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Verdacht und Dementi

Der Forscherskandal an der Universität Göttingen geht in die zweite Runde. In der vergangenen Woche bestätigte der Präsident der Uni, Kurt von Figura, den Verdacht, dass sich 16 Wissenschaftler mit gefälschten Publikationslisten Gelder von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erschleichen wollten. Jetzt gerät von Figura selber unter Druck: Er soll von den Finanztricks der Kollegen gewusst haben. Das berichtet zumindest der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Der Uni-Präsident dementiert diese Vorwürfe.

Von Christian Kusel |
    Die Frage ist: Hat die Uni-Leitung das gewusst und gebilligt? Die Gesprächsnotizen, aus denen der Spiegel zitiert, deuten darauf hin. Unipräsident Kurt von Figura hat den Artikel gelesen. Alles Unsinn, sagt er - und sieht Aufklärungsbedarf:

    "Weil in dem Artikel viele Vorwürfe erhoben werden, die haltlos sind. Die stützen sich auf die Notiz einer Mitarbeiterin. Die sind aber nicht autorisiert und geben die Dinge sehr verfälscht wider."

    Der Hauptvorwurf: Die Uni-Spitze wisse bereits seit Herbst 2007 von den Finanztricks! Das stimmt nicht, sagt von Figura. Im Herbst 2007 habe es zwar eine Wirtschaftsprüfung gegeben - jedoch an einer anderen Hochschule, die auch am Sonderforschungsprojekt mitarbeitet.

    "Die hat ein renommiertes Wirtschaftsprüfungsunternehmen mit der Untersuchung beauftragt. Das Ergebnis ist uns bekannt gemacht worden, und auch der DFG. Das endete mit der Feststellung, dass es sich um geringfügige Beanstandungen handelte."

    Von möglichen Schummeleien im eigenen Haus habe die Uni erst im Herbst 2008 erfahren. Gegen diese Darstellung spricht eine weitere Gesprächsnotiz. Darin heißt es wörtlich, die Uni werde "künftig keinerlei Unregelmäßigkeiten mehr durchgehen lassen." Von Figura widerspricht: Aus dieser Formulierung könne man nicht automatisch schlussfolgern, dass es zuvor tatsächlich Unregelmäßigkeiten an seiner Hochschule gegeben habe:

    "Das suggeriert ja, dass wir das bisher zugelassen hätten. Das lehne ich ganz entschieden ab. Das ist eine Formulierung dieser Mitarbeiterin, die vollkommen unzutreffend ist - wenn sie so verstanden wird, dass es früher welche gegeben hätte, mit Wissen oder Billigung der Uni-Leitung."

    Ohnehin seien in dem Artikel etliche Zitate aus dem Zusammenhang gerissen und dadurch sinnentstellt worden. Auch die dritte Notiz. Darin heißt, die Finanzverwaltung werde dem Sonderforschungsbereich helfen bei der Suche nach - so wörtlich - "kreativen Mittelverwendungen". Also beispielsweise Möglichkeiten, Fördergelder umzubuchen. Grundsätzlich ist das möglich. Viele Forscher wissen selbst nicht, was erlaubt ist und was nicht, sagt von Figura:

    "Wenn Sie ein Außenfahrzeug für Indonesien, um mal ein Beispiel zu nennen, bewilligt bekommen, dann können sie das anschaffen. Aber die allgemeinen Verwendungsrichtlinien der DFG untersagen, dass der Kraftstoff daraus beglichen wird. Das müssen sie dann aus der Grundausstattung nehmen."

    Allein für solche Fragen habe die Finanzabteilung ihre Hilfe angeboten. Zugleich aber immer betont, dass "nicht-DFG-konforme Umbuchungen" abgelehnt würden.

    Unterm Strich stehen sich zwei Versionen gegenüber: Hier ein Verdacht aufgrund von brisanten Gesprächsnotizen. Dort das Dementi der Uni-Spitze. Klar ist nur: Offenbar gab es unerlaubte Umbuchungen im Sonderforschungsbereich. Die Uni und die DFG haben konkrete Anhaltspunkte. Diese prüfen sie im Moment.

    Ein laufendes Verfahren also. Deshalb schweigt die DFG. In einer schriftlichen Stellungnahme von Generalsekretärin Dorothee Dzwonnek heißt es lediglich:

    "Nach den neuerlichen Veröffentlichungen im "Spiegel" prüft die DFG die dort und von der Universität Göttingen in ihrer Stellungnahme gemachten Angaben. Diese Prüfung läuft derzeit, sodass Ergebnisse noch nicht mitgeteilt werden können."

    Ob es Konsequenzen für die Uni-Leitung hat - sollte herauskommen, dass sie schon früher von den Fördergeld-Mauscheleien wusste - dazu wollte die DFG nichts sagen.