Doris Schäfer-Noske: Viele Politiker und Kirchenvertreter haben sich zum Fall Kusch voller Abscheu geäußert. Manche ergriffen die Gelegenheit, um nochmals zu betonen, aktive Sterbehilfe müsse in Deutschland auf jeden Fall verboten bleiben und dürfe keine Dienstleistung werden. Ein Gesetzentwurf gegen gewerbliche und organisierte Sterbehilfe ist geplant. Schwerleidenden Sterbenskranken und ihren Angehörigen nützt das in der Notlage aber wenig. Frage an den Direktor der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen Alfred Simon. Herr Simon, was können denn Verbote hier bewirken?
Alfred Simon: Ich denke, Verbote sind wichtig, weil sie den gesetzlichen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen ärztliches Handeln möglich ist. Und ich denke mal, wir brauchen hier klare rechtliche Rahmenbedingungen, damit eben der Freiraum auch entsprechend genutzt werden kann, damit aber jeder weiß, wo dieser Freiraum auch zu Ende ist.
Schäfer-Noske: Es wird immer wieder der Fall eines Kindes beschrieben, bei dem sich die Haut bei der geringsten Berührung abgelöst hat und es dann nach langem Leiden an einer Lungenentzündung gestorben ist. Gibt es denn nicht Grenzfälle, in denen man aktive Sterbehilfe legalisieren müsste?
Simon: Es gibt sicherlich Grenzfälle, wo man sich vorstellen kann, dass aktive Sterbehilfe im Einzelfall moralisch gerechtfertigt ist. Ob man deshalb die aktive Sterbehilfe legalisieren muss, ist eine andere Frage, weil ich denke mir, mit einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe setzen ja wieder viele Entwicklungen in Gang, die man dann möglicherweise auch gar nicht kontrollieren kann. Und mit jedem neuen Angebot schafft man auch eine neue Nachfrage. Und diese Erfahrungen haben wir sehr wohl in allen anderen Ländern, in denen aktive Sterbehilfe legalisiert ist, als zum Beispiel in den Niederlanden, aber auch in Belgien.
Schäfer-Noske: Aber darf man den Ärzten in Deutschland weiter zumuten Sterbehilfe in solchen Grenzfällen zu leisten und dann praktisch mit einem Bein im Gefängnis zu stehen?
Simon: Nun, sie müssen ja nicht aktive Sterbehilfe leisten. Es gibt ja in Deutschland zum einen ja durchaus die Möglichkeit auch der ärztlichen Beihilfe zum Suizid. Das ist der Bereich, wo es aber unklar ist, ob Ärzte eine Verpflichtung haben, beim Suizidenten dann Nothilfe zu leisten. Zum anderen gibt es natürlich auch die Möglichkeit einer palliativen Sedierung. Das heißt, wenn Schmerzen für Menschen wirklich unerträglich sind, kann man ihnen natürlich sedierend wirkende Medikamente geben, das heißt Medikamente geben, die ihr Bewusstsein trüben, und zwar so weit trüben, dass eben ihre Schmerzsituation für sie auch erträglich ist.
Schäfer-Noske: Nun scheint es ja auch eine Frage der Kriterien zu sein. Denn der aktuelle Fall hat ja auch deswegen besondere Empörung hervorgerufen, weil die Frau nicht einmal sterbenskrank war, sondern eben nur gesagt hat, sie wolle nicht ins Altenheim gehen. Wir beurteilen also, dass ihre Kriterien im Grunde nicht ausreichen, um sterben zu wollen. Ist das so?
