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Betrugsverdacht bei "Öko-Test"

Die Zeitschrift "Öko-Test" soll mit falschen Auflagezahlen seine Anzeigenkunden getäuscht haben. Dabei ging es um Sonderausgaben, die offensichtlich deutlich seltener verkauft wurden als behauptet. Auch aus anderen Gründen ist das Verbrauchermagazin in Schieflage geraten.

Von Mischa Ehrhardt | 30.01.2019
    Das Logo von Öko-Test ist am 17.8.2007 in einem Labor beim TÜV Rheinland in Köln auf einer Verpackung zu sehen.
    Die Ergebnisse von "Öko-Test" lassen sich auf zahlreichen Produkten finden (picture alliance /dpa / Rolf Vennenbernd)
    "Das ist die Mogelpackung des Jahres": Diese Überschrift stand vor wenigen Tagen über einem Artikel des Online-Portals von "Öko-Test". Mindestens in einer Beziehung kann das Verbrauchermagazin den Titel nun auch für sich selbst beanspruchen. Denn "Öko-Test" hat offenbar seine Anzeigenkunden in der Vergangenheit getäuscht.
    Der Vorwurf lautet: "Druckauflagenbetrug", einfach gesagt: Der Verlag hat über Jahre hinweg seinen Kunden höhere Auflagen für einige der "Öko-Test"-Sonderausgaben angegeben, als in Wirklichkeit gedruckt, geschweige denn verkauft worden sind. Das hat zuerst die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
    "Überragender Markenstatus"
    Nun ist der Schaden ist groß. "Das wirkt sich natürlich auf das Image aus. 'Öko-Test' hat einen überragenden Markenstatus; und wenn dann solche Betrugsfälle passieren, ist das nicht gut", sagt Jens Berendsen. Er ist Chef der "Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft", kurz ddvg. Sie ist das Medienunternehmen der SPD - und Mehrheitseigner von "Öko-Test".
    "Das wird sich sicherlich auch, wenn man Pech hat, auf die wirtschaftlichen Ergebnisse auswirken. Nun bin ich Berufsoptimist und hoffe, dass wir das mit den Anzeigenkunden hinkriegen. Aber zunächst einmal ist der Schaden da".
    Berendsen schätzt, dass der mögliche Auflagenschwindel einen sechsstelligen Euro-Betrag kosten wird - also eine Summe irgendwo zwischen 100.000 und einer Million Euro. Denn als Ausgleich für die gemessen an der wirklichen Auflage zu hohen Anzeigenpreise, bietet "Öko-Test" den Anzeigenkunden nun Entschädigungen an.
    Vorwürfe gegen ehemaligen Chefredakteur
    Den Anzeigenschwindel hat ein vom Verlag selbst eingesetzter Rechtsanwalt ans Licht gebracht. Der sollte die Lage der Dinge prüfen, nachdem im vergangenen Frühjahr der "Öko-Test"-Chefredakteur und -Geschäftsführer geschasst worden war.
    Nun kommen hinter den Kulissen von "Öko-Test" noch mehr Dinge ans Licht: Die IT-Technik des Internetportals sei veraltet, die Aufmachung in die Jahre gekommen, Arbeitsabläufe nicht mehr zeitgemäß, sagt ddvg-Chef Berendsen.
    Die ddvg sieht die Verantwortung für diese Zustände, vor allem aber den Anzeigenschwindel, beim ehemaligen "Öko-Test"-Chefredakteur Jürgen Stellpflug. Der bestreitet das. "Bis zur Veröffentlichung gestern war nie von Anzeigenbetrug die Rede, auch in den gerichtlichen Verfahren nicht. Mir wurde vorgeworfen, zumindest grob fahrlässig nicht davon gewusst zu haben. Von daher kann ich nur sagen: Ich habe nichts davon gewusst. Ich weiß nicht mal, ob es diese behaupteten Verstöße überhaupt gegeben hat", so Stellpflug gegenüber dem Deutschlandfunk.
    Probleme mit China-Geschäften
    Unabhängig davon: Für "Öko-Test" kommt hinzu, dass dem Verlag ein Ausflug nach China teuer zu stehen kommt. Dort versuchte das Verbraucherportal in den vergangenen Jahren eine Art chinesiches "Öko-Test" auf die Beine zu stellen.
    "Wir haben dort einen erheblichen Zuspruch gehabt und hatten eineinhalb Jahre nach Start bereits monatlich 46 Millionen Unique-Users. Das war von dieser Seite gut, aber die Vermarktung war schwierig; weil der Markt in China für Dinge wie Siegel-Lizensierung noch nicht reif ist. Insofern haben die Monetarisierungsthemen an Brisanz gewonnen", sagt Jens Berendsen.
    Hohe Verluste
    "Brisante Monetarisierungsthemen" ist in diesem Fall die diplomatische Bezeichnung für Millionenverluste. Denn Berendsen schätzt, dass der Ausflug nach China einen einstelligen Millionenbetrag gekostet hat.
    Im Geschäftsbericht der ddvg ist das nachzulesen: Dort heißt es: "Das Finanzergebnis wird durch die Berücksichtigung von Risiken im China-Geschäft erheblich belastet".
    Schwer durchschaubare Test-Kriterien
    Auch jenseits von Finanzfragen steht "Öko-Test" immer wieder in der Kritik. Oft seien etwa die Kriterien für die Tests des Portals für Verbraucher nicht einfach zu durchschauen, meint Katharina Riehn von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. "Das heißt, der Verbraucher, wenn er einen solchen Bericht liest, muss das zum einen sehr aufmerksam tun. Und er muss, im Grunde genommen, im Hinterkopf haben, dass die Maßstäbe, die dort angelegt werden, häufig eigen gewählte Maßstäbe sind, die nicht immer etwas mit den gesetzlichen Vorgaben zu tun haben".
    Riehn hat an einer Studie über den Test von Sonnencremes auf Verbraucherportalen wie "Öko-Test" mitgearbeitet. Die eigenen Maßstäbe für das Bewerten von Produkten müssen dabei allerdings nicht per se negativ sein. Nur hält Riehn es für dringend erforderlich, dass die Kriterien und Maßstäbe der Tests für die Verbraucher einfach zu erkennen und nachvollziehbar sind.