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Verbrauchende Embryonenforschung erhält den Segen des Europaparlaments

Forschungspolitik. - Das Europaparlament in Straßburg hat am Mittwoch beschlossen, dass die in manchen EU-Staaten wie Deutschland verbotene, in anderen aber erlaubte verbrauchende Embryonenforschung mit Geld aus EU-Töpfen gefördert werden soll. Die Entscheidung des Parlaments fiel klarer aus, als Beobachter im Vorfeld erwartet hatten. Die Abgeordneten sprachen sich mit deutlicher Mehrheit für eine fast uneingeschränkte Förderung der umstrittenen Forschung aus und erteilten damit sogar dem Kompromissvorschlag der EU-Kommission eine Abfuhr.

    Selten haben im Europaparlament Abgeordnete, die in einer Abstimmung unterlegen waren, so enttäuscht reagiert wie in diesem Fall. Empört war zum Beispiel die Grünen-Politikerin Hiltrud Breyer: "Ich finde das Votum des Parlaments ein ethisches Desaster. Es hat die schlimmsten Befürchtungen übertroffen und ist ganz verheerend." Das Parlament hatte darüber abzustimmen, ob aus den insgesamt 2,5 Milliarden Euro Forschungsförderung der EU bis 2006 auch Gelder in die Erforschung embryonaler Stammzellen fließen dürfen. Unter den 15.000 Förderanträgen von Wissenschaftlern befassen sich neun mit diesem Thema. Am Ende votierte die Parlamentsmehrheit für die freizügigste aller zur Wahl stehenden Alternativen: Auch wenn für die Gewinnung von Stammzellen Embryonen abgetötet werden, soll die Forschung Fördergelder erhalten.

    Mit 298 von 533 Abgeordneten lehnte das Parlament damit jede Form von Stichtagsregelung ab, in der die Forschung auf bestehende Stammzelllinien oder auch nur auf bereits existierende Embryonen beschränkt wäre. Die Position des Parlamentes widerspricht damit den Gesetzen einer ganzen Reihe von Mitgliedstaaten, in denen diese verbrauchende Embryonenforschung unter Strafe steht. Dazu zählt auch Deutschland, der größte Nettozahler der EU, wie Hiltrud Breyer betont: "Deutschland trägt ja ungefähr 19,8 Prozent zum Haushalt bei. Das würde bedeuten, dass jedes fünfte Embryonenforschungsexperiment unfreiwillig vom deutschen Steuerzahler mitfinanziert wird, obwohl es in Deutschland ausdrücklich verboten ist. Das ist meines Erachtens völlig einmalig in der Geschichte der Europäischen Union."

    Zuvor steht das Thema allerdings Anfang Dezember im Ministerrat auf der Tagesordnung. Die Minister sind nicht an das Votum des Parlamentes gebunden. Bislang haben Deutschland, Österreich, Portugal und Italien dort entsprechende Regelungen blockiert. Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange sieht diese Sperrminorität nun aber bröckeln: "Ich glaube, dass sie nicht mehr Bestand haben kann, weil jetzt der Druck, die Stammzellförderung auf den Weg zu bringen, sehr stark geworden ist. Man wird sich auf eine Kompromisslinie zu verständigen haben." Dieser Kompromiss wird aber weniger restriktiv sein als die Stichtagsregelung, die in Deutschland gilt, glaubt Lange. Die EU droht Ende des Jahres in eine rechtliche Grauzone zu geraten. Dann läuft das Moratorium einer Förderung der Stammzellenforschung aus. Peter Liese, CDU-Abgeordneter im Straßburger Parlament, fürchtet, dass die Kommission dann nach Gusto verfährt: "Einige in der Kommission sagen, dass sie dann die Möglichkeit haben, alles ohne Regeln zu fördern. Ich glaube, aus politischen Gründen ist die Kommission gut beraten, sich zurückzuhalten, wenn sie keine klare Unterstützung, keine klare Regelung im Ministerrat hat."

    [Peter Kapern]