Simon: Dass Herr Kusch Beihilfe zum Suizid leistet, hat er ja schon Anfang des Jahres angekündigt, dass er einen solchen Fall begleiten möchte. Man wundert sich natürlich, dass er keinen eindeutigeren Fall gewählt hat, zumal eigentlich auch von den meisten Befürwortern auch einer Beihilfe zum Suizid eine sterbensnahe Situation doch als Voraussetzung gefordert wird. Von daher muss man sich eigentlich wundern, warum Herr Kusch gerade in diesem Fall jetzt Beihilfe zum Suizid geleistet hat. Und ich selbst, der ich mich auch eher zu einem vorsichtigen Befürworter einer ärztlichen Beihilfe zum Suizid als, ich sage mal, Notausgang aussprechen würde, würde das ebenfalls gerne auf sterbensnahe Situationen beschränkt wissen. Es zeigen ja Erfahrungen, gerade auch aus den USA, wo ja in dem Bundesstaat Oregon auch eine ärztliche Beihilfe zum Suizid zulässig ist, dass unter sehr strengen Voraussetzungen sich auch relativ wenige Menschen ein solches Mittel verschreiben lassen und von diesem nehmen es auch nur zwei Drittel. Da ist es doch so, dass für viele Menschen die Beihilfe zum Suizid einfach eine Art Notausgang darstellt, der ihn dann aber erträglich macht, ihre Situation dann doch bis zuletzt eben auch durchzuleben und eben diesen Notausgang auch nicht zu gehen.
Schäfer-Noske: Aber können wir das überhaupt beurteilen, wo die Grenzen des Erträglichen für den Einzelnen überschritten sind?
Simon: Das ist sicherlich schwierig zu beurteilen. Aber Sie müssen aber immer auch bedenken, dass gesetzliche Regelungen ja nicht nur den Einzelfall, den konkreten Einzelfall, im Blick haben müssen, sondern bei gesetzlichen Regelungen muss man sich natürlich immer auch Gedanken machen, was hat jetzt die Liberalisierung oder was hat eine Legalisierung dann auch für Konsequenzen für andere Menschen. Und ich denke mir, unter den Voraussetzungen wäre es wichtig, dass wenn wir so etwas wie Beihilfe zum Suizid geregelt zulassen wollen, dass wir dann dafür auch klare Voraussetzungen schaffen. Und ich denke, dass eine sterbensnahe Situation, oder eine absehbare, zu Tode führende Krankheit, dass die doch eine wichtige Voraussetzung wäre.
Schäfer-Noske: Das war Alfred Simon, Direktor der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen.
Alfred Simon: Ich denke, Verbote sind wichtig, weil sie den gesetzlichen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen ärztliches Handeln möglich ist. Und ich denke mal, wir brauchen hier klare rechtliche Rahmenbedingungen, damit eben der Freiraum auch entsprechend genutzt werden kann, damit aber jeder weiß, wo dieser Freiraum auch zu Ende ist.
Schäfer-Noske: Es wird immer wieder der Fall eines Kindes beschrieben, bei dem sich die Haut bei der geringsten Berührung abgelöst hat und es dann nach langem Leiden an einer Lungenentzündung gestorben ist. Gibt es denn nicht Grenzfälle, in denen man aktive Sterbehilfe legalisieren müsste?
Simon: Es gibt sicherlich Grenzfälle, wo man sich vorstellen kann, dass aktive Sterbehilfe im Einzelfall moralisch gerechtfertigt ist. Ob man deshalb die aktive Sterbehilfe legalisieren muss, ist eine andere Frage, weil ich denke mir, mit einer Legalisierung der aktiven Sterbehilfe setzen ja wieder viele Entwicklungen in Gang, die man dann möglicherweise auch gar nicht kontrollieren kann. Und mit jedem neuen Angebot schafft man auch eine neue Nachfrage. Und diese Erfahrungen haben wir sehr wohl in allen anderen Ländern, in denen aktive Sterbehilfe legalisiert ist, als zum Beispiel in den Niederlanden, aber auch in Belgien.
Schäfer-Noske: Aber darf man den Ärzten in Deutschland weiter zumuten Sterbehilfe in solchen Grenzfällen zu leisten und dann praktisch mit einem Bein im Gefängnis zu stehen?
