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Verdacht auf Insidergeschäfte

Wieder meldet der internationale Sport eine Korruptionsaffäre. Deren wirkliches Ausmaß steht freilich noch längst nicht fest. Der Eishockeyweltverband IIHF untersucht die Verwicklung seines Präsidenten René Fasel in mögliche Insidergeschäfte.

Von Thomas Kistner |
    Fasel, ein Zahnmediziner aus der Schweiz, steht im Verdacht, allzu eng mit der Zuger Sportagentur Proc AG liiert gewesen zu sein, die jahrelang dicke Provisionen auf Eishockey-Sponsoringverträge und für andere Geschäftsleistungen eingestrichen hat. Einziger Verwaltungsrat der Firma war ein branchenfremder Treuhänder, der enger Jugendfreund von Fasel ist. Pikanterweise wurden die Provisionen von der Sportagentur Infront bezahlt, dem exklusiven Vermarktungspartner der IIHF. Infront, zu dessen Eignern Günter Netzer zählt, überwies der Proc AG von 2004 bis 2008 laut Vertrag 1,8 Million Franken für "Geschäftskontakte, insbesondere zu nationalen und internationalen Wintersportverbänden", aber auch für wolkig definiertes "Marktwissen in Asien und Osteuropa".
    Fasel räumt ein, den Freund und Agenturchef mit Know-how und Kontakten unterstützt zu haben, bestreitet aber, dafür Geld kassiert zu haben. Bei den massiv geldwerten Hilfsleistungen habe es sich um "Freundschaftsdienste" gehandelt, sagt ein Mitarbeiter. Infront versichert, "geschäftsethische" Prinzipien angewendet zu haben.
    Handelsregisterauszüge legen jedoch ein anderes Zeugnis ab – und ein dubioses Netzwerk um den Fasel-Freund offen. Der branchenunbekannte Sportwerber übt Treuhänderfunktion für Dutzende anderer Firmen aus. Während der Beratervertrag seiner Proc AG mit Infront lief, gehörte er selbst der Geschäftsleitung der Immobiliengesellschaft des Eishockeyweltverbands an. Es gibt weitere Vernetzungen. So hat die Agentur des Fasel-Freundes neben dem Millionenvertrag mit Infront bereits 2003 eine sechsstellige Summe als "Verkaufskommission für den Nike-Vertrag" zur Eishockey-WM von 2003 bis 2006 kassiert. Dass Infront, der exklusive Rechtepartner der IIHF, Provisionen für einen Vertrag mit dem langjährigen Verbandssponsor an eine Drittfirma abführt, die einem Freund des Verbandschefs gehört, war vielen Vorstandskollegen Fasels bisher nicht bekannt.
    Auch deshalb wirft der ungewöhnliche Freundschaftsdienst Fragen auf. Und das nicht nur in der IIHF. Fasel ist auch Chef der Vereinigung der Wintersportverbände, er sitzt im Vorstand des Internationalen Olympischen Komitees und leitete die IOC-Prüfkommission für die Winterspiele 2010 in Vancouver/Kanada. Und er zählt überdies zu den Anwärtern auf die Nachfolge von IOC-Präsident Jacques Rogge. Fasel hat, als die Vorwürfe aufkamen, die IOC-Ethikkommission informiert. Ein später Zeitpunkt, auch ist dies eine bekannt zahme Einrichtung. Eine unabhängige statt verbandsinterne Untersuchung der intransparenten Vorgänge wäre dringend nötig.