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"Verdacht völlig haltlos"

Der Hannoversche Herzchirurg Professor Axel Haverich war im vergangenen Jahr für den renommierten Deutschen Zukunftspreis nominiert. Doch als Herzchirurgen aus Berlin und Frankfurt die Eigenständigkeit von Haverichs Leistung öffentlich bezweifelten, zog die Jury ihre Nominierung überraschend zurück. Inzwischen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft die damaligen Vorwürfe überprüft. Ihr Fazit: Der Verdacht sei gänzlich unbegründet gewesen.

Von Michael Engel |
    Als die Jury Deutscher Zukunftspreis am 14. Oktober vergangenen Jahres die Nominierung der Gruppe um Professor Axel Haverich bekannt gab, war sich der Herzchirurg aus Hannover fast schon sicher, dass er am Ende den renommierten Preis bekommen würde. Dabei gab es noch drei andere Kandidaten:

    "Die Chancen haben wir ganz sicher, aber ich kenne keinen aus der Jury, ich weiß gar nicht, wer darüber befindet. Ich glaube nur, dass wir gute Chancen haben deswegen, weil wir ein völlig neues Produkt entwickelt haben, was als Prototyp für weitere medizinische Anwendungen sicherlich eine große Strahlkraft in die Medizin, aber auch in die Bevölkerung haben wird."

    Haverich fühlte sich durch die Entwicklung mitwachsender Herzklappen prädestiniert für den Deutschen Zukunftspreis. Zwei Wochen später, am 28. Oktober 2008, kam die böse Überraschung. Die Jury zog die Nominierung zurück. Forschung Aktuell berichtete. Haverich auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz:

    "Ich persönlich bin außerordentlich enttäuscht. Aber genauso enttäuscht sind die vielen Mitarbeiter, die über die letzten zwölf Jahre an diesem Projekt gearbeitet haben, was zwischenzeitlich hochgelobt und jetzt so tief gefallen ist wie man tiefer nicht fallen kann, indem man nämlich denominiert wird für einen Zukunftspreis."

    Die Juroren begründeten die Denominierung mit einer "ungeklärten, patentrechtlichen Situation". Auslöser für den spektakulären Meinungswechsel war ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung. In dem Artikel kritisierte unter anderem Professor Wolfgang Konertz von der Charité in Berlin die Nominierung als "Verarschung". Schon im Sommer 2000, lange bevor Haverich die mitwachsenden Herzklappen bei Kindern einsetzte, hatte Konertz das Biotech-Unternehmen "AutoTissue" für mitwachsende Herzklappen gegründet. Und dort ist Dr. Wilhelm Erdbrügger für Forschung und Entwicklung zuständig:

    "Wir haben ein Patent entwickelt, das auf der Anwendung von Gallensäure beruht. Wir haben dieses Patent 2000 angemeldet, und dieses Patent ist 2002 erteilt worden. Es geht uns darum, dass die Gruppe um Professor Haverich 2008 ein Patent veröffentlicht hat, dass auch Gallensäure nutzt."

    Nach einer Selbstanzeige von Haverich beschäftigte sich nun die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit seinem Fall. Jene Organisation, die den Professor aus Hannover vergangenes Jahr für den Deutschen Zukunftspreis vorgeschlagen hatte. Das nun (28.04.2009) vorgelegte Ergebnis der Untersuchung: Kein wissenschaftliches Fehlverhalten. Und wörtlich heißt es:

    "Im Mittelpunkt der Innovation von Professor Haverich steht die Anwendung einer dezellularisierten mitwachsenden Herzklappe bei Kindern. In keiner der von Professor Konertz genannten Veröffentlichung legt die Charité-Gruppe klinischen Daten über Erfolge bei Kindern vor. Darüber hinaus werden von Haverich humane Herzklappen verwendet, während Konertz über die Anwendung von Schweineklappen, nur bei Erwachsenen, berichtet. Somit erfährt die Innovation von Professor Haverich keine Schmälerung, und der Verdacht eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens erweist sich als völlig haltlos."

    Über diese Feststellung hinaus machte der DFG-Ausschuss deutlich, dass er künftig einen maßvolleren und von mehr Respekt geprägten Umgang mit Innovationen und Forschungsergebnissen erwartet. Haverich, der am Rande einer Chirurgentagung in München von dem DFG-Urteil erfuhr, zeigte sich erleichtert. Zwei große Stiftungen - darunter die Fördergemeinschaft Deutscher Kinderherzzentren - hatten ihre Zahlungen nach der Denominierung eingefroren. "Ich hoffe", so Haverich, "dass wir nach dieser Klärung mit unverminderter Kraft weiterarbeiten können." Ungeklärt bleibt allerdings die patentrechtliche Frage. Hierzu wollte sich die DFG nicht äußern. Und dann ist da noch ein "Beigeschmack": Haverich setzte die Herzklappen erstmals bei Kindern in Moldawien ein, einem bitterarmen Land mit entsprechender medizinischer Versorgung.

    Ob sich Haverich noch einmal für den "Deutschen Zukunftspreis" vorschlagen lässt, ist wohl eher zu bezweifeln. Er selbst hatte diese Frage kurz nach der Denominierung entschieden verneint. Nun will Professor Dieter Bitter-Suermann, Direktor der Medizinischen Hochschule Hannover, prüfen, ob nicht Professor Konertz in Berlin wissenschaftliches Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Die Querelen der Forscher gehen also weiter.