Simon: Nun, sie müssen ja nicht aktive Sterbehilfe leisten. Es gibt ja in Deutschland zum einen ja durchaus die Möglichkeit auch der ärztlichen Beihilfe zum Suizid. Das ist der Bereich, wo es aber unklar ist, ob Ärzte eine Verpflichtung haben, beim Suizidenten dann Nothilfe zu leisten. Zum anderen gibt es natürlich auch die Möglichkeit einer palliativen Sedierung. Das heißt, wenn Schmerzen für Menschen wirklich unerträglich sind, kann man ihnen natürlich sedierend wirkende Medikamente geben, das heißt Medikamente geben, die ihr Bewusstsein trüben, und zwar so weit trüben, dass eben ihre Schmerzsituation für sie auch erträglich ist.
Schäfer-Noske: Nun scheint es ja auch eine Frage der Kriterien zu sein. Denn der aktuelle Fall hat ja auch deswegen besondere Empörung hervorgerufen, weil die Frau nicht einmal sterbenskrank war, sondern eben nur gesagt hat, sie wolle nicht ins Altenheim gehen. Wir beurteilen also, dass ihre Kriterien im Grunde nicht ausreichen, um sterben zu wollen. Ist das so?
Simon: Dass Herr Kusch Beihilfe zum Suizid leistet, hat er ja schon Anfang des Jahres angekündigt, dass er einen solchen Fall begleiten möchte. Man wundert sich natürlich, dass er keinen eindeutigeren Fall gewählt hat, zumal eigentlich auch von den meisten Befürwortern auch einer Beihilfe zum Suizid eine sterbensnahe Situation doch als Voraussetzung gefordert wird. Von daher muss man sich eigentlich wundern, warum Herr Kusch gerade in diesem Fall jetzt Beihilfe zum Suizid geleistet hat. Und ich selbst, der ich mich auch eher zu einem vorsichtigen Befürworter einer ärztlichen Beihilfe zum Suizid als, ich sage mal, Notausgang aussprechen würde, würde das ebenfalls gerne auf sterbensnahe Situationen beschränkt wissen. Es zeigen ja Erfahrungen, gerade auch aus den USA, wo ja in dem Bundesstaat Oregon auch eine ärztliche Beihilfe zum Suizid zulässig ist, dass unter sehr strengen Voraussetzungen sich auch relativ wenige Menschen ein solches Mittel verschreiben lassen und von diesem nehmen es auch nur zwei Drittel. Da ist es doch so, dass für viele Menschen die Beihilfe zum Suizid einfach eine Art Notausgang darstellt, der ihn dann aber erträglich macht, ihre Situation dann doch bis zuletzt eben auch durchzuleben und eben diesen Notausgang auch nicht zu gehen.
Schäfer-Noske: Aber können wir das überhaupt beurteilen, wo die Grenzen des Erträglichen für den Einzelnen überschritten sind?
Simon: Das ist sicherlich schwierig zu beurteilen. Aber Sie müssen aber immer auch bedenken, dass gesetzliche Regelungen ja nicht nur den Einzelfall, den konkreten Einzelfall, im Blick haben müssen, sondern bei gesetzlichen Regelungen muss man sich natürlich immer auch Gedanken machen, was hat jetzt die Liberalisierung oder was hat eine Legalisierung dann auch für Konsequenzen für andere Menschen. Und ich denke mir, unter den Voraussetzungen wäre es wichtig, dass wenn wir so etwas wie Beihilfe zum Suizid geregelt zulassen wollen, dass wir dann dafür auch klare Voraussetzungen schaffen. Und ich denke, dass eine sterbensnahe Situation, oder eine absehbare, zu Tode führende Krankheit, dass die doch eine wichtige Voraussetzung wäre.
Schäfer-Noske: Das war Alfred Simon, Direktor der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen.