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Verbraucher sollen mehr über das eigene Verhalten nachdenken

Rund 80 Kilogramm Lebensmittel - so viel schmeißen deutsche Verbraucher im Schnitt in die Mülltonne. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) will die Kunden nun mit der neuen Kampagne "Zu gut für die Tonne" aufrütteln.

Von Dieter Nürnberger | 27.03.2012
    Im Grunde will die Politik beim Problem der Verschwendung künftig zweigleisig vorgehen. Zum einen soll die Verbraucherinformation gestärkt werden. Dafür wird heute auch eine Webseite der Kampagne "Zu gut für die Tone" frei geschaltet. Hier soll es komprimiert Tipps zum Umgang mit Lebensmitteln geben. Etwa Hinweise zum Mindesthaltbarkeitsdatum, welches ja bekanntlich das Wort Mindest enthält, soll heißen, nicht alles, was vom Datum her abgelaufen ist, muss weggeschmissen werden. Hier kann der Verbraucher auch je nachdem entscheiden, was er sieht, riecht oder schmeckt.

    Und zweitens will die zuständige Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) auch alle Beteiligten an einen Tisch bringen, um Strategien gegen das Wegwerfen, gegen die Verschwendung aufzuzeigen: Konkret wird es dabei auch um die Vermarktungsnormen innerhalb der EU gehen. Hier existieren ja noch immer Normen, wie Obst und Gemüse beschaffen sein müssen, damit sie in die Regale gelangen dürfen. Wie krumm darf beispielsweise die Banane sein, wie rot der Apfel? Diese Vermarktungsnormen stehen weiterhin auf dem Prüfstand, sagt Ilse Aigner.

    "Wir werden dies weiterverfolgen, und wir haben es schon auf europäischer Ebene durchgeführt: Früher gab es hier 36 Normen, 26 davon wurden schon abgeschafft. Zehn gibt es noch, und da werden wir weiter auf europäischer Ebene vorgehen. Aber es ist geht hier auch um die Frage des Bewusstseins: Die Natur ist eben nicht genormt, und es gibt auch unterschiedliche Größen."

    Heute findet zum Thema auch eine Konferenz in Berlin statt. Vertreter von Verbraucherverbänden, Industrie und Handel oder auch der Kirchen sind anwesend. Gekommen ist auch Martin Kranert. Er ist Professor an der Universität in Stuttgart- und seine Studien zum Thema haben in den vergangenen Wochen das Thema sozusagen auch auf die Agenda gesetzt. Er hat vor allem Industrie und Handel im Blick.

    "Da ist es natürlich auch momentan schon so, dass es den Versuch gibt, möglichst effizient zu arbeiten. Es ist möglich, die Anzahl der Fehlchargen und auch die Überproduktion zu reduzieren. Denn das ist für die Industrie letztendlich verlorenes Geld. Im Bereich des Handels ist so, dass man hier ganz klar auf ein besseres Management drängen muss. Es müsste weniger weggeworfen werden, wenn einfach eine bessere Lagerhaltung betrieben würde. Es ist ja dank elektronischer Verfahren heutzutage auch besser möglich, bedarfsorientierter zu produzieren und zu verkaufen."

    Die Ministerin hofft nun auf einen Schulterschluss aller Beteiligten. Natürlich stehen auch die Verbraucher und deren Verhalten im Mittelpunkt der Diskussion. Bärbel Dieckmann, die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, sagt beispielsweise, dass man den Wert von Lebensmitteln wieder wahrnehmen müsse.

    "Der Handel reagiert manchmal auch auf die Verbraucheransprüche. Nehmen Sie die berühmten Bäckereien, wo die Kunden erwarten, dass selbst um 18 Uhr noch sämtliche Brotsorten vorhanden sind. Das ist doch klar, da muss letztendlich dann weggeschmissen werden. Das ist also ein Spiel, welches mehrere Akteure hat. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Handel natürlich ein Interesse hat – man kann auch Geld damit verdienen, in dem immer wieder gekauft wird, und Lebensmittel dann doch weggeworfen werden."

    Erschwerend kommt sicherlich auch noch hinzu, dass eben die Preise für Lebensmittel in Deutschland - relativ gesehen - deutlich günstiger sind, als noch vor Jahrzehnten. Die Verbraucher müssten also auch mehr über das eigene Verhalten nachdenken.

    Immerhin jedes achte Lebensmittel, welches in den Haushalten eingekauft werde, wandert später mehr oder weniger verdorben in den Müll, so die Zahlen, die hier in Berlin präsentiert werden.

    Eine Besserung der Situation könne man natürlich nicht verordnen, so Ministerin Aigner. Viele Lösungsansätze oder Strategien setzen deshalb auf die Einsicht der Beteiligten. So könne man dem Handel ja auch nicht vorschreiben, welche Packungsgrößen er anbietet.

    "Wir haben ja gerade Vorgaben bei den Packungsgrößen abgeschafft. Es ist natürlich nicht sehr hilfreich, wenn um lediglich fünf Gramm reduziert wird, das ist dann keine Single-Packung. Es geht also wirklich um kleinere Packungsgrößen. Ich glaube, dass der Hersteller und Handel einfach gut beraten sind, sich an den Bedürfnissen der Verbraucher zu orientieren. Es sind ihre Kunden."

    Diskutiert werden also viele mögliche Lösungsansätze. Immerhin hat die Politik ein Ziel formuliert, dass nämlich die Menge der unnötigen Lebensmittelabfälle bis 2020 Eu-weit halbiert werden solle.

    "Zu gut für die Tone"