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Verbrannt und vergraben?

Paläoanthropologie.- Vor knapp 30.000 Jahren verschwanden die Neandertaler plötzlich von der Erde. Der letzte Fund eines kompletten Neandertaler-Skeletts liegt immerhin 30 Jahre zurück. In Spanien wurden nun wieder Überreste dieser Urmenschenart entdeckt.

Von Michael Stang |
    Seit nunmehr 20 Jahren gräbt Michael Walker im Südosten Spaniens nach den Überresten von Neandertalern. Im Höhlensystem Sima de las Palomas in Murcia stieß der Paläoanthropologe auf eine Fülle von fossilen Überresten unseres ausgestorbenen Vetters.

    "Wir haben Knochen von zehn verschiedenen Neandertalerindividuen gefunden, darunter ein Baby, Kleinkinder und Erwachsene sowie Werkzeuge. Das Spannendste ist aber, dass wir von zwei, vielleicht auch drei, dieser Neandertaler nicht nur Schädelknochen oder Bruchstücke gefunden haben, sondern nahezu vollständige Skelette, eines ist sogar noch zu 85 Prozent erhalten. Sie sind von großen Steinen bedeckt und rund 55.000 bis 50.000 Jahre alt."

    Damit konnten nach mehr als 30 Jahren in Europa erstmals wieder Neandertalerskelette ausgegraben werden. Solch seltene Funde ermöglichen detaillierte Analysen über Körperhöhe, Gesundheitszustand und Ernährung. Die große Frage für den Professor der Universität Murcia ist aber, warum die Neandertalerskelette mit Steinen bedeckt wurden.

    "Wir wissen nur, dass auf diesen Skeletten riesige Steine lagen, die definitiv von außen in die Höhle gebracht wurden oder eben reingefallen sind. Ob es eine Bestattung oder Zufall war - das können wir noch nicht sagen. Spannend ist auch die Frage, warum die Gebeine auf einer Fläche liegen, wo es einen großen Brand gegeben haben muss, da das Gestein und die Knochen richtig verbacken sind. Und obenauf lag eine große Sedimentschicht, in der wir die anderen Knochenstücke von Erwachsenen und Kindern gefunden haben."

    Datierungen zufolge kamen die anderen Knochen erst sehr viel später hinzu, da sie nur ein Alter von rund 34.000 Jahren aufweisen. Die tiefer liegenden Skelette jedoch könnten alle aus der gleichen Zeit stammen, möglicherweise waren sie sogar eng miteinander verwandt. Um das zu klären untersuchten Paläogenetiker vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig die Knochen im Genetiklabor - in der Hoffnung, noch brauchbares Erbmaterial zu finden.

    "Die genetischen Untersuchungen von Svante Pääbo und seinen Kollegen haben leider nichts ergeben. Die Sommer hier in Sima de las Palomas sind sehr heiß und das sind leider keine idealen Bedingungen, unter denen sich das sensible Erbgut der Neandertaler Jahrtausende erhalten kann."

    Aber nicht nur die Verwandtschaftsverhältnisse der spanischen Neandertaler werfen viele Fragen auf. Das große Rätsel rund um die Neandertalerhöhlen sei ihre Beschaffenheit, so Michael Walker. Die Skelette lagen auf einer Fläche, die sehr hohen Temperaturen ausgesetzt war - Überreste einer Brandbestattung oder ein Feuer, in dem die Neandertaler ums Leben kamen?

    "Das ist eine gute Frage, aber um ehrlich zu sein: Wir wissen es nicht. In der unteren Lage haben wie gebrannte Knochen von Neandertalern und Tieren gefunden, sowie viele Werkzeuge. Es muss da ein riesiges Feuer oder etwas in der Art gegeben haben, weil alles fest zusammen gebacken ist. Das kann ein einzelnes Lagerfeuer nicht geschafft haben. Damit sich die Knochen so verfärben und verändern, braucht es vermutlich mindestens eine Temperatur von 500 Grad Celsius."

    Normale Kochfeuer hätten nicht Tonnen an Gestein so fest verbacken können. Daher bleibt die Frage, ob das Feuer von außen eingedrungen ist oder erst in der Höhle gelegt wurde. Michael Walker will sich deshalb auf neue Funde konzentrieren, die Planungen für die nächste Grabungssaison in den Höhlen laufen schon. Erste Datierungen am Boden in drei Metern Tiefe ergaben ein Alter von 120.000 Jahren. Möglicherweise findet er dort Antworten auf die Fragen, die ihn seit 20 Jahren antreiben, jede Saison aufs Neue nach weiteren Neandertalern zu suchen.