Archiv


Verbraucherschützer dringen auf Entflechtung des Energiemarktes

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die Energiemärkte in Deutschland unter die Lupe genommen. Haben wir denn tatsächlich einen freien Wettbewerb?

Von Dieter Nürnberger |
    Bei dieser Frage lautet die Antwort des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen schlicht "nein". Die Wettbewerbssituation auf den Energiemärkten sei in Deutschland nicht so recht gegeben. Die Verbraucher können zwar den Stromanbieter auswählen, aber von einem fairen Wettbewerb auch unter den Anbietern könne keine Rede sein. Gerd Billen vom Vorstand des vzbv charakterisiert die gegenwärtige Situation wie folgt:

    "Das größte Hindernis ist die Tatsache, dass wir vier marktbeherrschende Unternehmen haben, die nicht nur den Strom in Kohle- und Atomkraftwerken erzeugen, sondern denen auch sämtliche Netze gehören. Diese Unternehmen verhindern Wettbewerb. Sie sind in der Lage, neuen Anbietern von Strom überhöhte Nutzungsentgelte abzuverlangen. Sie können auf vielfältige Weise tricksen. Mehr Wettbewerb bedeutet für die Verbraucher, dass sie eher die Chance haben, kostengünstigen Strom zu beziehen. Mehr Wettbewerb ist auch wichtig, damit die Stromerzeugung sich mehr in Richtung Nachhaltigkeit und Ökologie entwickelt."

    Zu einer ähnlichen Analyse ist ja im Januar auch die EU-Kommission gekommen. Auch hier wird eine Entflechtung der Netze aus Wettbewerbsgründen angestrebt. Der vzbv hat nun eine Studie in Auftrag gegeben, um vor allem die eigentumsrechtlichen Bedenken zu erörtern oder zu bewerten. Die Studie hat die internationale Sozietät Hogan, Hartson & Raue erstellt. Der Tenor dieser juristischen Analyse ist eindeutig,: Das deutsche Grundgesetz erlaube die Entflechtung, es sei verhältnismäßig, sagt Christian von Hammerstein:

    "Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass dies verfassungsrechtlich schon ein Eingriff in Eigentumsrechte ist. dass aber dieser Eingriff auch gerechtfertigt werden kann, somit auch von der Politik vorgegeben werden kann. Die Politik kann sich also nicht mit dem Argument aus der Diskussion entziehen, dass verfassungsrechtliche große Probleme bestehen. Im Gegenteil: Verfassungsrechtlich geht das, es ist eine Entscheidung der Politik, eine Entscheidung über die Entflechtung zu treffen."

    Die Entflechtung stelle keine Enteignung, sondern "eine den Grenzen der Sozialbindung des Eigentums unterliegende Inhalts- und Schrankenbestimmung dar". Der Staat dürfe dies aus übergeordneten Gründen also tun, sagt der Jurist von Hammerstein. Andere Länder, allein 14 in der EU, hätten dies vorgemacht mit positiven Effekten für den Markt und auch die Infrastruktur:

    "In den Niederlanden etwa hat die jährliche, durchschnittliche Investitionstätigkeit um 100 Prozent zugenommen, nachdem das Gasversorgungsnetz entflochten wurde. Es gibt also starke Indizien dafür, dass solche Maßnahmen auch wirken und zu Investitionen in die Infrastruktur, für die ansonsten in einer nicht entflochtenen Welt die Anreize fehlen würden."

    Die Netze der Energieversorger, so eine Schätzung beim vzbv, seien mindestens 100 Milliarden Euro wert. Der Bundesverband plädiert nun für eine vollständige Entflechtung. Aber verbunden mit inhaltlichen Vorgaben des Staates an einen künftigen Investor, sagt vzbv-Vorstand Gerd Billen:

    "Weswegen es für uns überhaupt nicht in Frage kommt, dass etwa ein Anbieter wie Gazprom hier in die Lage versetzt würde, hier in Deutschland Strom- oder Gasnetze aufzukaufen und zu betreiben. Das ist eine Praxis, die es auch in anderen Ländern gibt, bei wichtigen Infrastrukturthemen oder wichtigen Bereichen der Volkswirtschaft ist es in den USA so, dass eine Genehmigung für einen Investor erfolgen muss. Und im Rahmen einer solchen Genehmigung hat der Staat durchaus die Möglichkeit abzuwägen, erfüllt ein Unternehmen die Voraussetzungen, die wir uns wünschen, oder auch nicht?"

    Das Gutachten soll somit die deutsche wie auch europäische Diskussion über die Energiemärkte befruchten, bestimmt auch so manche Drohkulisse, die die großen Versorger in den vergangenen Monaten aufgebaut haben, zurechtrücken. Eine Entflechtung würde von Nutzen sein, für einen fairen Wettbewerb auch aus Verbrauchersicht und auch für eine zeitgemäße Infrastruktur des Energiemarktes in Deutschland, so zumindest die Einschätzung der Verbraucherinstitution.