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Verbraucherschutz mangelhaft

Mehrfach bemängelte die Umweltorganisation Greenpeace in der Vergangenheit, dass sie bei Einkaufsstichproben Obst und Gemüse mit zu hohen Pestizid-Rückständen gefunden habe. 2003 hatte der Verein darüber hinaus eine Studie zur Qualität der Lebensmittelüberwachung erstellt – und kam zu einem wenig schmeichelhaften Urteil für die staatlichen Kontrolleure. Eine Folgestudie zeigt keine Verbesserung.

Von Philipp Banse | 10.04.2006
    In den Augen von Greenpeace ist die deutsche Lebensmittelüberwachung so schlecht wie vor drei Jahren: Wegen mangelhafter Arbeit der Behörden, so das Fazit der Studie, werden Verbraucher nur schlecht vor Pestiziden geschützt. Die Gesundheitsgefahr durch behandelte Lebensmittel nehme zu. Denn Jahr für Jahr enthielten Lebensmittel mehr Pestizidrückstände, die aber nicht gefunden werden. Nur die Kontrollen in Hamburg, Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen bewertet Greenpeace mit "ausreichend", die Behörden der übrigen Länder arbeiteten "mangelhaft". So würden Betriebe in der Regel zu selten kontrolliert. Zwar werden in Hamburg 90 Prozent der Betriebe einmal in Jahr überprüft. In den meisten Bundesländern besuchen die Kontrolleure aber nur die Hälfte der Händler jährlich einmal. Folge sei, dass in den meisten Bundesländern Pestizide in Lebensmitteln nicht gefunden werden. Manfred Krautter, Chemieexperte von Greenpeace, erläutert das Problem am Beispiel der Tafeltrauben:

    "Baden-Württemberg findet bei Paprika und Trauben im Schnitt bei einem Drittel der Proben Höchstmengenüberschreitungen. Das ist schon himmelschreiend, wie massiv belastet diese Produkte sind. Aber vergleichen wir mal Rheinland-Pfalz. Rheinland-Pfalz fand in der gleichen Kategorie gerade mal in drei Prozent der Proben Überschreitungen, obwohl wir davon ausgehen, dass die Trauben, die in Rheinland-Pfalz verkauft werden, nicht groß anders sind als die in Baden-Württemberg. Das heißt, hier ist ein Labor tätig, dass seinen Job nicht richtig versteht, dass schlecht arbeitet, wenn es nur ein Zehntel der Überschreitungen findet, die ein ordentliches Labor feststellen kann. Da muss man sich fragen, wozu ist so ein Labor noch gut?"

    2004 wurden bundesweit rund 600 Mal Überschreitungen der Höchstmengen von Pestiziden festgestellt. Doch selbst in diesen Fällen gilt, so Greenpeace: Die Verbraucher haben davon nichts. Denn die Untersuchen dauerten oft Wochen bis Monate, also viel zu lange, sagte Greenpeace-Experte Krautter.

    "In der Regel sind die Lebensmittel verkauft und gegessen von uns, bevor überhaupt Ergebnisse vorliegen und bevor eingegriffen wird. Das heißt, hier wird der Auftrag der Behörden nicht erfüllt."

    Greenpeace fordert, dass wenigstens Händler, die belastete Lebensmittel verkaufen, Bußgelder zahlen müssen und dass ihre Namen veröffentlich werden. Doch Lebensmittelsünder hätten nichts zu befürchten, so Manfred Krautter.

    "Das Risiko für die Supermärkte und für die Händler, dass Verstöße geahndet werden. ist wirklich minimal, wirklich minimal. In der Regel wird hier im Vollzug nichts unternommen. Dann muss man sich nicht wundern, wenn die solche Ware verkaufen."

    Wie oft Bußgelder verhängt wurden , diese Daten habe Greenpeace von den Ländern jedoch nicht bekommen. Zwar schreibe das Umweltinformationsgesetz die Herausgabe solcher Daten vor, dennoch hätten die Länder die Untersuchungen massiv behindert, Greenpeace hat deshalb mehrere Klagen eingereicht. Überhaupt informierten die meisten Länder die Verbraucher nur mangelhaft, so Krautter:

    "Sie erfahren grundsätzlich nichts über denjenigen, der verkauft hat, den Namen des Supermarktes zum Beispiel. Und sie erfahren auch nicht den Namen des Herstellers. Also gerade die Informationen, die für den Verbraucher wichtig sind - wer hat denn die schlechten Lebensmittel verkauft - die bekommt man nicht. Das ist unglaublich. Denn wir als Steuerzahler bezahlen diese Behörden dafür, dass sie diese Arbeit machen und uns diese Informationen geben sollten. Das passiert bis heute nicht."

    Die Greenpeace-Studie nennt verschiedene Ursachen für die mangelhafte Lebensmittelsicherheit. So seien die Behördenzuständigkeiten oft unklar; zudem gebe es schlicht zu wenig Kontrolleure. Der Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes müsse geändert werden, so dass Behörden verpflichtet werden, Namen von überführten Unternehmen zu veröffentlichen. Greenpeace fordert von den Ländern mehr zu kontrollieren, mehr Proben zu nehmen und Verstöße auch zu ahnden. Bis das so weit ist, sagt Greenpeace, können Verbraucher sich nur selber schützen und Bio-Ware kaufen: Die sei frei von Pestiziden.