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Verdacht erhärtet:

Experten für Schimmelpilze und deren Stoffwechselprodukte sind beunruhigt. Der Verbraucher nimmt über die Nahrung vermehrt Schimmelpilze zu sich, ohne es zu wissen. Dabei müssen die von den Schimmelpilzen produzierten Giftstoffe als ernstes Gesundheitsrisiko angesehen werden. Denn bei häufiger Aufnahme schädigen sie Körper- und Organfunktionen. Am stärksten vom Befall betroffen ist ausgerechnet Getreide, worüber wir im vergangenen Jahr ausführlich berichtet haben. Auch ein anderer Rohstoff bereitet den Experten derzeit große Sorgen: die Süßholzwurzel. Auch hier gab es im vergangenen Jahr erste Warnungen - wir haben im Oktober darüber berichtet - und diese Warnungen haben sich jetzt bestätigt.

Von Volker Mrasek |
    Die neuen Untersuchungsergebnisse erhärten den Verdacht: Mit Süßholzwurzel wird offenbar heimlich das Schimmelpilz-Gift "Ochratoxin A" verschleppt, und zwar in Arzneimittel und Gesundheits-Tees, aber auch in Süßwaren aus Lakritz. Die belasteten Produkte enthalten Auszüge der Süßholzwurzel als Wirkstoff oder als Aromaspender. Der Verbraucher ahnt nicht, daß er unter Umständen Spuren eines Naturgiftes zu sich nimmt - mit Bronchial-Pastillen, Husten-Tee oder Lakritz-Schnecken.

    Autoren der Studie sind Lebensmittelchemiker des Landesuntersuchungsamtes Trier sowie Forscher aus Berlin, vom Bundesinstitut für Gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin. Ihr Fazit:

    "Die Untersuchungen von 83 Süßholz-haltigen Lebens- und Arzneimitteln auf Ochratoxin A zeigen teilweise hohe Kontaminationsraten und vereinzelt hohe Gehalte, wie sie bisher allenfalls in Rohprodukten zu beobachten sind, aber nicht in den Angebotsformen."

    Lebensmittel-Prüfer und Toxikologen interessieren sich schon länger für Ochratoxin A. Viele Grund-Nahrungsmittel sind damit belastet. Getreide und Getreideprodukte, Wein, Traubensaft, Bier, Kaffee, Trockenfrüchte und Gewürze - sie alle enthalten häufig Spuren des Giftes.

    Die Hauptursache: Früchte und Getreidekörner verschimmeln, wenn sie zu feucht gelagert werden.

    Das gleiche gilt für Süßholzwurzel, wie es scheint. Sie wird in den Ursprungsländern, zum Beispiel in Italien und Spanien, nach der Ernte oft unter freiem Himmel getrocknet. Schimmelpilze, die sich dabei einstellen, deponieren zugleich ihre Giftstoffe in dem pflanzlichen Material - so auch Ochratoxin A.

    Der Stoff gilt als krebserregend. Er kann Nieren und Immunsystem schädigen. Zudem gibt es Hinweise darauf, daß er erbgutverändernd wirkt. Der Wissenschaftliche Lebensmittel-Ausschuss der EU-Kommission empfiehlt deshalb, den Gehalt von Ochratoxin A in der Nahrung so weit wie möglich abzusenken.

    Jetzt trifft es auch noch Heilmittel. Bei vier von fünf getesteten Tee- und Arznei-Proben war der Befund positiv, wie die Studienautoren berichten:

    "Hohe Gehalte wurden bei Kräutertees mit besonderer Indikation aus Reformhäusern, Drogeriemärkten und Apotheken beobachtet, die sich in der Werbung und Auslobung ihrer Erzeugnisse die besonderen Heilkräfte der Süßholzwurzel zunutze machen, zum Beispiel Bronchial-, Erkältungs- und Nierentee. Der Anteil an Süßholzwurzel in diesen Erzeugnissen schwankt zwischen fünf und 30 Prozent."

    Nicht nur Tee war kontaminiert. Auch Arzneimittel wie Hustensaft und Magenkapseln. Laut Untersuchung können sie zu 75 Prozent aus Süßholzwurzel bestehen. Die höchsten Ochratoxin-Werte zeigten nach Angaben der Autoren Bronchial-Pastillen.

    Das Pilzgift war schließlich auch in Lakritz-Artikeln nachweisbar, allerdings mit eher niedrigen Konzentrationen. Doch nicht einmal dort, meint die Trier-Berliner Arbeitsgruppe, dürfe der gesundheitsbedenkliche Stoff toleriert werden:

    "Trotz der bei diesen Waren geringen Verzehrsmengen sollte berücksichtigt werden, daß sie zum Teil heilende und zum Teil gesundheitsdienliche Zweckbestimmung haben und von besonders empfindlichen Personen - Kranke, Säuglinge und Kleinkinder - verzehrt werden. Im Zuge des Vorsorgeprinzips sollte die Aufnahme an Ochratoxin A so niedrig wie möglich gehalten werden."

    Die Untersuchung erhöht den Druck auf die Hersteller, importierte Rohware auf das Pilzgift hin zu prüfen. Wie es heißt, ist dies bisher nur selten der Fall - obwohl schon im Herbst ähnliche Befunde über Ochratoxin A in Süßholz vorlagen. Sie stammten von der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, wie seinerzeit berichtet.

    Die Trierer und Berliner Forscher betonen ausdrücklich, daß nicht alle ihrer Proben positiv waren. Einige wenige enthielten überhaupt kein Ochratoxin A. Woraus die Autoren folgern:

    "Aufgrund der gezeigten gravierenden Qualitätsunterschiede der Rohware Süßholzwurzel und Lakritz ist es den Herstellern auf jeden Fall möglich, durch gezielte Eingangskontrolle den Ochratoxin-A-Gehalt zu minimieren."