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Verbraucherschutz:

Immer wieder machen Lebensmittelskandale von sich reden: mal ist es gepanschte Butter, mal verunreinigtes Speiseöl oder gestreckter Wein - der Konkurrenzkampf in der Lebensmittelbranche ist groß. Und das verleitet immer wieder einmal das eine oder andere schwarze Schaf, die Gewinnspanne mit unlauteren Mitteln zu vergrößern. Darüber hinaus gibt es auch andere Gefahrenquellen für die Nahrungsmittel, wenn zum Beispiel bei Gefrorenem die Tiefkühlkette unterbrochen wird. Damit sich Gefahren für die menschliche Gesundheit durch verdorbene oder verunreinigte Lebensmittel in Grenzen halten, gibt es die Lebensmittelüberwachung. Doch die arbeitet nicht überall so gut, wie es der Gesetzgeber vorsieht. Vor allem im Bundesland Hessen hinkt der Verbraucherschutz deutlich hinterher.

Von Volker Mrasek |
    Auch die Lebensmittel-Überwachung muss sich an eine Promille-Grenze halten. Nur liegt die nicht bei 0,5 oder 0,8, sondern wesentlich höher - bei 5 Promille. Und: Anders als Autofahrer sollten die staatlichen Kontrolleure nicht unter diesem Schwellenwert liegen, sondern möglichst darüber.

    Fünf Proben pro tausend Einwohner - so viel soll die Lebensmittelüberwachung in allen Bundesländern pro Jahr bewältigen. Diese Mindestquote gilt seit acht Jahren. Sie sollte, so heißt es in einem Bundesratsbeschluss von 1992 wörtlich, "möglichst nicht unterschritten werden". Denn eine gewisse Anzahl von Stichproben müssen die Kontrolleure schon nehmen, um einen wirkungsvollen Verbraucherschutz zu gewährleisten.

    Für ein bevölkerungsreiches Land wie Nordrhein-Westfalen bedeutet die 5-Promille-Quote: Seine Kontrolleure müssen jedes Jahr fast 90.000 Stichproben von Lebensmitteln nehmen und sie auf ihren einwandfreien Zustand hin untersuchen. Bremen dagegen, mit gerade einmal 700.000 Einwohnern, hat ein Soll von lediglich 3500 Einzel-Untersuchungen.

    Nordrhein-Westfalen, Bremen und die meisten anderen Bundesländer übertreffen die Quote regelmäßig. Hessen dagegen, das nicht gerade zu den ärmsten Ländern zählt, liegt seit Jahren darunter - und zwar erheblich. 1996 schaffte es lediglich 3,3 Promille, in den darauffolgenden Jahren sogar nur noch 3,0 und 2,6. 1999 gab es wieder einen leichten Aufwärtstrend mit 3,5 Proben pro tausend Einwohner.

    Das alles geht aus den offiziellen Meldungen hervor, die die Länder alljährlich an das Bundesgesundheitsministerium übermitteln, und die von der Bundesregierung nach Brüssel weitergeleitet werden. Danach ist Hessen, was den Verbraucherschutz angeht, eindeutig Schlusslicht in Deutschland.

    Nach den Zahlen für 1998 gibt es zwei weitere Bundesländer, die an der 5-Promille-Grenze scheitern: das Saarland und Schleswig-Holstein. Mit rund 4 Proben pro tausend Einwohner liegen sie gleichfalls erkennbar unter dem Soll, stehen aber noch deutlich besser da als Hessen.

    Auf die zu geringen Probenzahlen angesprochen, macht das Wiesbadener Sozialministerium eine eigene Rechnung auf. In der Meldung an das Bundesgesundheitsministerium und die EU fehlten kosmetische Mittel und Trinkwasser, so die Landesregierung. Auch sie würden aber von den Untersuchungsämtern beprobt, so dass die Bilanz für Hessen tatsächlich besser aussehe. Demnach brachte es das Bundesland in den letzten drei Jahren auf 4,6 beziehungsweise 4,7 Proben pro tausend Einwohner. Selbst damit läge Hessen noch unter dem 5-Promille-Soll.

    Doch das Wiesbadener Rechenmodell ist ohnehin fragwürdig. Der Leiter eines deutschen Untersuchungsamtes bezeichnete es gegenüber dem Deutschlandfunk gar als "plumpen Trick". Kein anderes Bundesland komme auf die Idee, Trinkwasser-Untersuchungen mit in die Jahresprobenzahl einzubeziehen, so der Lebensmittelchemiker. Denn die seien Sache der Gesundheitsämter, nicht der Lebensmittelüberwachung.

    Tatsächlich muss eher der Eindruck entstehen, dass Hessen den Verbraucherschutz nicht so wichtig nimmt. So gibt es schon länger Pläne in Wiesbaden, eines der drei Untersuchungsämter im Lande dichtzumachen, und zwar die Dienststelle in Gießen. Auch die Außenstellen des Wiesbadener Untersuchungsamtes in Frankfurt und Darmstadt sind von der Schließung bedroht. Hessen hat zudem über Jahre Planstellen für Lebensmittel-Kontrolleure nicht besetzt, was sogar die Pressestelle des Sozialministeriums bestätigt.

    Offenbar nimmt das Land - um Personalkosten einzusparen - bewusst Einbußen beim Verbraucherschutz in Kauf.