel und Beschimpfungen in die Menge schleudert. Die Soziologin leitet das Lettische Zentrum für Menschenrechte und beobachtet seit Jahren, wie schwer sich die Lettische Gesellschaft mit sexuellen Minderheiten tut.

    "Wir sind in Lettland einfach zu intolerant. Denn wir hatten nie mit sexuellen Minderheiten zu tun. Das ist unser sowjetisches Erbe. Das Thema war im Sozialismus einfach tabu. Bis heute fehlt uns die richtige Führung. Wir haben keine Politiker, die bereit sind, Verständnis und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern."

    Unlängst hat das Lettische Parlament eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine gleichgeschlechtliche Ehe verbietet. Das war eine Initiative der regierenden "Ersten Partei Lettlands", die als so genannte "Pfarrerpartei" der Lutherischen Kirche Lettlands sehr nahe steht. Folglich sieht auch der Pressesprecher Edgars Vaiklis in der Homoehe eine Gefahr für die Gesellschaft.

    "In anderen europäischen Ländern haben wir beobachtet, dass die Homosexuellen zuerst auf die Straße gehen, dann dürfen sie plötzlich heiraten und später sogar Kinder haben. Aber es ist doch klar, dass zwei Männer und zwei Frauen, die zusammen leben, nun mal keine Kinder bekommen können. Und wir sind für das gesunde Familienmodell mit Mutter, Vater und Kindern, so wie es in der Bibel geschrieben steht."

    In der Europäischen Union stösst diese Haltung auf Kritik. Mit einer ersten Resolution verurteilte das Europaparlament die zunehmende Diskriminierung Homosexueller in Lettland. So macht sich der schwule Pfarrer Maris Sants Hoffnung, dass unter dem Druck der europäischen Öffentlichkeit die umstrittene Verfassungsänderung wieder zurückgenommen wird.

    "Homosexualität kann in einer demokratischen Gesellschaft nicht versteckt werden. Glücklicherweise hat uns Nordeuropa längst alles vorgemacht. Wir müssen nicht dort beginnen, wo Deutschland, England oder Dänemark vor 50 oder 30 Jahren standen. Ich glaube, wir werden es in 10 Jahren schaffen, aber das ist eine sehr lange Zeit."