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Verdacht der Entführung
Deutschland weist vietnamesischen Diplomaten aus

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam galten eigentlich als gut. Das könnte ein Entführungsfall, der an die Zeiten des Kalten Kriegs erinnert, nun ändern. Ein vietnamesischer Geschäftsmann soll aus Berlin verschleppt worden sein. Für die Bundesregierung "ein völlig inakzeptabler Vorgang", der Konsequenzen hat.

Von Theo Geers | 02.08.2017
    Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam in der Berliner Elsenstraße. Davor weht die Flagge des Landes.
    Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam in Berlin. (imago / Klaus Martin Höfer)
    So harsch, so drastisch und so öffentlich reagiert die Bundesregierung selten gegenüber einem anderen Staat: Der Vertreter des vietnamesischen Nachrichtendienstes an der Botschaft in Berlin wird des Landes verwiesen, er muss Deutschland binnen 48 Stunden verlassen. Hintergrund ist die Entführung eines ehemaligen Parteifunktionärs der Kommunistischen Partei Vietnams Ende Juli mitten in Berlin, so der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer:
    "Wir müssen davon ausgehen, ja wir sind sicher, dass Stellen des vietnamesischen Staates in den letzten Tagen hier Handlungen vorgenommen haben, die nur mit Begriffen des Strafrechts - Menschenraub - Entführung - qualifiziert werden können und der Mann befindet sich seit vorgestern wieder in Vietnam, ist also offensichtlich aus Deutschland nach Vietnam zurückverbracht worden."
    "Völlig inakzeptabler Vorgang"
    Die "taz" hatte als erste darüber berichtet. Danach hatten unbeteiligte Zeugen am 23. Juli beobachtet, wie der 51-Jährige Trinh Xuan Thanh also auf offener Straße im Berliner Tiergarten in ein Auto gezerrt wurde. Die Polizei in Berlin ermittelte seitdem wegen des Verdachts einer Entführung und erpresserischen Menschenraubs, weil der Verdacht bestand, der Ex-KP-Funktionär könnte nach Vietnam verschleppt worden sein. Nach den Hinweisen in der "taz" und der Ermittlungsbehörden wurde gestern der vietnamesische Botschafter einbestellt, ihm wurde eine Frist bis heute Mittag 12 Uhr gesetzt, bis zu der Thrin Xuan Thanh nach Deutschland zurückkehren müsse. Nach Ablauf dieser Frist erfolgte die Ausweisung, doch der Fall hat das Zeug, die Beziehungen zwischen Vietnam und Deutschland auch nachhaltig zu belasten, warnt Außenamtssprecher Schäfer:
    "Als Konsequenz aus diesem völlig inakzeptablen Vorgang werden wir den offiziellen Vertreter der Nachrichtendienste unverzüglich, und zwar jetzt, zur Persona non grata erklären und ihm 48 Stunden geben Deutschland zu verlassen. Wir behalten uns vor, weitere Konsequenzen auf politischer, wirtschaftlicher sowie entwicklungspolitischer Ebene zu ziehen."
    Vietnam nahm den Fall offenbart selbst in die Hand
    Die Bundesregierung wertet den Fall deshalb als extremen Vertrauensbruch, weil der vietnamesischen Seite noch am Rande des G20-Gipfels in Hamburg erklärt worden war, dass der 51-jährige Ex-KP-Funktionär unter dem Schutz des deutschen Staates stand: Er hatte in Deutschland Asyl beantragt, dieser Antrag wurde noch geprüft. Allein deshalb schon konnte auch über den ebenfalls vorliegenden vietnamesische Auslieferungsantrag nicht entschieden werden. Die Regierung in Hanoi wirft Trinh Xuan Tranh vor, als Vorstandschef eines staatlichen Unternehmens für Erdölfördertechnik für Verluste von umgerechnet etwa 125 Millionen Euro verantwortlich zu sein. In dieser Situation nahm dann die vietnamesische Seite den Fall offenbart selbst in die Hand und verschleppte den Mann.
    "Das ist schlicht inakzeptabel, dass auf deutschem Boden ausländische Staaten das deutsche Recht mit Füßen treten", erklärt dazu Martin Schäfer, der Sprecher von Außenminister Gabriel. Eigentlich gelten die Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam als gut, das kann sich nach dem Entführungsfall nun ändern.