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Verbotene Rettung

Vor zwei Jahren rettete die deutsche Hilfsorganisation Cap Anamur 37 Afrikaner, die im Mittelmeer in Seenot geraten waren. Sie wurden nach Sizilien gebracht. Daraus ist ein Rechtsstreit zwischen dem Ex-Vorsitzenden von Cap Anamur , Elias Bierdel, und dem italienischen Staat entbrannt. Heute wird in Sizilien entschieden, ob es zum Prozess kommt. Heute wird in Sizilien entschieden, ob es zum Prozess kommt. Karl Hoffmann berichtet.

04.07.2006
    Für Kapitän Stefan Schmidt war es die einzig mögliche Entscheidung, als er am Nachmittag des 11. Juli vor zwei Jahren die Cap Anamur Richtung Porto Empedocle steuerte.

    Der Notfall waren die 37 Flüchtlinge an Bord, die die Cap Anamur im Mittelmeer aufgelesen hatte. Nach vielen Tagen auf hoher See waren sie verzweifelt, und drohten, ins Wasser zu springen.

    Für die italienischen Behörden war das erzwungene Einlaufen die falsche Entscheidung: Sie beschlagnahmten das Schiff, und zitierten die Besatzung vor den Staatsanwalt. Der Vorwurf war der gleiche, den sich bereits zwei Jahre zuvor der sizilianische Fischer Corrado Scala eingehandelt hatte:

    "Man hat uns beschuldigt, der illegalen Einwanderung Vorschub geleistet zu haben. Kriminelle Schlepper sollten sie sein, Corrado und die Besatzung seines Fischerbootes, nachdem sie 80 Seemeilen südlich von Sizilien auf ein Flüchtlingsboot mit 151 Menschen in erbärmlichen Zustand gestoßen waren."

    "Wir haben sie nach Sizilien gebracht. Sie hatten schlimme Magenschmerzen und die Ärzte meinten, sie hätten alle Meerwasser getrunken. Vier schwangere Frauen wurden gleich ins Krankenhaus gebracht."

    Statt ihn für seine mutige Rettungsaktion zu belobigen, verdächtige man Corrado des Menschenhandels. Aber was noch schlimmer war: Sein Boot blieb 23 Tage lang beschlagnahmt - Zehntausende von Euro Verdienstausfall.

    Wie im Fall Cap Anamur, zwei Jahre später, war die Botschaft eindeutig: Wer ungefragt Ausländer an Land bringt, wird als Krimineller betrachtet. Menschenleben müssen auf dem Dienstweg gerettet werden, indem man Küstenwacht oder Grenzschützer per Funk alarmiert, erklärt der Kommandant eines Polizeibootes:

    "Wir bekommen Funksprüche von Fischerbooten oder von den Militäreinheiten die hier kreuzen. Da draußen sind vielen Augen, die sehen. Zum Beispiel auch ein Aufklärungsflugzeug, das täglich die Straße von Sizilien absucht."

    Die Rettung von "Boat People", die der Cap Anamur zum Verhängnis wurde, ist inzwischen besser organisiert. Auch deshalb, weil der Strom der Menschen nach Europa wächst. Und damit auch die Zahl derer, die bei Überfahrt in Lebensgefahr geraten. Immer wieder gibt es Schilderungen von Überlebenden, dass sie von Schiffen auf hoher See einfach ignoriert wurden. Die Kapitäne schauen lieber weg, denn sie wissen: Wer hilft, hat nur Probleme.

    Jüngst saß ein sizilianisches Fischerboot tagelang in Libyen fest, weil es ertrinkende "Boat People" aus dem Wasser gezogen und zurück an Land gebracht hatte. Die Männer der Cap Anamur weiter gerichtlich zu verfolgen, würde das Schicksal vieler weiterer "Boat People" besiegeln. Auf die Öffentlichkeit, die die deutsche Hilfsorganisation mobilisieren wollte, kann sie zumindest in Italien nicht hoffen. Der Fall Cap Anamur ist so gut wie vergessen.