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Verbraucherschützer raten von Vorratskäufen ab

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen warnt vor unüberlegten Käufen angesichts der Mehrwertsteuererhöhung zum Jahreswechsel. "Es ist ja nicht so, dass die Dinge danach unbezahlbar teuer werden", sagte Verbandssprecher Carel Mohn. Daher sollten Kunden auf Werbeargumente des Einzelhandels mit "kühlem Verstand" reagieren.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Rabatte bis zu 70 Prozent sollen die Verbraucher in den freiwilligen Sommerschlussverkauf locken. Heute beginnt die traditionelle Schnäppchenjagd, bei der der Handel laut Branchenverband enorm unter Druck steht, denn die Händler wollen auf gar keinen Fall die Sommerware ins Lager nehmen wegen der Mehrwertsteuererhöhung.

    Am Telefon bin ich nun verbunden mit Carel Mohn, Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Guten Morgen, Herr Mohn!

    Carel Mohn: Hallo! Guten Tag, Herr Breker!

    Breker: Stichwort für uns die Mehrwertsteuererhöhung. Die wird nämlich im Schatten des Schlussverkaufes stattfinden beziehungsweise schon eingepreist, heißt es. Ist das so? Ist das eine Beobachtung, die Sie auch machen können? Wird es teurer, obwohl es gar nicht sein müsste?

    Mohn: Es ist zumindest sehr plausibel, dass Unternehmen versuchen, dass am 1. Januar kein Schock bei den Verbrauchern eintritt dadurch, dass überall drei Prozent draufgeschlagen sind. Deswegen ist es zu erwarten, dass bei einigen Preisen man die vorher schon anhebt. Einige Preise werden gleich bleiben, und bei einigen Preisen wird man es nachher machen. Man will das also ein bisschen verteilen, damit das nicht ganz so auffällt.

    Breker: Geht es um den Schock für die Verbraucher, oder geht es um die eigene Gewinnspanne?

    Mohn: Ich denke, man muss hier sagen, es geht hier nicht um eine Frontstellung zwischen Unternehmen und Einzelhandel auf der einen und Verbrauchern auf der einen Seite. Das wäre völlig falsch. Und ich denke, es ist ja auch völlig legitim für die Unternehmen, diese drei Prozent die sie mehr verlangen müssen, dann auch weiterzugeben, solange das wirklich auch drei Prozent sind. Worum es hier geht ist, dass der Staat sich bedient in einer Weise, die für die Konjunktur, für die gesamte Wirtschaft nicht gut ist. Das ist das eigentliche Problem, was man vergisst, wenn man allzu viel sich immer nur die Preise einzelner Firmen anschaut.

    Breker: Wenn wir uns an die Einführung des Euro erinnern, Herr Mohn. Da wurde uns auch gesagt, es wird ja nur weitergegeben, was eben halt umgestellt wurde. De facto aber hat sich der Eindruck gehalten, es wurde auch abgesahnt.

    Mohn: Die Euro-Einführung, das war natürlich ökonomisch betrachtet etwas ganz anderes, weil da wurde ja nur das Umrechnungssystem geändert. Die Preise sollten an sich gleich bleiben. Es gab sozusagen fundamental keinen Anlass dafür, die Preise anzuheben. Das ist jetzt natürlich anders, weil der Staat ja drei Prozent mehr verlangt, und dem können die Unternehmen so ohne weiteres nicht ausweichen. Aber natürlich ist die Erinnerung an die Euro-Einführung auch insofern gerechtfertigt, als vieles dort eben nicht so transparent vor sich ging und viele Kunden den Eindruck hatten, hier nutzt man dieses Datum, um sich dann zu bedienen. Ich denke, insofern ist eine gewisse Skepsis der Verbraucher hier durchaus angebracht.

    Breker: Die Einpreisung, also die Vorwegnahme der Mehrwertsteuererhöhung in die Preise schon jetzt, ist das etwas, was man nur im Einzelhandel beobachten kann, oder ist auch manch ein Handwerker verleitet, Ähnliches zu tun?

    Mohn: Bei der Euro-Einführung hatten wir das Phänomen, dass die Preise dort am stärksten gestiegen sind, wo es um Dienstleistungen ging. Das war die Gastronomie beispielsweise. Das waren auch Dienstleistungen wie Reinigungsfirmen und so etwas. Man kann sich durchaus vorstellen, dass es hier bei Dienstleistungen auch wieder passiert. Das hat auch damit zu tun, dass diese Preise häufig nicht so von einem Tag auf den anderen angehoben werden können, und wenn man es dann schon mal macht, dann macht man es richtig. Allerdings ist hier doch die Frage, ob die Gastronomen beispielsweise auch aus diesem Schock, den sie nach der Euro-Einführung erlitten haben, gelernt haben und hier vielleicht ihre Preise nicht so stark anheben.

    Breker: Beobachten Sie auch dieses etwas seltsame Phänomen, dass die Mehrwertsteuererhöhung mehr und mehr zum Verkaufsargument geworden ist, etwa bei der Autoindustrie? In der Autoindustrie wird gesagt, wir schenken ihnen die Mehrwertsteuer als Argument, "kaufen sie ein Auto!".

    Mohn: Das wird eine ganz massive Welle werden, die sich wahrscheinlich von Woche zu Woche verstärken wird und dann im Januar ihren Gipfelpunkt erreichen wird. Natürlich: das passiert. Das ist ein Argument, ein Verkaufsargument. Das liegt ja auch auf der Hand. Auf der anderen Seite müssen die Verbraucher wissen: Drei Prozent sind drei Prozent. Das ist auf der einen Seite viel, auf der anderen Seite nicht so viel. Selbst wenn sie etwas für 1000 Euro kaufen, dann sind das immer noch "nur" 30 Euro. 30 Euro kann man bei solchen hohen Summen dann auch über Rabatte und Preisverhandlungen wieder rausholen. Insofern ist hier vor allem ein nüchterner, kühler Verstand der Verbraucher gefragt und eben die Überlegung brauche ich das wirklich, oder ist das nicht so wichtig. Es ist ja nicht so, dass die Dinge danach unbezahlbar teuer werden.

    Breker: Sollte man bei dem Verkaufsargument Mehrwertsteuer vielleicht wachsam sein, oder kann man dem Kunden sagen, ja, dann macht das gute Geschäft?

    Mohn: Wenn man jetzt etwas braucht, ich sage mal wenn die Waschmaschine jetzt kurz davor ist, den Geist aufzugeben, dann gibt es natürlich jetzt einen Grund, eine Waschmaschine zu kaufen und nicht erst im Januar. Aber ich sage noch mal: An sich sollte man auch nicht vergessen, diese Mehrwertsteuererhöhung ist ökonomisch falsch. Die ist politisch falsch, weil sie die Schwachen belastet und die Nachfrage schwächt, die schon durch die Anstiege bei Sozialversicherungsbeiträgen geschwächt ohnehin sind. Das ist eindeutig das falsche Signal.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Carel Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Herr Mohn, danke für das Gespräch.

    Mohn: Ja, auf Wiederhören.